Erstaunlicherweise erwarb die Buche ihre Vorrangstellung erst nach der letzten Eiszeit. Offenbar stehen hinter ihrem Erfolg vielfältige und komplexe Zusammenhänge, die wir erst teilweise verstehen. Hier der Versuch einer Annäherung aus ökologischer und entwicklungsgeschichtlicher Sicht.
Die Familie der Buchengewächse (Fagaceae) umfasst je nach taxonomischem System sieben bis neun Gattungen mit insgesamt bis zu 900 Arten, die zwischen den Tropen und den gemässigten Breiten der Nordhemisphäre vorkommen. Dabei handelt es sich mehrheitlich um Hartholz bildende Baumarten mit grossen, in einem Fruchtbecher eingeschlossenen Früchten. Über die Hälfte davon sind Eichenarten (Quercus), während die Kastanien (Castanea) und die Buchen (Fagus) weltweit nur je rund zehn Arten stellen.
In Europa sind neben zwanzig Eichenarten auch eine Kastanien- und zwei Buchenarten heimisch: die Rotbuche oder einfach Buche (Fagus sylvatica) und die Orientalische Buche (Fagus orientalis). In ihrer Kontaktzone im Balkan und im Donaubecken gibt es Übergangsformen zwischen beiden.
Verbreitung
Das Verbreitungsgebiet der Buche ist geprägt durch gemässigtes, subatlantisches bis submediterranes Klima. Die Buchenverbreitung hat ihren Schwerpunkt in Mitteleuropa. In Südeuropa beschränkt sie sich auf montane Lagen in Gebirgen.
Die Verbreitungsobergrenze steigt von Meereshöhe in Südskandinavien bis auf 2250 m ü. M. auf Sizilien an. Der Schwerpunkt der Höhenverbreitung liegt zwischen 400 und 1400 m ü. M. in der kollinen und der montanen Höhenstufe.
In der Schweiz ist die Buche weit verbreitet. Kollin und untermontan ist sie hier die mit Abstand häufigste Baumart. Ihre Verbreitungsobergrenze liegt im Jura bei 1200-1400 m ü. M., in den Nordalpen bei 1300-1500 m. ü. M. und in den Südalpen bei 1500-1700 m ü. M. In den Inneralpinen Trockentälern wie im Wallis fehlt die Buche weitgehend, soll hier aber ihre maximale Schweizer Höhenverbreitung mit 1800 m ü. M. erreichen.
Buchen- und Buchenmischwälder (Fagion) sind äusserst vielfältig und bedecken grosse Gebiete. Europaweit ist die Buche in der Baumschicht von rund 28% der Waldgesellschaften vertreten und dominiert 11% der Waldgesellschaften. Noch deutlicher zeigt sich ihre Bedeutung im Zentrum ihres Verbreitungsgebietes. In der Schweiz beispielsweise ist die Buche in rund 45% der Waldgesellschaften in der Baumschicht vertreten und dominiert 30% der Waldgesellschaften. Einzig die Fichte kann gesamteuropäisch und in der Schweiz eine vergleichbare Bilanz vorweisen.
Ökologische Nische
Abb. 4 - Buchen-Altholz in Twann (Kanton Bern).
Foto: Andreas Rudow
Eine wesentliche Eigenschaft der Buche ist ihre enorme Wuchskraft. Um maximale Wuchshöhen von 45 m erreichen zu können, müssen verschiedene Fähigkeiten optimal ineinandergreifen. Dazu gehört die generelle physiologische Fähigkeit zu grossem Höhenwachstum, die bei der Buche durch monopodialen Wuchs und hohe apikale Kontrolle sowie durch die ausgeprägte Lang-/Kurztrieb-Differenzierung sowie die Fähigkeit der Johannistriebbildung bei günstigen klimatischen Bedingungen zusätzlich gefördert wird.
Herausragend ist zudem die grosse Wachstumskontinuität der Buche. Zum einen wird durch die ausgeprägte Schattentoleranz ein späteres Aufsteigen in die Kronenschicht ermöglicht, zum anderen ist ihr Wachstum relativ lang anhaltend, was sich in der späten Kulmination des jährlichen Höhenzuwachses mit 30 Jahren zeigt.
Diese Eigenschaften verleihen der Buche ihre enorme Konkurrenzkraft und bringen dieser Baumart ihr spezifisches Etikett ein, das je nach Fragestellung/Disziplin variiert: häufig dominierende Hauptbaumart (forstlich), typische Klimaxart in Schlusswaldgesellschaften (standortskundlich), der Konkurrenzstratege schlechthin (ökologisch).
Geringe Standortansprüche
In gemässigtem Klima mit Jahrestemperaturen über 7 °C und Jahresniederschlägen über 600 mm gedeiht die Buche auf allen Gesteins- und Bodentypen, unabhängig von der Gründigkeit des Bodens. Die Baumart steigert ihre Produktivitätmit zunehmender Temperatur und erträgt auch hohe Temperaturen, sofern diese nicht mit Trockenheit gekoppelt sind. Ihre fundamentale Nische umfasst einen Grossteil des Bereichs waldfähiger Standorte. Ausgenommen davon sind lediglich extrem trockene und stark feuchte oder staunasse Standorte sowie Standorte mit temporärer Überflutung (Auen), Bodenbewegung (Hangschutt) oder Steinschlag, der zu sporadischen Rindenverletzungen führt.
Buchenverbreitung: Klimagesteuert oder Menschen gemacht?
Abb. 5 - Buchendominierte Sandböden an der Ostsee (Wolin, Polen).
Foto: Andreas Rudow
Aufgrund von genetischen Analysen und paläobotanischen Daten konnte die Rückwanderung der Buche aus den ostalpinen Refugialgebieten zum Ende der letzten Eiszeit relativ gut rekonstruiert werden. Von da aus verlief die Einwanderung in nordwestlicher Richtung quer durch Mitteleuropa.
Erst vor ca. 6000 Jahren erreichte die Baumart die Ostschweiz und war ca. 1000 Jahre später auch im Mittelland und im Jurabogen vertreten. Vor 3000 Jahren erreichte die Buche die Britischen Inseln, wo die Expansion des Buchenareals bis heute anhält. Dies entspricht einer Wandergeschwindigkeit von 150 bis 280 m pro Jahr bzw. Verbreitungssprüngen der nährstoffhaltigen Früchte durch Vögel von 6 bis 22 km.
Die Fachwelt ist gespalten
Einige Fachleute sind der Ansicht, dass primär der Mensch für die Buchenausbreitung verantwortlich ist. Demgegenüber vertreten andere die Hypothese einer klimagesteuerten Ausbreitung infolge kontinentaler Erwärmung und Zunahme der Ozeanität von Südost nach Nordwest.
Aufgrund der weitgehenden Übereinstimmung des Wanderungsverhaltens der Buche mit dem Vordringen der neolithischen Kulturen könnte durchaus ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Zum Beispiel durch die Veränderungen der Konkurrenzverhältnisse in den damaligen Rodungslandschaften, durch die Begünstigung spezifischer Samenvektoren oder durch die direkte Förderung der Buche als wichtige Nahrungs- und Futterpflanze.
Ihre vorherrschende Stellung in Mitteleuropa erlangte die Buche erstmals nach der letzten Eiszeit (Holozän). In früheren Zwischeneiszeiten war die Buche hier zwar vertreten, erlangte aber nur geringe Bedeutung als Nebenbaumart, während die Hainbuche (Carpinus betulus) die mitteleuropäischen Laubwälder dominierte. Dies könnte die Hypothese eines anthropogen bedingten Siegeszuges der Buche stützen. Andere Hypothesen führen diesen Sachverhalt auf die unterschiedliche Lage der jeweils letzteiszeitlichen Refugien zurück oder auf evolutive Anpassung vor oder während der letzten Eiszeit, die zu einer wettbewerbsfähigen Sippe von Fagus sylvatica führte.
Folgerungen
Die Buche – wertvoller Waldbildner, Holz- und Nahrungslieferant - ist sowohl für die Schweiz als auch für Europa eine bedeutende Baumart und zudem entwicklungsgeschichtlich und ökologisch interessant. Sie hat besondere ökologische Eigenschaften und sie ist ein Beispiel dafür, welche vielfältigen Umwelteinflüsse Arten mittels Anpassung und Migration meistern mussten, um einen Weg durch die Eiszeiten in die Gegenwart zu finden.
Das ökologische Profil der Buche wird durch die allgemein bekannten "Standortansprüche" nicht hinreichend charakterisiert. Um das Wesen und Verhalten der Art zu fassen, muss die ganze Palette synökologischer Faktoren wie Konkurrenten, Pathogene, Mykorrhiza, Samenvektoren, Mensch-Gesellschaft etc., die sich räumlich und zeitlich laufend verändern, einbezogen werden.
Die Zuverlässigkeit von Modellvorhersagen über die Auswirkung von Klimaveränderungen auf unsere Baumarten und Wälder ist massgeblich vom Kenntnisstand abhängig. Bei der Modellierung komplexer Prozesse wie Anpassung und Migration von Arten oder ganzer Artgesellschaften klaffen SOLL und IST des Kenntnisstandes meist noch deutlich auseinander. Das Management und die Erhaltung unserer wichtigsten forstlichen Genressourcen, d.h. von Hauptbaumarten wie der Buche, benötigen weiterhin empirische Studien und ein Netz aus Waldreservaten und Generhaltungsgebieten, für deren Populationen physiologische, ökologische, populationsbiologische und genetische Daten über lange Zeiträume analysiert und miteinander verknüpft werden können.