"Die Schweiz kann ihr CO2-Ziel erreichen, jedoch nur unter Berücksichtigung von Kohlen­stoffsenken sowie des Kaufs von ausländischen Emissionszertifikaten." Damit unterstrich das Bundesamt für Umwelt (BAFU) im Jahr 2009, dass der CO2 bindende Wald für die Klimapolitik bedeutsam ist. Aber Wald und Holzverwendung können viel mehr zum Klimaschutz beitragen.

Die Bäume nehmen über die Fotosynthese das klimawirksame Gas Kohlendioxid (CO2) auf und wandeln es in Holz um. Deshalb spielt der Wald eine bedeutende Rolle im Klimaschutz. Im Rahmen der Kyoto-Verhandlungen hat jedes Land die Option, sich diese Fähigkeit der Ökosysteme anrechnen zu lassen. Davon macht auch die Schweiz Gebrauch: Der Bund darf die Speicherleistung des Waldes mit maximal 1,8 Mio. t CO2 pro Jahr zu den Einsparungen anrechnen lassen. Damit würden von den Sparaufgaben der Schweiz bereits 40% gratis und franko erledigt – sofern der Wald in etwa so weiterwächst wie bis anhin. Dem ist aber offenbar nicht so.

Entwicklung des Holzvorrats im Schweizer Wald

Das Landesforstinventar (LFI) liefert gute Grundlagen, um den Holzvorrat und die jährliche Kohlenstoffsenke in den Schweizer Wäldern zu beurteilen. Laut LFI1 und LFI2 nahm hierzulande der Holz­vorrat zwischen 1983 bis 1985 und 1993 bis 1995 um insgesamt 51,4 Mio. m3 be­ziehungsweise 11,6% zu. Das bedeutet, dass in diesem Zeitraum jedes Jahr 4,7 Mio. t CO2 zusätzlich ge­bunden wurden.

In jüngster Zeit flaute die Zunahme des Holzvorrats aber ab. Das LFI3 (2004–2006) weist aus, dass in der Periode 1993/1995 bis 2004/2006 die Holzvorräte im Wald nur mehr um 9,6 Mio. m3 Holz zunahmen. Dies ent­spricht einer jährlichen Bindung von nur noch rund 0,8 Mio. t CO2. Ursachen für diese deutlich geringeren Holzvor­räte sind insbesondere drei Entwicklun­gen:

  • Naturereignisse, die den Wald dezimier­ten (z. B. Sturm "Lothar" 1999);
  • verlangsamtes Wachstum der verbliebe­nen älteren Bestände;
  • gesteigerte Nutzung des Waldes.

Waldsenken sind also unter den der­zeitigen gesetzlichen Rahmenbedingun­gen keine verlässliche Bank. Weder das Waldgesetz noch das CO2-Gesetz regeln, wie der Wald klimapolitisch – geschweige denn klimawirksam – genutzt werden soll. Hält die zunehmende Holznutzung an, so wird der Bund seine CO2-Senken-Felle allmählich davonschwimmen sehen. Denn je mehr Holz genutzt wird, desto weniger Senken kann er sich schliesslich anrechnen lassen.

Diese Entwicklung ist zwar politisch unbequem, aber für das Klima gar nicht so ungünstig. Wie müsste denn der Wald genutzt werden, um optimal zum Schutz des Klimas beizutragen?

Nachhaltiger Klimaschutz durch Wald- und Holznutzung

Waldbewirtschaftung zum Besten des Klimas umfasst neben der Senkennut­zung auch die Holznutzung und ihre Optimierung, denn das Holz ist der Speicherplatz des Kohlenstoffs: Solange das Holz intakt bleibt, gelangt kein CO2 in die Atmosphäre zurück. Hinzu kommt, dass Holz nicht nur ein Kohlenstoff-Lager ist, sondern als Werkstoff auch andere Baumaterialien ersetzt. Diese benötigen in der Regel bei der Herstellung und der Entsorgung deutlich mehr Energie als Holzprodukte (z. B. Beton) oder sind auf der Basis von fossilen, nicht nach­wachsenden Rohstoffen hergestellt (z. B. Kunststoffe). Schliesslich kann Holz auch als Brennmaterial eingesetzt werden und damit fossile Energieträger ersetzen (z. B. Heizöl).

Holzprodukte als Kohlenstoff-Lager

Wird Holz geschlagen und verbaut, so hält es den über seine Lebensdauer angehäuften Kohlenstoff gebunden. In der Schweiz sind rund 110 Mio. m3 Holz in Gebäuden und Holzprodukten ver­baut. Dieser Holzvorrat entspricht rund 100 Mio. t CO2. Rund drei Viertel dieses Holzes sind zur Konstruktion und zum Ausbau von Gebäuden genutzt. Zum einen verlängert sich damit die Zeit, in der das CO2 gebunden bleibt. Wird zum Beispiel ein Baum mit einer natürlichen Lebensdauer von rund 150 Jahren nach 100 Jahren gefällt und weitere 100 Jahre als Dachbalken genutzt, verlängert sich die Verweildauer des gebundenen Koh­lenstoffs um 50 Jahre. Sobald der Baum geschlagen ist, wachsen ausserdem gleich junge Bäume nach, die weiteres CO2 binden und nach rund 100 Jahren wieder hiebreif sind (Abb. 3).

Aber natürlich kann das CO2-Lager in Holzprodukten und vor allem Gebäuden nicht beliebig ausgebaut werden. Denn wenn eines Tages alle Gebäude durch Holzkonstruktionen ersetzt wären, wür­den sich das frisch verbaute Holz und dasjenige aus abgerissenen Gebäuden die Waage halten.

Substitutionseffekte durch Holz­nutzung

Holz ist doppelt klimaschonend, wenn es anstelle von klimaschädlichen Materialien eingesetzt wird, respektive diese substituiert.

a) Holz anstelle anderer Werkstoffe:

Vergleicht man die Produkte und Konstruktionen aus Holz mit denen aus alternativen Materialen, stellt sich her­aus, dass Erstere in der Regel deutlich weniger CO2-Emissionen verursachen (Abb. 4). So führen Wandkonstruktio­nen sowie Bodenbeläge aus Holz nur zu rund einem Drittel der Emissionen vergleichbarer Werkstoffe. Die meisten Emissionen entstehen bei der Herstel­lung, aber auch die Entsorgung kann, zum Beispiel bei Backsteinaussenwänden, mehr als einen Viertel der Emissionen ausmachen.

Dass die Ver­rechnungsart der Emissionen mitunter zu kuriosen Auswüchsen führen könnte, zeigt folgendes Beispiel: In der Schweiz hergestelltes 3-Schicht-Parkett schneidet bezüglich CO2-Emissionen insgesamt deutlich besser ab als die verglichenen Keramikfliesen. Da die hohen Produktionsemissionen der Flie­sen aber im Ausland und die Produktionsemissionen des Parketts im Inland anfallen, würde die Schweiz hinsicht­lich ihrer Kyoto-Verpflichtungen also mit dem Import der Fliesen besser fah­ren. Dem Klima ist es aber letztendlich "egal", wo die Emissionen anfallen. Um solche unerwünschte Anreize zu verhindern, müssen bei den Klima-Ver­handlungen die Weichen entsprechend gestellt werden.

b) Holz anstelle fossiler Energieträ­ger:

In der Schweiz werden jährlich rund 3,6 Mio. m3 Holz zur Energiegewinnung verbrannt. Auch wenn das Verbrennen rund 920 kg CO2/m3 Holz freisetzt, gilt es als CO2-neutral. Denn die Verbrennung des Holzes setzt gerade so viel CO2 frei, wie der Baum im Laufe seines Wachstums der Atmosphäre entzogen hat und wie er auch als verrottendes Totholz im Wald wieder freisetzen würde.

Energieholz besteht aus den "Abfällen" der Holznutzung, zum Bei­spiel den Ästen, Zweigen und der Rinde, die direkt im Wald anfallen. Ausserdem werden Rest- und Altholz energetisch genutzt, die bei der Holz­verarbeitung und beim Abriss von Gebäuden anfallen. Ob dieses Holz im Wald oder auf einer Deponie verrottet oder energetisch genutzt wird, spielt für die Emissionen eine untergeord­nete Rolle. Ins Gewicht fällt in erster Linie, dass weniger fossile Brennstoffe eingesetzt werden, denn wird statt deren Holz verwendet, so reduzieren sich die Emissionen um rund 600 kg CO2/m3.

Wie gross sind nun die Substitu­tionseffekte?

Als Faustregel kann gelten, dass 1 m3 Holz rund 700 kg CO2-Emissionen ver­hindert, wenn er als Werkstoff eingesetzt wird. Bei der Verwendung des Holzes als Energieträger werden etwas weniger, nämlich rund 600 kg CO2-Emissionen eingespart. Indem man das Holz zuerst als Werkstoff einsetzt und das Altholz danach energetisch nutzt, kommt man also auf einen Substitutionseffekt von rund 1300 kg CO2/m3 Holz.

Tabelle 1 - Einsparung von CO2-Emissionen/m3 Holz (Quelle: Taverna et al., 2007)
Eingesparte CO2-Emissionen
pro m3 Holz (kg CO2/m3 Holz)
TotalSchweizAusland
Materialsubstitution-700-300-400
Energetische Substitution-600-500-100
Total-1300-800-500

Optimierung durch Mehrfachnutzung des Holzes

Der grösstmögliche Effekt auf das Klima wird dann erzielt, wenn alle drei Nut­zungsarten kombiniert werden: Senken­bewirtschaftung im Wald, Holz verbauen und Holz verfeuern. Idealerweise wird möglichst viel Holz eines frisch geschlagenen Baumes also zunächst zur Konstruktion von Gebäu­den und zur Herstellung von langlebigen Holzprodukten eingesetzt. Damit wird

  • das gebundene CO2 erst später freige­setzt,
  • andere, energieintensive Werkstoffe werden eingespart und
  • im Wald gibt es Platz für nachwach­sende junge Bäume.

Wird das Haus eines Tages abgerissen, so wird dieses Holz weiter zur Energiegewinnung eingesetzt, wo es fossile Brennstoffe ersetzt (Kaskadennutzung). Neben dem Altholz wird auch das Rest­holz, das bei der Verarbeitung des Holzes anfällt, konsequent zur Energiegewin­nung genutzt. Zusätzlich kann regional auch Kronenmaterial, das bei der Ernte anfällt, unter Berücksichtigung ökologi­scher Randbedingung stärker genutzt werden.

Zeitliche Abfolge der CO2-Effekte

Die optimale Kombination der Nut­zungsformen verlangt die Kenntnis der Effekte über lange Zeiträume. Wie spie­len die einzelnen Effekte im Laufe der Zeit zusammen und wie gross sind sie zu welchem Zeitpunkt? Mit Modellen lässt sich dies darstellen (Abb. 4). Geht man davon aus, dass die Wald- und Holz­wirtschaft im Sinne des Kyoto-Protokolls optimiert wird, würde in den nächsten Jahrzehnten zunächst die Zunahme der Holzvorräte im Wald den grössten Effekt haben. Der würde aber bereits nach wenigen Jahren geringer werden und nach rund 75 Jahren hätte sich der Wald sogar zu einer Quelle von CO2-Emissio­nen entwickelt.

Über einen Zeitraum von rund 20 Jah­ren würde auch der Ausbau des Holzlagers in den Gebäuden zu deutlichen CO2-Einsparungen führen, die dann aber langsam abnehmen. Die Substitutionseffekte sind zwar nicht so hoch wie die anfänglichen Vorratsänderungen in Wald und Gebäudepark. Aber schon nach rund 40 Jahren ist ihre Wirkung grösser als jene der Vorratsänderungen. Sie sind es auch, die über die Jahre kons­tant bleiben und nicht wieder abnehmen (Abb. 5).

Fazit

Im Sinne eines nachhaltigen Klima­schutzes ist die Nutzung des Holzes weit­aus sinnvoller als die möglichst starke Steigerung der Holzvorräte im Wald. Zum heutigen Zeitpunkt kann eine Erhöhung des Holzvorrats von bis zu 1,8 Mio. t CO2/Jahr bei den Kyoto-Verpflichtungen an­gerechnet werden. Dagegen wird die Klimawirksamkeit von Holzprodukten durch die Konservierung des Kohlenstoffs im Holz in den Kyoto-Verpflichtungen nicht berücksichtigt. Und auch die Substi­tutionsleistungen, die langfristig noch wirksamer sind, fallen nur indirekt – über eine verringerte Nutzung von fossilen Energieträgern – in die Waagschale.

Doch um mit Wald und Holz einen langfristigen Klimaschutz zu erreichen, muss die Politik die richtigen Rahmenbedingungen setzen. Sie sollte einerseits Anreize schaffen, Senkenwälder zu pfle­gen und zertifizierte Senken auf dem frei­willigen Markt verkaufen zu können. Andererseits muss aber auch die Kaska­den-Nutzung von Holz belohnt werden. Es darf jedenfalls nicht so weit kommen, dass Senkenwälder die Holznutzung kon­kurrenzieren.

Dass dem durchaus so sein könnte, zeigt eine Wertschöpfungs­rechnung für den Kanton Graubünden. Bei einem Preis von 100 USD pro t CO2, wie es das IPCC zur Stabilisierung der Klimaerwärmung auf einem Niveau von +2°C für nötig hält, wäre gemäss den Berechnungen die Pflege von Senkenwäldern bei entspre­chender Entlöhnung für den Waldbesit­zer lukrativer als die Nutzung des Holzes! Angesichts der nachweislich klimaschüt­zenden Wirkung der Holznutzung und der Bedeutung der Holzwirtschaft, auch in Randregionen, wäre das sicher die fal­sche Entwicklung.

 

(TR)