Seit der deutlichen Reduktion der hohen Schwefeldioxidbelastungen der Luft erholt sich die Weißtanne zunehmend und bietet sich gerade im Zeichen des Klimawandels auf einem Großteil der Waldstandorte als eine Baumart mit Zukunft an. Sie erschließt im Gegensatz zur Fichte mit ihrem tiefreichenden Wurzelsystem auch schwere Böden, ist weniger trockenheitsanfällig und widersteht Stürmen deutlich besser. Bei begrenztem Anbaurisiko werden hohe Erträge auf geeigneten Standorten möglich sein.
Standort und Herkunft
Die Weißtanne ist eine Baumart der Alpen und der höheren Mittelgebirge. Vor allem auf kalten, nassen oder tonigen Böden ist sie anderen heimischen Baumarten überlegen. Die Weißtanne ist an die in Bayern herrschenden Klimaverhältnisse sehr gut angepasst. Die klimatischen Ansprüche der Tanne stimmen mit dem gegenwärtigen Klima in Bayern gut überein (Abbildung 2). Fast überall in den Waldgebieten herrschen Kombinationen aus Temperatur und Niederschlag, wie sie auch im natürlichen Verbreitungsgebiet der Tanne vorkommen. Auf Grund der Klimaerwärmung wird sich die Tanne zwar in einigen Waldregionen nicht mehr wohlfühlen, aber weite Teile Bayerns werden auch in Zukunft gute Klimabedingungen für sie aufweisen. Hierzu gehören Nordost- und Südbayern, die von Natur aus zu den Tannengebieten zählen. Lediglich in Teilen Unter- und Mittelfrankens wird die Tanne zunehmend in Bedrängnis geraten.
Heute finden wir die Tanne insbesondere noch in den Alpen und im Bayerischen Wald. Aus den übrigen ostbayerischen Mittelgebirgen – Fichtelgebirge, Frankenwald und Oberpfälzer Wald – ist sie leider fast völlig verschwunden. Sowohl dort als auch in den Gebieten mit intaktem Bergmischwald könnten die Schwerpunkte des künftigen Tannenanbaus liegen.
Die Tannenherkünfte unterscheiden sich im Vergleich zu anderen Baumarten in ihrer genetischen Ausstattung und damit ihrer speziellen Anpassungsfähigkeit an lokale Umweltbedingungen teils erheblich voneinander. Beispielsweise kommen Tannen mit spezifischen Erbmerkmalen nur in bestimmten Regionen, teilweise sogar getrennt nach sonn- und schattseitiger Hanglage, vor. Die Häufigkeit ihres Auftretens kann nach geographischer Lage stark schwanken. Tannenvorkommen aus dem Alpenraum weisen eine deutlich stärkere Vielfalt in ihrem Erbgut auf als solche aus Nordostbayern. Für den erfolgreichen Anbau der Weißtanne müssen die Unterschiede bei den Tannenherkünften unbedingt beachtet werden. Leider führte der starke Rückgang dieser Baumart in vielen Regionen Bayerns zu einem Schwund des ursprünglich wesentlich reichhaltigeren Genmaterials.
Um die genetische Vielfalt solcher Vorkommen wieder zu erhöhen, müssen zusätzlich zur natürlichen Verjüngung Tannen gepflanzt werden. Bei der künstlichen Einbringung ist regional geeignetes Vermehrungsgut mit hoher genetischer Vielfalt zu verwenden. Die vom Amt für Saat- und Pflanzenzucht in Teisendorf erarbeiteten Herkunftsempfehlungen tragen diesen Gesichtspunkten Rechnung und sind für die staatliche finanzielle Förderung relevant. In Ostbayern ist die genetische Ausstattung der heimischen Tanne stark verarmt. Deshalb werden für dieses Gebiet zum Beispiel auch Tannenherkünfte aus der Slowakei empfohlen. Sie haben sich in bayerischen Anbauversuchen neben Herkünften aus Rumänien sehr gut bewährt.
Unter naturschutzfachlichen Aspekten betrachtet stellt die Tanne standortsökologisch die deutlich bessere Alternative als die Fichte dar.
Die Tanne ist im Gegensatz zur Fichte auch in tiefer gelegenen Regionen heimisch. Sie erschließt im Vergleich zur Fichte einen enormen Wurzelraum mit seinen Wasser- und Nährstoffvorräten, ist deshalb weniger trockenheitsanfällig und belebt die Nährstoffkreisläufe in Waldökosystemen. Außerdem eignet sie sich wegen ihrer Schattentoleranz als ideale Mischbaumart zur Buche.
Waldbauliche Ziele und Konzepte
Das Produktionsziel der Tanne ist hochwertige Blochware – geastete, circa sechs Meter lange Stammteile aus dem unteren Stammabschnitt. Ihr Brusthöhendurchmesser soll bei 60 bis 80 Zentimetern liegen und das Holz eine gleichmäßige Jahrringstruktur aufweisen. Dies lässt sich am besten in einem stufig aufgebauten Mischwald aus Buche, Fichte und Tanne unterschiedlicher Höhe, Stammdurchmesser und Altersklassen erreichen. Die Tanne verträgt Schatten sehr gut und ist in der Lage, bis ins hohe Alter (130 Jahre und darüber) deutlich an Masse zuzulegen.
Sofern keine Tannen-Naturverjüngung ausgenutzt werden kann, ist die Tanne truppweise auf einer Fläche mit 15 bis 20 Metern Durchmesser der Fichte oder Buche beizumischen. Der meist unregelmäßige Pflanzverband (circa 2 x 2 Meter) wird dabei dem Kleinstandort angepasst. Gut zu verwenden sind fünfjährige, 20 bis 40 Zentimeter große Baumschulpflanzen bzw. vier- bis sechsjährige mit Ballen gestochene Wildlinge gleicher Größe. Die Tanne eignet sich hervorragend für den Voranbau und soll im Schutz des Altbestandes mehrere Jahre vor der Hauptbaumart gepflanzt werden, um ihr einen Wuchsvorsprung zu sichern. Sie kann auch unter vorgewachsenen Pionierbaumarten wie Birke, Aspe oder Roterle, jedoch nicht auf reinen Kahlflächen, eingebracht werden. Pflanzgeräte wie Rhodener Pflanzhaue oder Hohlspaten sowie frisches Pflanzgut aus geeigneten Herkünften gewährleisten den Anwuchserfolg.
Bis zum Erreichen der Dickungsphase soll die Tanne den Wuchsvorsprung vor Fichte und Buche halten. Ab einer Bestandesmittelhöhe von 12 Metern werden wüchsige, hochwertige Zukunftsstämme im Abstand von zehn Metern ausgewählt und konsequent von bedrängenden Bäumen befreit. Ab einer mittleren Höhe von 16 Metern wird mit der Astung auf sechs Meter in zwei Stufen begonnen.
Waldschutz
Primärschädlinge an Tanne erlangen selten wirtschaftliche Bedeutung. Die Baumart reagierte in den 1980er Jahren empfindlich auf Umwelteinflüsse. Auftretende Vitalitätsprobleme sollten zuerst auf die richtige Standortswahl oder auf Effekte der waldbaulichen Behandlung hin geprüft werden. Die Tanne ist winterfrosthart, Spätfröste im Frühjahr gefährden sie aber mehr als die meisten anderen heimischen Baumarten. Bei den Orkanen Vivian und Wiebke im Jahr 1990 fielen 3,3 Prozent des Holzvorrats der Fichte und nur 0,7 Prozent der Tanne als Sturmholz an.
Wild bevorzugt Tannennadeln auf Grund ihres Nährstoffreichtums und ihrer leichteren Verdaulichkeit. Auf dem Weg zu angepassten Wildbeständen können Zäunung bzw. Einzelschutz eine Zwischenlösung darstellen.
Der Krummzähnige Tannenborkenkäfer befällt Anfang April mittlere und obere Stammbereiche geschwächter und absterbender Tannen. Bei anhaltendem Trockenstress der Bäume kann er primär werden und auch gesunde Tannen befallen. In den dünnrindigen Stammbereichen und Ästen brütet meist gleichzeitig der Kleine Tannenborkenkäfer. Er neigt bei günstigen Witterungsbedingungen und ausreichender Vorschädigung der Tanne zur Massenvermehrung. Borkenkäfer an Tanne spielen im Vergleich zur Fichte und ihren Borkenkäferproblemen eine untergeordnete Rolle.
Nach milden Wintern fallen Schäden durch die Tannentrieblaus (Dreyfusia nordmannianae Eckst.) auf. Betroffen sind vor allem Jungpflanzen ohne ausreichende Beschattung wie Voranbauten und Naturverjüngungen nach Verlust des schützenden Altholzschirms. Die Saugaktivität der Läuse an den diesjährigen Trieben und Nadeln, insbesondere auch an den Terminaltrieben, führt zu auffälligen Nadelverkrümmungen bis hin zum Absterben des gesamten Triebes. Bei mehrjährigem starkem Befall kann es zu einem partiellen Absterben der Pflanze von oben herab und letztlich auch zum Ausfall der befallenen Pflanze kommen.
Pilze können für junge Tannen in feuchten Muldenlagen oder zu dichten Kulturen Probleme schaffen. Der Hallimasch vermag Tannen jeden Alters zu befallen, worauf sie schnell absterben.
Die Weißtanne ist gegen Schwefeldioxid (SO2) weitaus empfindlicher als jede andere heimische Waldbaumart. Zwischen 1960 und 1990 wurden sehr große Mengen dieses Schadgases freigesetzt. Deshalb starben viele Tannen ab. Die langjährige SO2-Belastung löste bei ihr ein ganzes Bündel von Erkrankungen aus. Ihre Wider- standskraft gegen scharfe Winterfröste nahm stark ab. Als Folge der Schwächung verursachten Pilze Wurzelfäulen. Der Verlust großer Teile des Wurzelsystems ließ die Tannen empfindlich gegen Trockenperioden werden. Nachdem im Lauf der 1980er Jahre die Entschwefelung der Großfeuerungsanlagen wirksam geworden war, erholten sich die meisten Tannen. Ihre Benadelung nahm wieder zu, ihre Jahrringbreiten stiegen deutlich an. Die vom SO2 ausgehende Schädigung der Tanne veränderte ihre Eigenschaften. Das brachte ihr den Ruf ein, eine "Mimose" zu sein. Nun kehrt die Tanne offenbar wieder zurück zur alten Widerstandskraft, für die sie im 19. Jahrhundert bekannt war. Nach Jahren der Erholung setzte die Dürre von 2003 der Tanne nur wenig zu.
Wirtschaftlichkeit und Vermarktung
In der Verwendung ist das Holz der Weißtanne dem der Fichte ähnlich. Ein wichtiger Unterschied zum Fichtenholz ist das Fehlen von Harzkanälen und Harzgallen. Das fast weiße Holz ist stumpf und glanzlos. Es ist auch spröder und damit anders zu bearbeiten als Fichtenholz. Tanne hat häufig einen Nasskern, deshalb braucht das Holz länger zum Trocknen. Daher bereiten Mischsortimente aus Tanne und Fichte hinsichtlich der Verwendung häufig Probleme. Es empfiehlt sich, Tanne in einem separaten Los zu verkaufen.
Im Wasserbau ist Tannenholz dem der Fichte deutlich überlegen, da es unter Wasser recht dauerhaft ist. Auch im Erdreich ist das Holz bei vollständiger Bedeckung sehr haltbar. Da sich Tannenholz gut spalten lässt, zählt die Herstellung von Holzschindeln zu den klassischen Verwendungsarten. Auch als Bau- und Konstruktionsholz eignet sich die Tanne gut. Sie ist tragfähig und weist eine gute Biege- und Druckfestigkeit auf. Tannenholz lässt sich außerdem gut verleimen und imprägnieren. Hochwertiges Tannenholz ohne Schwarzäste ist im Innenausbau für Vertäfelungen, Fußböden, Fenster und Türen sehr gefragt. Wegen ihres guten Stehvermögens wird es auch im Instrumentenbau verwendet.
Die Erlöse für Tannen-Stammholz sind etwas niedriger als die für Fichte. Holzverkäufer aus der Forstwirtschaft nennen für Tanne einen Abschlag von zehn Prozent auf den Fichtenpreis. Ein Vergleich der Stammholzerlöse von Tanne und Fichte im Staatswald Baden-Württembergs und Bayerns bestätigt, dass die Erlöse für Tanne je nach Stärke- und Güteklasse zwischen fünf und 15 Prozent unter dem der Fichte liegen. Bei der Tanne kann aber der Waldbesitzer meist selbst entscheiden, wann er die Bäume erntet und das Holz verkauft. Bei der Fichte bestimmt häufiger der Sturm den Holzverkauf mit der Folge ungünstiger Preise. Nach den Orkanen 1990 lagen die Erlöse bei der Fichte im Durchschnitt der folgenden drei Jahre um 47 Prozent unter denen der Jahre davor. Nach dem Orkan Lothar Ende 1999 brach der Fichtenpreis in Bayern um 24 Prozent ein. Die übliche Preisdifferenz der Tanne gegenüber dem Fichtenpreis lässt sich leicht ausgleichen, wenn die Tanne in Jahren hoher Preise genutzt wird.