Maßgebliche Ursachen für den drastischen Rückgang natürlicher Vorkommen der Schwarzpappel (Populus nigra) in unserer Kulturlandschaft sind in erster Linie die großflächige Zerstörung von Auwäldern, Entwicklungsstörungen und Krankheiten sowie der Anbau von Hybridpappeln. Seit einigen Jahren sind insbesondere die forstlichen Forschungsanstalten bemüht, dieser Entwicklung entgegenzusteuern. Die wichtigsten dabei verfolgten Strategien sind neben der Erfassung und Sicherung von Restvorkommen die Vermehrung und Anzucht ex situ (= außerhalb des eigentlichen Lebensraumes der Art; Anm. d. Redaktion) sowie Kultivierungsmaßnahmen auf geeigneten Standorten.

In Deutschland sind die Auwälder in der Roten Liste der gefährdeten Biotoptypen mit dem Attribut "Von vollständiger Vernichtung bedroht" versehen. Die in den Niederungen ungezähmter Fließgewässer natürlich verbreitete Schwarzpappel ist als Charakterart der Weichholzaue von dieser Entwicklung besonders betroffen. Hilfe für den Baum des Jahres 2006 ist daher vordringlich. Konkrete Maßnahmen zur Erhaltung noch vorhandener Vorkommen der Schwarzpappel sowie zur Wiederbegründung von Beständen setzen voraus, dass die Ursachen der Verdrängung erkannt sind und bei realistischer Betrachtungsweise Erfolgsaussichten, in welchem Maße auch immer, bestehen.

Zerstörung von Auwäldern

Die Schwarzpappel ist an dynamische Flussstandorte mit ständigen Erosions- und Umlagerungsprozessen hervorragend angepasst. Auf den nach jedem Hochwasser umgestalteten und weitgehend vegetationsfreien Kiesen und Sanden findet sie als Licht- und Rohbodenkeimer beste Aufwuchsmöglichkeiten. Schnelle und weiträumige Besiedlung bestimmt das Konkurrenzverhalten des lichtbedürftigen Pionierbaumes.

Die nur wenige Tage währende Keimfähigkeit der Samen und das anfangs schwache Wachstum der witterungsempfindlichen Keimlinge können den Verjüngungserfolg beträchtlich mindern. Nach dieser ersten Entwicklungsphase vermag die Schwarzpappel jedoch sehr unterschiedliche Ereignisse wie Austrocknung, Überflutung, Sedimentation, Erosion und Eisgang zu tolerieren. Mit Hilfe sprossbürtiger Wurzeln ist sie imstande, Aufschüttungen zu erschließen.

Schwerwiegende anthropogene Eingriffe vernichteten die natürlichen Standorte der Schwarzpappel weitgehend. Dazu zählen vor allem

  • wasserbauliche Maßnahmen (Flussbegradigungen, Staudämme, Bewässerungsanlagen) mit nachteiligen Folgen hinsichtlich Überflutungsdynamik und Verfügbarkeit von Grundwasser;
  • Rodung für Siedlungs- und landwirtschaftliche Zwecke;
  • Kiesabbau und andere Formen der Industrialisierung;
  • starke Beweidung von Ufersäumen.

Entwicklungsstörungen und Krankheiten

Beeinträchtigungen des Habitats der Schwarzpappel führen zu einer physiologisch bedingten Schwächung und zu einem verstärkten Auftreten pathogener Schadorganismen. Dies ist insbesondere nach vorangegangener Flussregulierung und Grundwasserabsenkung zu beobachten.

Die bei Feuchtigkeitsverlusten und Frostschäden verminderte Abwehrbereitschaft des Rindengewebes begünstigt beispielsweise die Rindenbrand-Erkrankung (Erreger: Cryptodiaporthe populea). Bäume aller Altersstufen können befallen werden und absterben. Nicht minder gefährlich ist die der Symptomatik des Rindenbrandes zugeordnete Krankheit desBraunfleckengrinds, die ebenfalls Rindennekrosen hervorruft und zum Absterben führen kann.

Zudem sind Bäume mit herabgesetzter Vitalität auf feuchtigkeitslabilen Standorten von zahlreichen Schadinsekten bedroht. Häufig kommt es häufig zu Massenvermehrungen von Schwächeparasiten. Zu den verbreitet auftretenden Schaderregern zählen unter anderem Blattkäfer (Melasoma-, Phyllodecta-Arten) und Bockkäfer (Saperda spec.).

Großflächiger Anbau von Hybridpappeln

Der in erheblichem Umfang betriebeneAnbau leistungsstarker Wirtschaftspappelsorten hat beträchtlich zur Verdrängung der Schwarzpappel beigetragen. In dem Bestreben, das vorhandene Standortspotenzial zur Erwirtschaftung hoher Erträge optimal zu nutzen, wurden die Nachteile für die im Wuchs unterlegene Schwarzpappel lange Zeit nicht wahrgenommen.

Auwälder wurden gerodet und durch plantagenmäßig bewirtschaftete Klonkulturen ersetzt. Die gezielte Entnahme von Schwarzpappeln in der Umgebung solcher Anlagen erfolgte in der Absicht, die Ausbreitung latent vorhandener Schadorganismen und damit die Gefährdung der empfindlichen Hybridklone zu verringern. Trotz dieser "Vorsichtsmaßnahmen" waren dennoch auf den großflächigen Monokulturen vielerorts schon bald beträchtliche biotisch wie abiotisch verursachte Ertragseinbußen zu beklagen.

Chancen für die Erhaltung und Sanierung

Natürliche Schwarzpappel-Vorkommen sind heute eine Rarität. Auf naturnahen Standorten findet man sie in größerem Umfang und altersmäßig gestaffelt fast nur noch in weiter Entfernung, beispielsweise in Flussabschnitten von Loire und Weichsel. Bei Reliktvorkommen in Deutschland handelt es sich häufig, wie z. B. am Oberrhein, ausschließlich um Altpappeln, die trotz Grundwasserabsenkung noch lebens-, aber nicht mehr verjüngungsfähig sind. Die regional bereits vom Aussterben bedrohte "Rote Liste"-Baumart bedarf daher dringend unserer Hilfe.

Strategien zur Wiederansiedlung von Populus nigra sind seit einigen Jahren vorrangig auf folgende Maßnahmen ausgerichtet:

  • Erfassung und Sicherung noch vorhandener Vorkommen;
  • Wiederherstellung naturnaher Verjüngungsbedingungen (Renaturierung);
  • Vermehrung und Anzucht ex situ;
  • Kultivierungsmaßnahmen.

Erfassung und Sicherung noch vorhandener Vorkommen

Um die Existenz der Schwarzpappel zu sichern, ist es unbedingt erforderlich, die noch vorhandenen Restvorkommen zu erfassen. Nur unter dieser Voraussetzung führen Maßnahmen zur Erhaltung einer möglichst großen genetischen Variation zum Erfolg.

In einigen Bundesländern wurden daher spezielle Schutzprogramme verwirklicht. Als erstes Ergebnis wurden in Flussniederungen zwar noch mehrere tausend Schwarzpappeln in unterschiedlicher Verteilung aufgenommen. Sie sind jedoch in ihrem Bestand überwiegend stark gefährdet.

Darüber hinaus besteht auf Grund der Ministerkonferenz 1993 in Helsinki zum Schutz der Wälder in Europa eine gute internationale Zusammenarbeit. Sie findet ihren Niederschlag in einem Generhaltungsnetzwerk für Populus nigra, das im Rahmen des "European Forest Genetic Resources Programme" (EUFORGEN) aufgebaut wurde. Die Berichte über inventurartige Erfassungsmaßnahmen lassen in den beteiligten europäischen Ländern vergleichbare Ergebnisse erkennen.

Die Sicherung von Restvorkommen bedarf besonderer administrativer und waldbaulicher Maßnahmen, wie z. B. Ausweisung von Schonwäldern, Biotopschutzwäldern und Naturdenkmalen. Mit konsequentem Einschlagsverzicht, Standraumerweiterung sowie Förderung und Pflege von Jungwuchs, soweit noch vorhanden, lassen sich dort wesentliche Schutzziele erreichen.

Hinweise zur Vermehrung der Schwarzpappel

Generative Vermehrung

Lagerung: frische Samen bleiben im Folienbeutel bei 2-4 °C bis zu einem Jahr keimfähig.

Aussaat: Samen von Flughaaren befreien, nicht übererden, mit leichter Folie abdecken.

Keimung: beginnt einen Tag nach der Aussaat und ist nach einem weiteren Tag abgeschlossen.

Wachstum: Nach zunächst mäßigem Wachstum erreichen Sämlinge nach dem Pikieren im ersten Jahr Höhen bis 70 cm.

 

Vegetative Vermehrung (vor allem bei Altbäumen)

Autovegetative Vermehrung

Hohe Vermehrungsrate, Ausgangsmaterial: am besten einjährige Triebe von Jungpflanzen, einjährige Wasserreiser oder Stockausschläge von Altbäumen; Anzucht empfiehlt sich unter Gewächshausbedingungen mit Regner- oder Nebelanlagen. Auch ein- bis zweijährige Endtriebe aus dem Kronenbereich möglich, allerdings ist der Bewurzelungserfolg deutlich geringer.

Belaubte Grünstecklinge: werden im Juni geerntet, geeignet bei geringer Distanz zwischen Entnahme- und Vermehrungsort; können in Gewächshäusern mit den genannten Einrichtungen vermehrt werden.

Heterovegetative Vermehrung

Sogar schwach dimensionierte Kronenäste dritter oder vierter Ordnung können genutzt werden.

Mikrovegetative Vermehrung

Besonders geeignet bei starker Kontamination des Ausgangsmaterials durch Bakterien und Pilze; Sprosskulturen wachsen unter sterilen Bedingungen auf und produzieren pathogenfreie Pflanzen.

Renaturierung

Die Möglichkeiten, den dramatischen Standortsverlusten für die Schwarzpappel entlang unserer Fließgewässer zu begegnen, müssen als gering eingeschätzt werden. Vor allem der Ausbau der großen Flüsse schuf weitgehend irreversible Fakten. Derzeit können allenfalls in morphologisch aktiven Buhnenfeldern an Elbe und Oder kleinflächig vorhandene Schwarzpappelstandorte erhalten und eventuell geringfügig ausgedehnt werden.

Selbst in noch phasenweise überschwemmten Altrheinschlingen des Oberrheins sind natürliche Populus nigra-Gesellschaften mit der ihnen eigenen Struktur und Dynamik nicht mehr vorhanden. Soweit dort noch Schwarzpappeln anzutreffen sind, wachsen sie meist als Pioniere auf Standorten der Hartholzaue. Zwar werden am Rhein Renaturierungsmaßnahmen und ökologisch orientierte Flutungen vorgenommen. Sie dienen jedoch in erster Linie dem Hochwasserschutz und können nur wenig zur Wiederherstellung naturnaher Schwarzpappel-Standorte und -Gesellschaften beitragen.

Wie schwierig es ist, in unseren Flusslandschaften ökonomische und ökologische Interessen miteinander in Einklang zu bringen, erlebten wir bei den Diskussionen um den Elbe-Ausbau oder um den Bau von Staustufen an der Donau zwischen Straubing und Passau.

Etwas günstiger ist die Situation bei kleineren Fließgewässern. Dies gilt vor allem für Waldbäche in Mittelgebirgen. Forstwirtschaftliche Maßnahmen wie die Entfernung von Fichten an Gewässern in natürlichen Laubwaldgebieten können beträchtlich zur Sanierung beitragen. Allerdings kommen solche Eingriffe in erster Linie Erlen- und Erlen-Eschenbiotopen zugute. Die für die Ansamung der Schwarzpappel nötigen Voraussetzungen - Ausuferung, Erosion, vegetationsentblößtes Schwemmsubstrat - lassen sich trotz großer Bemühungen von Seiten des Naturschutzes nur in geringem Maße erreichen.

Vermehrung und Anzucht ex situ

Für eine nachhaltige Sicherung vieler noch vorhandener Schwarzpappel-Reliktvorkommen und deren Ausweitung kann auf zusätzliche Vermehrung und Anzucht ex situ nicht verzichtet werden. Dazu existieren verschiedene generative und vegetative Vermehrungstechniken, auf die hier wenigstens kurz (siehe Kasten) hingewiesen werden soll. Besonders nützlich sind Klonsammlungen. Sie wurden daher in den vergangenen Jahren von mehreren forstlichen Versuchsanstalten aufgebaut.

Kultivierungsmaßnahmen

Die ex situ angezogenen Pappeln werden hauptsächlich auf Standorten ausgepflanzt, die wenigstens in Ansätzen noch Auwalddynamik erkennen lassen (Wechsel zwischen Hoch- und Niedrigwasser, wechselnde Bodenablagerungen je nach Strömungsenergie). Soweit dort noch Populus nigra-Altbäume wachsen, sind Ergänzungspflanzungen derzeit die einzige Möglichkeit, solche Vorkommen weiterhin zu erhalten und Risiken zunehmender Genverarmung zu begegnen. Desgleichen eignet sich das angezogene Pflanzenmaterial auf diesen Standorten auch zur Neubegründung, wenn die natürliche Schwarzpappelbestockung nicht mehr vorhanden ist. Darüber hinaus sind bei landespflegerischen Maßnahmen Bepflanzungen von Wegrändern und Uferstreifen an Fließgewässern, auch höherer Ordnung, möglich.

In begrenztem Maße lassen sich auch andere Standorte für Anpflanzungen nutzen, sofern vor allem Grundwasser sowie geeignete Böden vorhanden sind. Dabei ist zu beachten, dass Grundwasserstände bis 2 Meter auch für Jungpflanzen zuträglich sein können, wenn sie als Setzstangen gepflanzt werden.

Bei allen genannten Pflanzungen sind Maßnahmen der Kultur- und Jungwuchspflege unerlässlich. Insbesondere sind konkurrierende, im Wuchs überlegene Bäume anderer Arten zu entfernen, auch wenn dies zu Produktionseinbußen führt.

Ausblick

Wenn man die dargestellten Fakten bewertet, so ergibt sich eine ziemlich ernüchternde Erkenntnis: Die Schwarzpappel bedarf dringend unserer Hilfe, wenn wir sie nicht schon bald verlieren wollen. Die Erkenntnis, dass Populus nigra als eine wirtschaftlich wenig attraktive Baumart im Wesentlichen nur mit beträchtlichen und zudem kostspieligen Maßnahmen erhalten werden kann, darf nicht entmutigen oder Anlass zur Nachlässigkeit geben. Im Gegenteil - wir sollten alles tun, um dieser ökologisch wertvollen, aufgrund anthropogener Eingriffe aber weitgehend verdrängten Art in unserer vergleichsweise nicht gerade artenreichen Waldlandschaft wenigstens einen bescheidenen Lebensraum für die Zukunft zu sichern.