Wegen ihrer biologischen Eigenarten, ihrer Bedeutung als Kultur- und Heilpflanze oder auch als Kunstmotiv erregt die Mistel seit gut 2000 Jahren das Interesse des Menschen. Die Pflanzen können aber auch Schäden an Bäumen verursachen: Misteln sind Halbparasiten und haben sich über grosse Zeiträume verschiedenen Wirtsbaumarten angepasst.

Seit Ende der Sechzigerjahre häufen sich in der Schweiz, aber auch in den benachbarten Ländern Meldungen über eine Zunahme von Misteln an Tannen und Föhren. Die Mistel hat sich offenbar im Bündner Rheintal und im Wallis ausgebreitet. Für die Beurteilung des Befalls und die Einleitung von allfälligen Massnahmen sind Kenntnisse über die Lebensweise der Mistel unerlässlich.

Vorkommen und Systematik

Weltweit gibt es ungefähr 1100 Pflanzenarten, die als "Misteln" bezeichnet werden. Die Gattung Viscum umfasst 70 immergrüne Arten, von denen in Europa lediglich zwei vertreten sind. Die rotbeerige Mistel kommt nur im Mittelmeerraum vor. Alle Misteln in der Schweiz gehören deshalb zur gleichen Art Viscum album. Je nach Wirtsbaum unterscheidet man folgende Unterarten:

  • Tannenmistel (nur an Weisstanne)
  • Föhrenmistel (Waldföhre, Schwarzföhre, aufrechte Bergföhre. Sehr selten an Fichte)
  • Laubholzmistel (weit über 10 verschiedene Baumarten, auch an Sträuchern. Die Buche wird nie, die Eiche sehr selten besiedelt)

Misteln und Vögel

Misteln und Vögel profitieren gegenseitig voneinander. Früchte und Samen der Misteln sind wichtige Bestandteile der Winternahrung vieler Vogelarten. Andererseits ist die Mistel für die Verbreitung und Keimung ihrer Samen auf Vögel angewiesen. Durch das Auszupfen der Beeren wird die ledrig-zähe Fruchtwand verletzt, die der Mistelkeimling ohne Hilfe von aussen nicht zu durchdringen vermag. Weil die Mistelbeeren nur kurz im Verdauungstrakt der Vögel bleiben, werden sie kaum über grössere Distanzen transportiert. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung sind die Mistelsamen zur Keimung aber nicht auf das Durchlaufen des Verdauungstraktes der Vögel angewiesen.

Entwicklung der Mistel

Als licht- und wärmeliebende Pflanze gedeiht die Mistel besonders gut auf jungen Wirtszweigen im oberen Bereich der Baumkronen. Misteln wachsen ausgesprochen langsam. Ab dem vierten Alterjahr bilden Misteln jedes Jahr einen Gabelspross, sodass das Alter der Pflanzen einfach zu bestimmen ist. Mistelbüsche werden kaum älter als 30 Jahre. Ab dem fünften Jahr beginnen die Misteln gelbgrün zu blühen. Misteln sind zweihäusig, das heisst es gibt Männchen und Weibchen.

Gelangt ein Samen auf einen Baumast, so bildet der Keimling eine Haftscheibe (Abb. 3), aus der sich der so genannte Primärsenker entwickelt. Dieser Senker wächst ins Kambium des Astes, aber kaum weiter nach Innen. Im Laufe der Zeit wird der Primärsenker der Mistel vom Holz des wachsenden Astes umschlossen (Abb. 4).

Vorkommen und Gegenmassnahmen

Die Mistel ist in den grossen Haupttälern der Alpen (Rhein, Reuss, Rhone) über das Voralpen- und Mittelland bis hin zum Jura mehr oder weniger stark verbreitet. Die Pflanze benötigt ein relativ warmes Klima, wobei nicht die Wintertemperaturen, sondern diejenigen des Sommers (Föhntäler) ausschlaggebend sind. Das erklärt, weshalb die Mistel kaum über 1200 m anzutreffen ist.

Erste Bekämpfungsmassnahmen sind aus dem Jahr 1554 (!) im Raum Luzern bekannt. Seither gab es immer wieder Vorschriften zur Kontrolle der Mistel. Die möglichen Ursachen für ein lokal vermehrtes Auftreten dieser Pflanze sind noch recht unklar. Man vermutet, dass beispielsweise durch Trockenheit oder Insektenbefall geschwächte Bäume besonders gefährdet sind. In wirtschaftlicher Hinsicht haben Misteln folgende Bedeutung:

  • Misteln beeinträchtigen den Höhen- und Durchmesserzuwachs der Bäume.
  • Befällt die Mistel den Baumstamm, so entwertet sich das Holz durch die Primärsenker-Gänge.
  • Starker Mistelbefall kann dazu beitragen, dass einzelne Bäume absterben
  • Eine kommerzielle Nutzung der Mistel kann interessant sein (Verkauf von Zweigen mit Beeren).
  • Als Arzneipflanze hat die Mistel eine lange Tradition.

Literatur

Literaturverweise finden sich im Originalartikel (PDF).