Das interdisziplinäre Konsortium des Pilotprojekts mit Vertretern aus Wissenschaft, Tourismus, Medizin und Forstwirtschaft führte zunächst eine detaillierte Bestands- und Potentialanalyse der fünf ausgewählten Pilotregionen (Bad Birnbach, Neureichenau, Braunau-Simbach, Tennengau, Traunsee-Almtal) durch.

Daraus entwickelte es Kooperations- und Geschäftsmodelle für eine nachhaltige gesundheitstouristische Nutzung lokaler Wald- und Naturräume sowie abschließend einen Leitfaden mit Strategien zur Etablierung von Gesundheitswäldern. Für die Erstellung des Leitfadens analysierte man auch aktuelle (Ausbildungs-) Angebote und den Ausbildungsbedarf für "waldbezogene Fachkräfte" wie Waldpädagogen, Waldtherapeuten oder Waldgesundheitstrainer, da diese eine wichtige Rolle als Vermittler und Bindeglied im Themenkomplex "Wald-Gesundheit-Tourismus " darstellen. Zudem wurde eine medizinische Studie zur synergistischen Wirkung von Wald und weiteren natürlichen Heilressourcen erstellt.

Einander verstehen – unterschiedliche Perspektiven auf den Wald

Wald ist ein "polyvalenter Raum" mit sehr breitem Funktionsspektrum: er liefert Rohstoffe, erbringt wichtige Ökosystemleistungen und dient als Kulisse für Erholung, Naturerleben und Freizeitaktivitäten. Darüber hinaus lässt ein zunehmender Bedeutungswandel des Waldes hin zu einem "Gesundheitsraum" vielerorts waldbasierte, gesundheitstouristische Aktivitäten und Angebote entstehen. Dazu zählen beispielsweise waldpädagogische Führungen, stressreduzierende, präventive Waldprogramme bis hin zu therapeutischen Waldaufenthalten. Diese neue Form der Waldnutzung führt zum einen dazu, dass neben Waldbesuchenden und Waldbesitzenden eine weitere im Wald aktive Personengruppe, die "Waldvermittelnden", an Bedeutung gewinnt. Zum anderen lockt sie neue Personengruppen mit teils sehr unterschiedlichen Motiven und Interessen in den Wald, von denen einige auch die Chancen und Möglichkeiten einer Inwertsetzung und Nutzung des Waldes im Kontext von Gesundheit erkennen und daran partizipieren (wollen).

Nicht selten ergeben sich aus diesem Aufeinandertreffen unterschiedlicher Interessen Differenzen und Konflikte. Hinzu kommt, dass das Angebot gesundheitstouristischer Aktivitäten Pflichten und Vorschriften für Waldbesuchende, aber auch für Waldbesitzende und Waldvermittelnde mit sich bringt. Hier sind Haftungsfragen, Verkehrssicherungspflicht und etwaige Auflagen zu berücksichtigen, die bei einer kommerziellen Waldnutzung bzw. beim Betreten des Waldes mit wirtschaftlichem Hintergrund (d.h. bei Angeboten über das freie Betretungsrecht hinaus) gelten. Die Umsetzung solcher Angebote erfordert daher bereits im Vorfeld die Benachrichtigung und Genehmigung der Waldbesitzenden und gegebenenfalls der Behörden sowie grundsätzlich eine rechtliche bzw. vertragliche Absicherung. Eine gesundheitstouristische Waldnutzung involviert somit eine große Bandbreite verschiedener Personengruppen und Stakeholder auf lokalem Raum.

Waldbesitzende als wesentliche Stakeholder

Im Rahmen des Projekts befragte man online 150 Privatwaldbesitzende aus Niederbayern und Oberösterreich. Dabei wurde insbesondere den Fragen nachgegangen, welche Bedeutung der eigene Wald für die Befragten hat, welche Ansichten sie zum freien Betretungsrecht des Waldes haben und inwieweit sie bereit wären, ihren Wald – gegebenenfalls unter Bedingungen – für eine gesundheitstouristische Nutzung zur Verfügung zu stellen.

Aus der Befragung ging hervor, dass die Mehrheit der Waldbesitzenden grundsätzlich bereit ist, ihren Wald für eine solche Nutzung zur Verfügung zu stellen: 70 % der Befragten antworteten auf diese Frage mit "Ja – unter bestimmten Voraussetzungen", 5 % mit "Ja – uneingeschränkt", 24 % mit "Nein" und 1 % hatte seinen Wald bereits zur Verfügung gestellt. Dass der überwiegende Teil der Befragten seinen Wald nur unter bestimmten Voraussetzungen einer gesundheitstouristischen Nutzung überlassen würde, liegt insbesondere an den intransparenten und schwer nachvollziehbaren Regelungen rund um das Betretungsrecht (u. a. Verkehrssicherungspflicht und Haftung) (Abbildung 2). Zudem fühlen sich die Waldbesitzenden oftmals übergangen und vor vollendete Tatsachen gestellt, wenn es um die Entwicklung waldbezogener Ideen, Angebote und Nutzungsformen geht.

Bei der Entwicklung und Umsetzung von gesundheitstouristischen Angeboten ist es daher von entscheidender Bedeutung, Waldbesitzende als wesentliche Stakeholder ernst zu nehmen, deren Meinungen in alle Überlegungen von Anfang an einzubeziehen und geplante Vorgänge und Aktivitäten transparent zu vermitteln. Grundsätzlich sind eine Kompensation oder ein "Mehrwert" für die Waldbesitzenden erforderlich, damit sie ihren Wald für Gesundheitstourismus bereitstellen. Dieser Mehrwert ist nicht zwingend finanzieller Art, er kann beispielsweise auch in Form von Unterstützungsleistungen, als Ausgleich etwaiger Schäden oder als Befreiung von Risiken und Mehraufwand erfolgen.

Anforderungen an Wald- und Naturvermittelnde

Ausgebildeten Wald- und Naturvermittelnden kommt bei der Begleitung der Gäste, die gesundheitstouristische Angebote im Wald wahrnehmen, eine zentrale Rolle zu. Sie geben ihr fachliches Wissen an Waldbesuchende weiter und erklären das Ökosystem Wald – die Qualität ihrer Ausbildung(en) trägt wesentlich dazu bei, Angebote und Übungen fachgerecht anzuleiten (Abbildung 3). Wichtiger Bestandteil ihrer Angebote ist darüber hinaus, Verständnis und Wertschätzung für Wald, Waldbesitzende und die nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder zu vermitteln. Die Wald- und Naturvermittelnden tauschen sich laufend mit Waldbesitzenden und Jägern aus, sie sind damit zentrale Bindeglieder und Schnittstellen im Kontext "Wald-Gesundheit-Tourismus", also zwischen Forstakteuren, lokalem Tourismus, Gesundheitsdienstleistern, Gemeinden sowie weiteren Wald- und Naturvermittelnden. Sie sollten somit die Bedürfnisse und Anliegen der jeweiligen Akteure kennen.

 

Interessen von Waldbesuchenden

Eine im Zuge des Projekts eigens durchgeführte Bevölkerungsbefragung in Deutschland und Österreich zeigt, dass es unterschiedliche Denk- und Verhaltensmuster in Bezug auf den Wald gibt. Diese lassen sich zu verschiedenen Gruppen zusammenfassen: zum einen die Gruppe, die nach "Inszenierung" sucht, also einen Wald vorfinden möchte, der entlang fixer Wege gewisse Attraktions- und Ruhepunkte ebenso wie entsprechende Infrastruktur bietet (z. B. Walderlebniswege für Familien). Diese Gruppe schätzt den Wald zwar, sucht diesen aber nur gelegentlich und eher "passiv" auf. Zum anderen lässt sich eine Gruppe von "Gesundheitsindividualisten" identifizieren, die sich allein durch den Wald bewegen möchte und persönliches Wohlbefinden aus der Ruhe, dem Waldklima und der Bewegung im naturbelassenen Wald zieht. Diese Personen tauchen dabei in die Waldatmosphäre ein, sie möchten sich inspirieren lassen, aber ohne Begleitung von Waldvermittelnden oder Teilnahme an einem entsprechenden Angebot.

Für die Gruppe der "Spontanausflügler" sind kurze, aber regelmäßige Auszeiten aus dem Alltag wichtig. Sie suchen insbesondere schnell erreichbare Einkehrmöglichkeiten auf (Biergärten, Cafés), die an oder in einem Waldstück liegen – Wald ist hier also nur landschaftliche Ergänzung bzw. positives "Feature", nicht das primäre Motiv.

Gerade im Zusammenspiel von Wald und Gesundheit und somit auch für eine gesundheitstouristische Angebotsentwicklung interessant ist, dass die Befragten dem Wald grundsätzlich positive gesundheitliche Effekte zusprechen: Sie stimmen nahezu allen Aussagen, die mögliche gesundheitliche Effekte des Waldes betreffen, teils überaus deutlich zu. Trotzdem sind die Befragten eher zurückhaltend, wenn es um die Inanspruchnahme konkreter Angebote geht.

Immerhin 45 % könnten sich zumindest vorstellen, den Wald auch in professioneller Begleitung zu erleben. Jeder Vierte wäre darüber hinaus bereit, für gesundheitstouristische Angebote wie begleitete Waldgesundheitskurse oder Entspannungsübungen auch zu bezahlen.

Produktentwicklung im Kontext "Wald und Gesundheit"

Einer gesundheitstouristischen Waldnutzung liegen im Wesentlichen vier Ansätze zugrunde:

  • Pädagogik und Bildung
  • Gesundheitsförderung und Prävention
  • Therapie und Rehabilitation
  • Naturnaher Tourismus, Freizeit und Sport

Basis der Entwicklung von Angeboten bzw. Produkten im Kontext von "Wald und Gesundheit" sind dabei jeweils Kombinationen aus Aktivität und Bewegung im Wald sowie passende Ergänzungen aus einem der oben genannten Ansätze, zum Beispiel pädagogische Waldführungen, angeleitete Waldspaziergänge mit Entspannungs- oder Achtsamkeitsübungen oder therapeutische Waldaufenthalte. Die Kombinationen richten sich dabei nach der angestrebten Zielgruppe sowie nach den Rahmenbedingungen und Strukturen des jeweiligen Wald- und Naturorts (Lage und Landschaft, touristische Ausrichtung, lokale Stakeholder etc.). Eine Checkliste, die im Rahmen des Projekts erstellt wurde, unterstützt Anbieter bei der Entwicklung gesundheitstouristischer Produkte (Abbildung 4). Für den Erfolg dieser Angebote ist in erster Linie deren Marktfähigkeit entscheidend – hier gilt es zu hinterfragen: kann das Angebot so attraktiv in Wert gesetzt werden, dass es einerseits nachgefragt wird und andererseits entsprechenden Mehrwert und Wertschöpfung sicherstellt?

Die medizinische Evidenz, d. h. die nachgewiesene Wirksamkeit eines gesundheitstouristischen Angebots (z. B. durch eine medizinische Studie), kann diese Marktfähigkeit stützen und ein Alleinstellungsmerkmal begründen – garantiert allein aber nicht den Erfolg des Angebots. Weiterer Erfolgsfaktor eines gesundheitstouristischen Produkts ist dessen Nachhaltigkeit, die sich in eine soziale, eine ökonomische sowie eine ökologische Dimension gliedert. Die Entwicklung und Umsetzung eines waldbezogenen und gesundheitsfördernden Angebots kann alle drei Nachhaltigkeitsdimensionen aufgreifen: ist das Angebot für alle zugänglich, erfüllt es die soziale Dimension, stellt es langfristig eine Wertschöpfung für den Anbieter sicher, wird der ökonomischen Dimension Rechnung getragen und gelingt es, ein Bewusstsein für den Wert der natürlichen Ressourcen zu schaffen, beinhaltet es auch die ökologische Dimension. Dieses Bewusstsein wiederum trägt dazu bei, dass Wald und Natur besser geschützt werden und für künftige Nutzungen erhalten bleiben.

Fazit

Ein gesundheitsförderndes Angebot im Wald im Sinne der aufgezeigten Kombination aus Bewegung und Aktivität sowie gezielten Ergänzungen kann grundsätzlich in allen geeigneten Waldräumen funktionieren, wenn es an die jeweils spezifischen Gegebenheiten und Voraussetzungen angepasst wird. Entscheidend ist von Beginn an die Identifizierung und Einbindung aller relevanten Stakeholder (insbesondere der Waldbesitzenden) sowie deren Bereitschaft, die Durchführung von Angeboten langfristig mitzutragen. Nur so kann gemeinsam eine tragfähige Wertschöpfung erreicht werden, die einen Mehrwert für Anbieter- und Nachfrageseite sichert. Dieser Mehrwert lässt sich auch durch "immaterielle Benefits" begründen – dies kann für die Waldbesuchenden zum Beispiel die naturbasierte gesundheitsfördernde Erholung sein, für Waldbesitzende Wertschätzung oder die Möglichkeit für Kooperationen. Lokale Waldvermittelnde nehmen hier eine zentrale Rolle als Bindeglied und Schnittstelle zwischen den Stakeholdern ein.

Die Gesellschaft nimmt den Wald nicht mehr nur als Kulisse für Freizeitaktivitäten wahr, sondern schätzt ihn – auch wegen des wachsenden Gesundheitsbewusstseins – zunehmend als natürlichen Gesundheitsraum. Kürzere, dafür aber häufigere individuelle (Natur-)Urlaube in Verbindung mit Themen wie Resilienz liegen im Trend. Die Wissenschaft greift diese Strömungen auf und beschäftigt sich insbesondere mit dem Zusammenhang zwischen (gesundheitsorientierter) Waldnutzung und Gesundheit sowie den damit verbundenen nachhaltigen Wirkmechanismen.

Zusammenfassung

Gesundheitsfördernde Angebote im Wald können grundsätzlich in allen geeigneten Waldräumen funktionieren. Entsprechende Angebote müssen den jeweils spezifischen Gegebenheiten und Voraussetzungen angepasst sowie attraktiv in Wert gesetzt werden. Denn in erster Linie sind die Marktfähigkeit des Angebots und dessen Nachfrage wesentlich – die medizinische Evidenz, d. h. die nachgewiesene Wirksamkeit eines solchen Angebots – kann hier förderlich sein und ein Alleinstellungsmerkmal begründen. Entscheidend ist von Beginn an aber die Identifizierung und Einbindung aller relevanten Stakeholder (insbesondere der Waldbesitzenden) sowie deren langfristiger Rückhalt für die gesundheitstouristischen Aktivitäten.

Das Projekt "Netzwerk Gesundheitstourismus Wald" (AB291) wurde vom "INTERREG V-A Programm Österreich-Bayern 2014-2020" finanziert (Laufzeit: 01.01.2020-30.06.2022) und unter dem LEAD der Technischen Hochschule Deggendorf durchgeführt.