Fast die Hälfte der österreichischen Staatsfläche ist bewaldet. Somit kommt den Wäldern für die Erhaltung der biologischen Vielfalt eine wesentliche Bedeutung zu. Daher ist auch ein Monitoring wichtig, um die ökologischen Funktionen des Waldes dauerhaft auf regionaler Ebene und bundesweit zu gewährleisten. Der Erhebungskatalog der ÖWI enthält zahlreiche Parameter, die eine umfassende Bearbeitung des Themas Biodiversität ermöglichen.
Biodiversitätsindex für den Wald
Mit der Biodiversitätskonvention wurde die "biologische Vielfalt" als sehr breit gefasster Begriff etabliert, der die Vielfalt der Arten und Lebensräume sowie die genetische Vielfalt beschreibt. In dieser Gesamtheit ist Biodiversität nicht messbar. Deshalb werden für die Beurteilung Indikatoren, also besonders wichtige und quantitativ oder qualitativ erfassbare Parameter, herangezogen.
Das BFW hat schon vor mehr als einem Jahrzehnt begonnen, einen Biodiversitätsindex für den Wald zu entwickeln. Er setzt sich aus dreizehn Einzelindikatoren zusammen und wird auf einer Skala von 0 bis 100 gemessen. Für die Berechnung eines Gesamtwertes werden die einzelnen Indikatoren nach ihrer Relevanz gewichtet. Im bewirtschafteten Wald kann der Optimalwert von 100 natürlich nicht erreicht werden. Der Biodiversitätsindex ermöglicht jedoch, den Zustand, die Entwicklung und räumliche Unterschiede der biologischen Vielfalt darzustellen.
Flächendeckende Repräsentativität
Knapp die Hälfte der dreizehn Einzelindikatoren beruht auf den Erhebungen der ÖWI. Dadurch kann mit dem Biodiversitätsindex die biologische Vielfalt repräsentativ für den Ertragswald im Bundesgebiet und für verschiedene regionale Einheiten beschrieben werden. Für die Zwischenauswertung 2016/18 der laufenden Waldinventur wurden jene vier Indikatoren ermittelt, für die ausreichend Stichprobenpunkte zur Verfügung stehen. Daher werden Indikatoren, die an die Verjüngung gebunden sind, momentan nicht berücksichtigt.
Ausgewertet wurden
- der Vergleich zwischen aktuell und potenziell natürlich vorkommenden Baumarten,
- das Vorkommen von neophytischen Baumarten,
- die Totholzmenge und
- die sogenannten Veteranenbäume.
Damit ist zwar nur ein Teil des gesamten Index abgedeckt, die Auswertung beinhaltet jedoch grundlegende Biodiversitätsparameter (mehr Infos zu den einzelnen Indikatoren unter den Bildern im Text).
Baumarten
Ein aus Biodiversitätssicht optimaler Zustand wird dann erreicht, wenn die Waldbestände jene Baumarten aufweisen, die der potentiellen natürlichen Vegetation entsprechen. Die aktuelle Baumartenverteilung auf den ÖWI-Probeflächen wird mit den Zielbaumarten der potentiellen natürlichen Waldgesellschaft (PNWG) verglichen.
Dies erfolgt getrennt für die oberen Bestandesschichten ab 1,3 m und die Verjüngung unter 1,3 m. Neben dem bloßen Vorhandensein einer Baumart geht auch die Häufigkeit ihres Auftretens in die Bewertung ein. Nach dem Grad der Abweichung von der PNWG werden 0, 50, 75 oder 100 Biodiversitätspunkte vergeben.
Neophyten
Zu den Neophyten zählen Baumarten, die in Österreich erst in der Neuzeit (ab dem 15. Jahrhundert) eingeführt wurden. Das Vorkommen dieser Baumarten kann sich nachteilig auf die biologische Diversität des Waldes auswirken. Dazu zählen Balsampappel, Douglasie, Eschen-Ahorn, Gleditschie, Götterbaum, Hybridpappel, Maulbeere, Pennsylvanische Esche, Platane, Robinie, Rosskastanie, Roteiche, Schwarznuss, Strobe, Zürgelbaum.
Kommt auf einer ÖWI-Probefläche eine neophytische Baumart vor, so werden für diese Flächen 0 Biodiversitätspunkte vergeben. Tritt keine neophytische Baumart auf, dann erhält die Probefläche 100 Biodiversitätspunkte.
Totholz
Aufgrund seiner mannigfaltigen Bedeutung wie zum Beispiel als Lebensraum für zahlreiche waldbewohnende Arten, als wichtiger Bestandteil des Nährstoffkreislaufs sowie seinem Beitrag zur Humusbildung und Bodenentwicklung hat das Vorkommen von Totholz bei der Berechnung des Biodiveritätsindex die höchste Gewichtung aller Indikatoren. Das Totholzvorkommen ist ein gut messbarer und vergleichbarer Indikator für die biologische Vielfalt.
Stehendes Totholz mit einem BHD größer gleich 10 cm und liegendes Totholz mit einem Durchmesser größer gleich 10 cm fließen in den Biodiversitätsindex ein. Eine Totholzmenge von mindestens zehn Prozent des stehenden Gesamtvorrates wird mit 100 Biodiversitätspunkten als optimal beurteilt, ein geringer Anteil ergibt proportional weniger und bis zu 0 Punkte.
Veteranenbäume
Große alte Bäume heben sich häufig durch ihr besonderes Erscheinungsbild von ihrer Umgebung ab. Mit zunehmendem Alter weisen Bäume vermehrt Alterungsspuren wie Rindenverletzungen, Astbrüche, Spechtlöcher oder Totholzanteile auf, die gleichzeitig Mikrohabitate für verschiedene spezialisierte Arten darstellen. Ihre ökologische Bedeutung hängt von der Baumart und der Baumgröße ab.
Für den Biodiversitätsindex wurden für die potentiell natürlichen Waldgesellschaften baumartenbedingte Mindestdurchmesser für Veteranenbäume definiert. Generell kommen Veteranenbäume auf ÖWI-Probeflächen eher selten vor, weshalb dieser Indikator sensibel auf Änderungen einer Probefläche reagiert. Ein Veteranenbaumanteil von fünf Prozent oder mehr an der Bestandesgrundfläche entspricht 100 Biodiversitätspunkten.
Positive Entwicklungstendenzen
Insgesamt betrachtet hat das gewichtete, bundesweite Mittel der vier Indikatoren im Vergleich zur Vorperiode 2007/09 um drei Punkte zugenommen. Das ist für eine Zeitspanne von nur neun Jahren eine deutlich positive Entwicklung. Es zahlt sich daher aus, wenn wir uns einige Details näher ansehen. Drei Indikatoren haben sich verbessert, während der Indikatorwert für Neophyten gleich geblieben ist (Abbildung 3 und Tabelle 1).
Die weitere Detailauswertung der Indikatoren erfolgte neben den bundesweiten Ergebnissen für drei verschiedene regionale Gliederungen, die einen tieferen Einblick in die biologische Vielfalt des Waldes in Österreich ermöglichen: eine naturräumliche und eine politische Gliederung sowie eine Einteilung nach den potenziell natürlichen Waldgesellschaften. Für die Naturräume werden die forstlichen Wuchsgebiete in fünf Regionen zusammengefasst (Abbildung 1).
Abbildung 1: Die naturräumliche Gliederung Österreichs
Verbesserungen in den Naturräumen
Berechnet man für die Naturräume die Abweichungen vom bundesweiten Ergebnis 2016/18 aus Tabelle 1, zeigt sich bei den Indikatoren Baumarten, Neophyten und Totholz ein ähnliches Bild: Die Naturräume Mühl- und Waldviertel, Sommerwarmer Osten und Nördliches Alpenvorland liegen unterhalb des Österreichmittels, während die Randalpen sowie die Innen- und Zwischenalpen darüber liegen.Beim Vergleich mit den Ergebnissen der vorigen ÖWI 2007/09 zeigt sich mit Ausnahme des Wald- und Mühlviertels in allen Naturräumen eine generell positive Tendenz (Tabelle 2).
Beim Indikator Totholz ist diese Divergenz besonders deutlich. So erreicht das Mühl- und Waldviertel mit 23 Punkten gerade einmal ein Drittel der Punktezahl der Randalpen. Etwas anders ist die Situation beim Indikator Veteranenbäume mit positiven Abweichungen vom bundesweiten Ergebnis in den Innen- und Zwischenalpen und – wenn auch im geringem Ausmaß – im Sommerwarmen Osten. Negative Abweichungen liegen für die Randalpen, das Nördliche Alpenvorland und besonders deutlich für das Mühl- und Waldviertel vor.
Besonders fällt der Sommerwarme Osten mit einer Zunahme um sieben Biodiversitätspunkte auf. Drei Indikatoren weisen dort die größte Verbesserung auf und bei keinem der Indikatoren eine Verschlechterung. Auch in den Randalpen ist eine vergleichsweise starke Zunahme der Werte bei diesen Indikatoren festzustellen. Die Innen- und Zwischenalpen liegen in der aktuellen Bewertung generell über dem bundesweiten Mittel, im Vergleich zur Vorperiode hat der Indikatorwert beim Totholz jedoch abgenommen.
Im Wald- und Mühlviertel nahm der Indikatorwert für Veteranenbäume ab, in allen anderen Naturräumen verbesserte er sich hingegen deutlich. Die geringsten Veränderungen zeigen sich beim Vorkommen von Neophyten, bei denen der Indikatorwert hauptsächlich im Alpenvorland abgenommen hat.
Deutliche, kleinregionale Unterschiede
Um die räumliche Verteilung der Biodiversitätspunkte genauer darstellen zu können, wurden die vier Indikatoren auch für die einzelnen Bezirksforstinspektionen (BFIs) berechnet. Die Ergebnisse für BFIs zeigen einen klaren räumlichen Trend der durchschnittlichen Indikatorwerte (Abbildung 4).
Abbildung 4: Die Biodiversität in den Bezirksforstinspektionen zeigt eine Abnahme von den alpinen Lagen zum Norden und Osten Österreichs.
Einerseits ist ein West-Ost-Gefälle gut erkennbar, andererseits eine Abnahme von den zentralalpinen Lagen über die Randalpen, zum Alpenvorland und außeralpinen Bereichen. Einen wesentlichen Anteil an diesem räumlichen Trend hat das Totholzvorkommen. Die Ursachen für die höhere Totholzausstattung in den Alpen sind zum einen die Art der Bewirtschaftung, und zum anderen auch die mit der Seehöhe abnehmende Zersetzungsgeschwindigkeit.
Besonders deutlich werden die räumlichen Unterschiede bei Betrachtung der einzelnen Indikatoren. Zum Beispiel weisen einzelne Bezirksforstinspektionen im Weinviertel sowie im Innviertel deutlich geringere Werte bei Neophyten auf als im übrigen Bundesgebiet (Abbildung 5). Mehr als 60 der insgesamt 71 Bezirksforstinspektionen erreichen über 80 Punkte.
Abbildung 5: Neophyten sind ein Problem vor allem im Osten.
Der Indikator Totholz weist besonders große Unterschiede zwischen den Bezirksforstinspektionen auf (Abbildung 6).
Abbildung 6: Totholz zeigt stark divergierende Biodiversitätspunkte.
So gibt es zum einen etliche BFIs mit weniger als 20 Punkten, zum anderen aber auch BFIs mit 90 Punkten und darüber und zwar jeweils sowohl im Westen als auch im Osten des Bundesgebiets. Insgesamt kann man feststellen, dass es keine Bezirksforstinspektion gibt, die bei allen vier untersuchten Indikatoren entweder nur hohe oder nur niedrige Biodiversitätswerte aufweist. Dies ist auch am Fehlen von Extremwerten in Abbildung 4 ersichtlich.
Schlusslicht Eichenwald
Interessant ist es auch, die verschiedenen Waldgesellschaften näher zu betrachten (Abbildung 7). Während der Lärchen-Zirbenwald, der Montane und der Subalpine Fichtenwald, der Bergahornwald und der Karbonat-Kiefernwald die höchsten Indikatorwerte erreichen, ist die biologische Vielfalt in den Eichenwäldern am geringsten.
Abbildung 7: Biodiversitätspunkte der 15 häufigsten Waldgesellschaften.
Hauptverantwortlich für das schlechte Abschneiden der Eichenwälder ist das im Vergleich zu anderen Waldgesellschaften unterdurchschnittliche Totholzvorkommen. Außerdem können in den Eichenwäldern größere Abweichungen von der natürlichen Baumartenzusammensetzung festgestellt werden. So finden sich zum Beispiel auf Eichenwald-Standorten häufig sekundäre Nadelwälder.
Österreichs Wald wird vielfältiger
Quantitative Angaben zur biologischen Vielfalt sind eine große Herausforderung für die Forschung, da der Begriff sehr allgemein definiert ist. Das Thema Biodiversität umfasst zudem eine Vielzahl von Aspekten, die zum Teil zahlenmäßig schwer erfassbar sind. Der Biodiversitätsindex für den Wald und die Daten der ÖWI liefern jedoch klar interpretierbare Ergebnisse für vergleichende Aussagen und die Darstellung der zeitlichen Entwicklung. Sie weisen insgesamt in eine positive Richtung.