Bei der Weißtanne denken die meisten an niederschlagsreiche Bergmischwälder, in denen diese Baumart in inniger Mischung mit Fichte und Buche vorkommt. Schon in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde allerdings die Frage nach der Trockentanne im mittelfränkischen Keupergebiet gestellt. Dort existieren zahlreiche Tannenvorkommen von bewundernswerter Vitalität, die so gar nicht den herkömmlichen Vorstellungen von der Tannenverbreitung zu entsprechen scheinen.
Angesichts des Klimawandels mit einer prognostizierten Zunahme warm-trockener Klimatypen lebt die Diskussion um die Trockentanne erneut auf. Als einheimische Baumart, der eine große Trockenresistenz unterstellt wird, wird sie daher als mögliche Alternative zur anfälligeren Fichte gesehen. Bevor man jedoch in eine allgemeine Tannen-Euphorie verfällt, sollte man unbedingt die standörtlichen Eigenheiten der Tannenvorkommen im Wuchsgebiet 5 Fränkischer Keuper und Albvorland genauer betrachten. Auch für die Tanne gilt, dass sich ihr Anbau streng an den Möglichkeiten und Grenzen der Standorte orientieren sollte. Damit mutet man dieser Baumart nicht mehr zu, als sie tatsächlich zu leisten vermag und vermeidet ökonomische und ökologische Misserfolge.
Trockengebiet Fränkischer Keuper?
Beurteilt nach den Werten des Trockenheitsindex nach Prentice, bei dem die tatsächliche (aktuelle) der möglichen (potentielle) Verdunstung gegenübergestellt wird, zählt das Wuchsgebiet 5 "Fränkischer Keuper und Albvorland" zu den trockensten Regionen Bayerns (Abb. 1). Die Verhältnisse sind jedoch nicht einheitlich. Trockene Beckenregionen werden von weniger trockenen Randbereichen gesäumt. Ganz trockene Bereiche, in denen der Index unter 0,65 fällt, sind im Vergleich zur benachbarten Fränkischen Platte auf einen engen zentralen Raum beschränkt.
Um herauszufinden, ob die Tanne in diesem Wuchsgebiet bestimmte Klimabereiche bevorzugt, verglichen wir die Verteilung des Trockenheitsindex auf der gesamten Waldfläche von 322.000 ha mit der Verteilung auf der so genannten "Tannenfläche" im Staatswald. Die Tannenfläche ergibt sich als Produkt aus dem Tannenanteil und der Bestandsfläche aller Bestände, in denen Tannen haupt- und nebenständig vorkommen. Würde man alle Tannen des Wuchsgebiets in einem Reinbestand zusammenpferchen, so hätte dieser die Größe von 364 ha. Über die geografische Lage der Bestände mit Tannenbeteiligung können wir diesen die entsprechenden Trockenheitswerte zuordnen.
Im Vergleich zwischen der Verteilung des Trockenheitsindex auf der Waldfläche und der heutigen Verteilung auf der Tannenfläche (Abb. 2) zeigt sich eine eindeutige Bevorzugung der weniger trockenen Regionen. Auf der gesamten Waldfläche herrschen die trockenen Bereiche (Index 0,65-0,7) auf 60 % der Fläche gegenüber den weniger trockenen Bereichen (Index 0,7-0,75) vor. Bezogen auf die Tannenfläche kehrt sich dieses Verhältnis genau um. 60 % der Vorkommen stocken in den weniger trockenen Teilen des Wuchsgebiets. Im Fränkischen Keuper bevorzugt die Tanne somit die weniger trockenen Randlagen, das zentrale Becken mit den eigentlichen Trockengebieten meidet sie hingegen.
Tanne auf Sand?
Die meisten von uns assoziieren mit dem Fränkischen Keuper vor allem Böden aus Sand und Sandstein. Dieses unbestimmte Gefühl lässt sich anhand einer Auswertung der geologischen Karte belegen. Allerdings kommen tonreiche Substrate ebenfalls häufig vor. 41% der Waldfläche des Wuchsgebiets liegt auf den sandigen Substraten des Burgsandsteins, des Rhät-Lias und des Flugsandes. Die tonreichen Substrate der Lehrbergschichten, des Feuerletten und des Blasensandsteins umfassen zusammen 33 % (Abb. 1 und Abb. 3). Vergleichen wir damit die Flächenanteile unter Tanne, so zeigt sich eine auffällige Abweichung. Die tonigen Substrate überwiegen mit 54 % eindeutig gegenüber den sandigen (25 %). Eine zusätzliche Auswertung der Bodendaten der Standortskartierung bestätigt dieses Ergebnis. Tannenvorkommen auf Sandstandorten (Substratziffer 0) sind deutlich unterrepräsentiert (7 % gegenüber 23 %), solche auf Schichtsandstandorten (dünne Sandschicht über Ton, Substratziffer 7) sind überproportional vertreten (37 % gegenüber 19 %). Hinsichtlich des Wasserhaushalts zeigen die gegenwärtigen Tannenvorkommen eine Vorliebe für frische und sehr frische Böden, mäßig trockene und mäßig frische Böden sind deutlich weniger vertreten. Die besonders wüchsigen und vitalen Tannenbestände finden wir in der Tat auf den schweren, aber im Unterboden nährstoffreichen Schichtsanden (Abb. 4). Hier kann die Tanne der Konkurrenz der Rotbuche standhalten, hier kann sie mit ihrer hohen Wurzelenergie den dichten Unterböden die dort verfügbaren Wasser- und Nährstoffreserven entnehmen.
Alte Hüte?
Die einfache Gleichung "Keuper = Tanne" geht nach den Ergebnissen unserer Analyse der gegenwärtigen Tannenvorkommen im Wuchsgebiet 5 also nicht auf. Im Gegenteil: die Tanne scheint hinsichtlich Klima und Substrat anspruchsvoller zu sein als gemeinhin angenommen wird. Ein nicht allzu trockenes Klima trifft zusammen mit tonreichen Böden, deren Wasserspeicher im Unterboden die Trockenperioden überbrücken hilft. Mit den modernen Methoden der Verschneidung von Geodaten mit Hilfe eines geografischen Informationssystems (GIS) sind Analysen der standörtlichen Verbreitung von Baumarten erstmals in größerem Stil möglich. Für die fränkische Trockentanne kam Holzapfl bereits 1960 mit einfacheren Methoden zu einem sehr ähnlichen Ergebnis (Die natürliche und künstliche Verbreitung der Weißtanne im mittelfränkischen Keupergebiet, Forstwiss. Centralbl. 79, S. 298-352). Auch er betont, dass die Tanne in den Beckenlagen fehlt und tonreiche Substrate bevorzugt.
Standortgerecht und naturnah
Beide Quellen, die GIS-Auswertung und die Literaturrecherche, legen nahe, beim Anbau der Tanne diszipliniert vorzugehen und ihr die bevorzugten Standorte zu überlassen. Dieses sind die mäßig klimatrockenen Teile des Wuchsgebietes sowie die tonreichen Substrate. Vor allem an Nordhängen mit ihrem reduzierten Verdunstungsanspruch kann man auf Schichtsanden von der Tanne einiges erwarten, hier ist sie die ideale Mischbaumart zur Buche. Bereits vorhandene vitale und standortsgerechte Tannenvorkommen sind ein idealer Ausgangspunkt für eine verstärkte Beteiligung der Tanne am Waldaufbau. Hier sind die Erfolgschancen besonders hoch und nur hier eröffnet sich auch die Möglichkeit der Naturverjüngung. Standortgerecht und naturnah verwendet kann die Tanne im Fränkischen Keuper als echte Alternative zur Fichte gelten.
Angesichts des bevorstehenden Klimawandels wäre es unsinnig, den Tannenanbau weit in die schon gegenwärtig trockeneren Teile des Standortspektrums auszudehnen. Die unter derzeitigen Klimabedingungen suboptimalen Tannenstandorte mit nicht ausreichender Wasserversorgung werden unter den Vorzeichen trockenerer Klimaverhältnisse überhaupt nicht mehr tannentauglich sein. Je optimaler der Standort für die Tanne heute, desto besser ist diese "Vielkönnerin" für die Anforderungen von morgen gerüstet.