Sie wächst in der Jugend gerade, aufrecht und schmal kegelförmig. Im Alter kann die Krone auch rundliche Formen haben. Ilex aquifolium wird bis zu 300 Jahre alt. In Deutschland kommen Baumhöhen bis 15 m und Brusthöhendurchmesser (BHD) bis 60 cm vor. Die meisten Exemplare erreichen jedoch nur eine Höhe von sechs bis acht Metern und einen BHD von max. 20 Zentimeter. Das stärkste Exemplar Deutschlands steht wohl bei Emmerich am Niederrhein nahe der holländischen Grenze. Der Baum soll 260 Jahre alt sein, ist zwölf Meter hoch und hat einen glatten, walzenförmigen Stamm mit zwei Metern Umfang.
Vorkommen
Das Verbreitungsgebiet von Ilex aquifolium umfasst große Teile West- und Mitteleuropas, fast ganz Südeuropa sowie Teile Nordwestafrikas. Die östliche Verbreitungsgrenze verläuft durch Deutschland. Das Vorkommen wird in Südskandinavien durch niedrige Winter-Temperaturen (extremer Frost) und in Südeuropa durch Sommertrockenheit begrenzt.
In der Bundesrepublik findet man sie in Bereichen mit atlantisch und subatlantisch geprägtem Klima. Vorkommen gibt es im Norden von Mecklenburg-Vorpommern über die gesamte norddeutsche Tiefebene bis zum Niederrhein. Im Westen ist sie von Niedersachsen bis zum Schwarzwald zu finden. In Bayern gibt es vor allem im Süden kleinere Vorkommen besonders in einem schmalen Streifen am Alpennordrand.
Wasser und Boden
Die Stechpalme hat keine besonders hohen Standortsansprüche. Sie mag frische, mäßig trockene, milde, nicht zu saure Böden mit mittlerer Nährstoffversorgung. Sie kommt auf freien Alpflächen bis über 1.000 Meter Höhe genauso wie im Flachland im Halbschatten von Buchen/-Tannen- oder lichten Laubwäldern vor. An die Wasserversorgung stellt sie keine großen Ansprüche. Große Trockenheit und Hitze verträgt sie jedoch nicht.
Optimale Wuchsbedingungen bieten die atlantisch geprägten Gebiete Nordwesteuropas mit milden Wintern und relativ hohen Sommerniederschlägen.
Anbaurisiko im Klimawandel
Obwohl der Stechpalme klimatische Extreme nicht sehr zusagen – Sommertrockenheit und Winterkälte begrenzen ihre Verbreitung – gilt sie doch als recht zählebig, sofern die örtliche Früh- und Spätfrostgefahr nicht zu extrem ist und der Boden nicht allzu sehr austrocknet. Nicht zuletzt wegen der zunehmend milderen Winter wird sie auch im Klimawandel vielerorts eine ihr zusagende Nische finden können. In den letzten Jahren wird eine Ausbreitung der Stechpalme an ihrer Verbreitungsgrenze in Mecklenburg-Vorpommern nach Osten beobachtet, die auf den Klimawandel und die milderen Winter zurückgeführt wird.
Vegetationskundler diskutieren als Folge des Klimawandels die sogenannte "Laurophyllisierung" mitteleuropäischer Wälder. Bei uns profitieren besonders immergrüne Gehölze, wie z. B. Efeu, Mistel oder Stechpalme vom Klimawandel und breiten sich in den letzten Jahren deutlich aus. In den Wäldern an der Alpen-Südseite sind es v. a. immergrüne Laubgehölze, wie Kampferbaum, Hanfpalme, Großblütige Magnolie und Kirschlorbeer, die häufig aus großen Gärten oder Grünanlagen in die Wälder verwildern. Es könnten sich daher wieder den tertiären Lorbeerwäldern ähnliche Wälder mit sommergrünen und wintergrünen Laubbaumarten mit neuer Artenzusammensetzung bilden.
Abb.2: Verjüngung unter Schirm (Foto: G. Aas).
Waldbau und Wuchsleistung
Die Stechpalme ist überaus selten und auch ästhetisch eine Bereicherung unserer Wälder. Daher sollte sie bei forstlichen Maßnahmen nicht nur geschont, sondern auch gezielt gefördert werden.
Sie ist zwar ausgesprochen schattentolerant, um aber die in Mitteleuropa mögliche Wuchshöhe von 10 -15 Meter zu erreichen, benötigt auch sie mindestens lichten Halbschatten oder hellere Verhältnisse. Auch ihre Vitalität und ihre Fähigkeit, für Nachwuchs zu sorgen, werden durch ein besseres Lichtangebot gefördert. Die Entnahme beschattender Nachbarbäume sollte behutsam und über mehrere Jahre verteilt, aber dennoch konsequent, vorgenommen werden.
Andererseits sollte man der Stechpalme extremes Freiflächenklima ersparen und möglichst im näheren Umkreis stets einige wenige Alt- oder Pionierbäume als Frostschutz erhalten.
Abb. 3: Verjüngung von Ilex aquifolium (Foto: Gregor Aas).
Waldschutz
Aufgrund der geringen Vorkommen haben die an Stechpalmen vorkommenden Insekten derzeit keine waldschutzfachliche Bedeutung. Es sind nur drei speziell an Ilex A. auftretende Arten bekannt:
Bei Gärtnern unbeliebt sind die Ilex-Minierfliege (Phytomyza ilicis) und die Ilex-Blattlaus (Aphis ilicis). Der Asiatische Stechpalmenspanner Plesiomorpha flaviceps wurde bereits mehrfach in Deutschland nachgewiesen, ist jedoch noch nicht etabliert. Die Raupen dieser Art fressen die frischen, noch weicheren Blätter der Stechpalmen. Falls sich diese, allerdings eher subtropische Schmetterlingsart bei uns etabliert, könnten dann auch die natürlichen Vorkommen der heimischen Stechpalmen befallen werden [SELIGER/HEMMERSBACH (2018)].
Die Stechpalme zeigt, vermutlich als Fraßschutz vor Wildvberbiss, unterschiedliche Blattformen. Im unteren Bereich der Sträucher sind die Blätter gewellt und sehr stachelig. Im oberen Bereich, außerhalb des Äsers der Schalenwildarten, findet man immer weniger Stachel an den Blättern, bis sie schließlich völlig flach und stachellos sind. Unterschiedliche Blattformen am gleichen Exemplar nennt man botanisch "Heterophyllie".
Biologische Vielfalt
Die Stechpalme ist in Bayern so selten, dass sie in der „Roten Liste Bayerns“ als „gefährdet“ eingestuft ist und gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 4 BNatSchG zu den „besonders geschützten Arten" zählt.
Sie ist bei Insekten relativ "unbeliebt", da es sehr wenige Arten gibt, die an Ilex vorkommen. Die bekannteste Art ist die Ilex-Minierfliege (Phytomyza ilicis), deren Larven sich monophag von Stechpalmenblättern ernähren. Die Fliegen treten von Ende Mai bis Ende Juni auf. Sie legen ihre Eier einzeln blattunterseits an der Basis der Mittelrippe oder an den Blattstiel an frischen Stechpalmenblättern ab. Die schlüpfende Larve frisst sich im Inneren der Mittelrippe in Richtung Blattspitze. Nach der 1.-Häutung verlässt die Larve die Mittelrippe und miniert im Palisaden-Parenchym. Nach der der zweiten Häutung (Jan-März) wird eine typische, gelbe Platzmine am Blatt erkennbar. Die Larve verpuppt sich dann März/April.
Die Beeren der Stechpalme werden von relativ wenigen Vogelarten aufgenommen. In England sind es v. a. Amsel, Rotdrossel, Misteldrossel, die die Beeren von Ilex fressen (SNOW/SNOW 1988, Birds and Berries). In Mitteleuropa sind nur 12 Vogelarten bekannt, die Ilex-Beeren als Nahrung aufnehmen (TURCEK 1961 – Ökologische Beziehungen der Vögel und Gehölze). Im Vergleich dazu fressen 63 Vogelarten die Früchte der Vogelbeere.
Holz
Das Holz der Stechpalme ist gelblich-grün, hart und feinfaserig. Damit ist es schwer spaltbar. Die Rohdichte in lufttrockenem Zustand beträgt 0,79 g/cm³. Stechpalmenholz ist gut zu be- und verarbeiten, es lässt sich gut sägen, fräsen, hobeln und bohren. Die Oberfläche ist feinporig und glatt und nimmt gut Politur an. Ilex wird vor allem für Drechslerarbeiten und Furniere verwendet.
Kulturhistorische Bedeutung
In Norddeutschland nennt man die Stechpalme auch „Hülse“ oder „Holst“. Das ist mit dem englischen „holly“ verwandt. In Bayern heißt sie auch Stechdorn, Stechgrün oder Walddistel. Im Dialekt auch „Wax"-, "Stech-" oder „Raßloaba“ (von Laub).
Da Ilex wie die richtigen Palmen (daher wohl auch der Name Stech"palme") immergrün ist, wurden früher an Palmsonntag die Kirchen mit Zweigen geschmückt. Außerdem wurden Palmzweige zum Schmuck der Gräber zu Allerheiligen und zu Weihnachten geschnitten. In England und Nordamerika sind sie wichtiger Teil des Weihnachtsschmuckes.
Der bekannten Dichterin Annette von Droste-Hülshoff wurde unser früherer 20-DM-Schein gewidmet. Er zeigte eine starke Buche als Hinweis auf ihre Novelle „Die Judenbuche“ und einen Zweig der Stechpalme als Hinweis auf ihren Namen.
Abb. 6: Leuchtend grüne Blätter der Stechpalme (Foto: P. Dimke, LWF).
Weitere Ilex-Arten
Mit der Japanischen Stechpalme (Ilex crenata), die in Aussehen und Wuchs dem Buchs ähnelt, wurde bereits mehrfach der Stechpalmenspanner nach Deutschland eingeschleppt.
Der südamerikanische Matestrauch (Ilex paraguariensis) liefert mit seinen Blättern den v. a. in der Südhälfte Südamerikas sehr beliebten Mate-Tee.
Literatur
- waldwissen.net: Schulte, U. (2009): Die Stechpalme auf dem Vormarsch
- Übersicht der Naturwaldreservate in Oberbayern: Naturwaldreservat Fischbach mit Stechpalmenvorkommen
- Übersicht der Naturwaldreservate in Schwaben: Naturwaldreservat Rohrachschlucht mit Stechpalmenvorkommen
- Veste, M. und Kriebitzsch, W.-U.: Die Stechpalme – ein Gewinner des Klimawandels? - AFZ-DerWald, 16/2010, 16 - 18
- Burkart, A. (2018): Kulturanleitungen für Waldbäume und Wildsträucher. Anleitungen zur Samenernte, Klengung, Samenlagerung und Samenausbeute sowie zur Anzucht von Baum- und Straucharten. WSL Ber. 63: 104 S.
- Rößner, H. (1998): Die Stechpalme (Ilex aquifolium L.), in: Sträucher in Wald und Flur, Bay. Forstverein, ecomed-Verlag, S. 312 - 317
- Literatursammlung zur Stechpalme in: Zoologisch-Botanische Datenbank ZOBODAT der Oberösterreichischen Landes-Kultur GmbH
- Roloff, A.; Weisgerber, H.; Lang, U.; Stimm, B. und Schütt,P. : Enzyklopädie der Holzgewächse, 33. Erg.Lfg. 9/03, III-2, 12 S.
- Schütt, P.; Schuck, H.-J. und Stimm, B. (2014): Lexikon der Baum- und Straucharten, 3. Auflage, 581 S.
- Jagel, A., Höggemeier, A., Kasielke,T. (2016): Ilex aquifolium – Gewöhnliche Stechpalme, Hülse, Ilex (Aquifoliaceae), Jahrb. Bochumer Bot. Ver. 7, S. 226 - 236
- Berger, S., Walther, G-R. 2007): Immergrüne Laubgehölze – Indikatoren des Klimawandels?, Ber. d. Rein.- Tüxen-Ges. 19, 44 - 59
- Schrötter, H. (1995): Die Stechpalme (Ilex aquifolium L.) an der Nordostgrenze ihres Verbreitungsgebietes, Forst und Holz 50. Jhg., S. 785 - 787