Vor allem junge Bäume haben im Winter alles andere als Ruhe und sind grossen Gefahren ausgesetzt. Stete und langsam wirkende Kräfte wie Schneekriechen und Schneegleiten sind zusätzlich erschwerende Faktoren zu den sonst schon harschen Bedingungen im Bergwald. Lawinen sind rasch niedergleitende Schneemassen, die oft zerstörerisch wirken.

Daneben werden aber noch zwei weitere, wesentlich diskretere, fast unsichtbare und langsam wirkende Vorgänge in der Schneedecke unterschieden: Schneekriechen und Schneegleiten. Beide entstehen aufgrund des Eigengewichtes des Schnees. Diese Vorgänge können im Bergwald beachtliche Kräfte entwickeln, welche entscheidend für das Leben eines Baumes sind.

  • Mit Schneekriechen bezeichnet man die normale Setzung des Schnees am Hang, bei rauer Bodenoberfläche, wobei die Schneebewegung an der Oberfläche am grössten ist. Der Schnee am Boden bewegt sich hingegen nicht. Die Schneekräfte wirken wie ein Hebel auf junge Bäume. Ein Kubikmeter Nassschnee wiegt etwa 400 kg. Drückt solch schwerer Schnee gegen Bäume, oder zieht festgefroren an Ästen, können junge Bäume schief gedrückt, gebrochen oder sogar entwurzelt werden.
  • Das Schneegleiten ist, zusätzlich zur Kriechbewegung, ein langsames Abgleiten der Schneedecke auf glatter Bodenoberfläche, um einige Millimeter bis zu einem Meter pro Tag. Oft geschieht das auf langhalmigem Gras (Abb. 1), wie dem häufig vorkommenden Reitgras. Die Kräfte des Schneegleitens sind oft enorm. Sichtbar wird dies, wenn sogar einbetonierte Eisenstangen (z.B. Wegweiser oder Zaunpfosten) zu Boden gedrückt werden. Es treten die gleichen Schäden an den Bäumen auf wie beim Schneekriechen, meist jedoch gravierender. Bei wiederholtem Schneegleiten jeden Winter kommt es zum typischen Säbelwuchs (Abb. 3). Dieser Krummwuchs am Stammfuss ist eine Reaktion der Bäume auf das alljährliche Schiefdrücken durch den Schnee.

Schneegleiten und -kriechen kommen wie Lawinen an Hängen ab ca. 30 Grad Neigung vor. 30 Grad Neigung ist in etwa die Neigung, ab der es für uns Menschen anstrengend wird, den Hang direkt hinauf zu laufen, oder wo wir mit den Tourenskis beginnen, Spitzkehren zu machen. In höheren Lagen (ab ca. 1500 m ü. M.) kommt Schneegleiten und -kriechen vor allem an sonnenexponierten Hängen vor. In tieferen Lagen können diese Schneebewegungen an Hängen aller Expositionen beobachtet werden, da vor allem wärmere Temperaturen den Schnee in Bewegung bringen.

Schäden und Verformungen an Bäumen

Der Einfluss der Schneekräfte auf Bäume ist enorm. Kleine Bäume sind auf die Verhältnisse in den Bergen erstaunlich gut eingerichtet. Sie sind sehr elastisch und werden vom Schnee und seinen Bewegungen meist flach zu Boden gedrückt. Nach der Ausaperung richten sie sich wieder auf. Mit zunehmendem Durchmesser (ab ca. 5 bis 7 cm) werden Stämme und Holz viel starrer. Eine kleine Bergwald-Fichte ist dann oftmals 50 Jahre alt und tritt in eine kritische Lebensphase. Der kleine Baum ist nicht mehr elastisch genug, um den Schneebewegungen nachzugeben. Aber auch noch nicht stark genug, um den Schneedrücken zu widerstehen. Oft sind die Schneekräfte so gross, dass Bäume ausgerissen oder gebrochen werden.

An Standorten mit starker Belastung durch Schnee können die Bäume nur im Schutz alter Stämme oder Strünke aufwachsen. Ohne solchen Schutz nimmt auch die Gefahr der Verformung deutlich zu. So entstehen durch den Schnee Scherkräfte im unteren Stammbereich, welche die Stämmchen längs aufreissen. Das ist zwar meist nicht unmittelbar tödlich, beeinträchtigt die Bäume aber sehr in ihrer gesunden Entwicklung. Fäulnispilze können das Holz befallen und wirken bis ins Erwachsenenalter im Inneren des Baumes. Auch die Verformungen wie der Säbelwuchs sind selten direkt lebensbedrohend, aber krumme Bäume sind langfristig weniger stabil.

Schutzmassnahmen für kleine Bäume

Die Wirkung der Schneekräfte darf nicht nur negativ gesehen werden. Als Teil der komplexen Prozesse im Ökosystem Bergwald sind sie auch Ursache für die vielfältige und stabile Struktur im Bergwald. Oft genug sind es aber Schneegleiten und -kriechen, welche das Wachstum eines Baumes im Bergwald verunmöglichen oder sehr verlangsamen. Dies lässt sich zumindest dort nicht mit den Zielen des Forstdienstes vereinbaren, wo der Erhalt von stabilen und nachhaltigen Schutzwäldern wichtig ist. Wo zukünftiger Schutzwald wegen den steten Schneekräften kaum aufzubringen ist, muss den jungen Bäumen mit zusätzlichen Massnahmen geholfen werden.

Beispielsweise ist ein Grasschnitt im Bereich der jungen Bäume im Herbst eine kostengünstige und wirksame Massnahme, weil auf den Grasstoppeln der Schnee weniger ins Gleiten kommt. Oft werden auch Bermen in die Hänge gegraben. Das sind 50 cm tiefe Terrassen, welche die Gleithänge aufbrechen und die Schneebewegung bremsen. Meistens werden in die Bermen auch die Bäume gepflanzt.

Der Bau von Dreibeinböcken (Abb. 4) oberhalb von jungen Bäumen ist eine anspruchsvollere Konstruktion, um die Schneebewegungen zu reduzieren. Dreibeinböcke sind sehr wirkungsvoll und haben den zusätzlichen Effekt, dass das frühere Ausapern um die Holzpfosten herum für die Bäume die Vegetationszeit verlängert.

Weitere mögliche Massnahmen sind Pfähle, welche zu zwei Dritteln in den Boden geschlagen werden und dadurch die Schneedecke verankern. Auch quer gelegte und mit Seilankern gesicherte Baumstämme erhöhen die Oberflächenrauhigkeit. Bei der Holzerei werden deshalb manchmal die Bäume quer zum Hang liegengelassen. Diesbezüglich wurden auch positive Erfahrungen mit liegen gelassenem Sturmholz gemacht. Die Idee solcher baulicher oder technischer Massnahmen ist, dass die Bäume innerhalb der zu erwartenden Funktionsdauer der Hilfsmassnahmen stark genug werden, um anschliessend den Schneedrücken zu widerstehen und einen stabilen Schutzwald bilden können.

Die beschriebenen Arbeiten werden durch die Teilnehmer/-innen des Bergwaldprojektes Jahr für Jahr ausgeführt. Dies trägt dazu bei, dass die kleinen Bäume die scheinbare Winterruhe sicher überstehen können. Während der Arbeit wächst der Respekt vor den Bäumchen, welche den schwierigen Bedingungen über Jahrzehnte trotzen – mit oder ohne menschliche Hilfe.

Machen Sie mit!

Die Stiftung Bergwaldprojekt organisiert einwöchige Arbeitseinsätze in Bergwäldern in Deutschland, Österreich und der Schweiz und bietet dabei die Gelegenheit, das interessante Ökosystem aus der Nähe kennenzulernen.

Machen auch Sie mit und erleben Sie den faszinierenden Lebensraum Wald. Lernen Sie die Zusammenhänge im gefährdeten Ökosystem kennen und leisten Sie einen aktiven Beitrag an die vielfältigen Schutz- und Nutzfunktionen, die der Bergwald erbringt. Auf der Homepage des Bergwaldprojektes finden Sie das Jahresprogramm und Informationen zu den verschiedenen Projekten. Sie können sich auch gleich online anmelden.

(TR)