Auf der Waldbrandfläche oberhalb von Leuk (Kanton Wallis) etabliert sich ein neuer artenreicher Wald aus jungen Bäumen. Elf Jahre nach dem Brand (2014) waren es hauptsächlich Pap­peln, Weiden und Birken. Früher oder später werden Flaumeichen und Waldföhren diese Pioniergehölze ablösen und den künftigen Wald im untersten Teil bilden. Intensiver Wildverbiss verhindert jedoch an vielen Orten das rasche Aufkommen der Eichen.

Im August 2003 zerstörte der grösste Waldbrand der letzten 100 Jahre im Wal­lis 300 ha Wald oberhalb von Leuk. Die vom Feuer verursachte Brandfläche reicht von 900 bis 2100 m ü. M. an die Wald­grenze hinauf und ist bis zu 1000 m breit. Der unterste Teil ist ein mit Kalkfelsen durchsetztes Schutzwaldgebiet.

Nach zwölf Jahren ist die einst kahle Schneise ergrünt und die Brandnarbe ist fast überall wieder zugewachsen. Ein Grossteil der von weitem sichtbaren Baumverjüngung setzt sich aus den Pio­nierarten Weide, Pappel und Birke zusammen, die insbesondere in höheren Lagen, in denen mehr Niederschläge fal­len, besonders zahlreich sind.

Im untersten Teil der Waldbrandfläche zwischen 900 und 1250 m ü.M., wo frü­her dichte Bestände mit Waldföhren und darin eingesprengten Flaumeichen stan­den, gewinnt nun die Flaumeiche sicht­bar an Terrain. Die Art profitiert von ihrer Fähigkeit, aus dem Stock auszutreiben; praktisch alle verkohlten Eichenstrünke haben neue Triebe gebildet (Abb. 1), wenn auch oft erst mehrere Jahre nach dem Brand. Die buschigen Triebe schmücken als dun­kelgrüne Farbtupfer den untersten Teil des Waldbrandfläche. Eichelhäher brin­gen zudem Eicheln von weit entfernten Mutterbäumen ins Gebiet und tragen zur scheinbar raschen Eichenbesiedlung bei.

Die beiden Prozesse Stockausschlag und Sameneintrag lassen das Aufkom­men eines Eichenwaldes vermuten. Dies geht einher mit Prognosen im Rahmen des Klimawandels, weil den Eichen im Wallis ein Vorteil gegenüber den Föhren eingeräumt wird.

Im Gegensatz zur Flaumeiche verjüngt sich die Waldföhre pionierartig über windverfrachtete Samen, wobei die Samenausbreitung auf diese Weise bei mittleren Winden mit rund 50–100 m veranschlagt wird. Es ist deshalb zu erwarten, dass sich die Föhre nur langsam vom nicht abgebrann­ten Wald her, wo die Samenbäume ste­hen, gegen das Zentrum der Brandfläche ausbreitet.

Verjüngungsinventar für das Schutzwaldgebiet

Um die Frage zu klären, wie sich der Wald im untersten Teil der Brandfläche von Leuk entwickeln wird, wurde die Verjüngung von Flaumei­chen und Waldföhren systematisch ent­lang dreier hangparalleler Bänder von maximal 100 m Breite und 50 m Hö­henerstreckung erfasst. In diesen Bän­dern wurden sämtliche Triebe der jungen Bäumchen gezählt (Abb. 2), ihre Triebhöhe und der Verbiss durch Schalen­wild festgehalten. Die Erhebungen fan­den im Winter 2013/14 statt.

Während junge Waldföhren vor allem in der Nähe des intakten Waldes und um Inseln mit überlebenden Bäumen wach­sen, kommt die Flaumeiche im gesamten Bereich der Brandfläche vor (Abb. 2). Wo Samenbäume im Brandgebiet vor­handen sind, kann die Föhrenverjüngung auch zentrale Teile des Brandgebietes be­siedeln, so z.B. im 1100 m-Höhenband. Fast alle jungen Waldföhren (<25 cm) be­finden sich innerhalb eines 60 m breiten Gürtels entlang der westlichen und östli­chen Waldränder.

Im Vergleich zur Eiche ist die Föhre in ihrer Ausbreitung stark li­mitiert. Dies zeigt sich auch im Vergleich der Verjüngungsdichten: Mit 63 (±1) über 25 cm hohen Bäumchen pro Hekt­are waren die Eichen zahlreicher als die Waldföhren mit 55 (±1) Bäumchen pro Hektare, wobei rund ein Drittel der Ei­chenverjüngung aus Stockausschlag (20 pro Hektare) besteht. Kleinere Flaumei­chensämlinge gibt es nur wenige, die Waldföhren sind in dieser Grössenklasse hingegen häufig (Abb. 3).

Die klei­nen Dichten der beiden bestandesbilden­den Arten decken sich nahezu mit den Ergebnissen einer Erhebung kurz nach dem Brandereignis. Mit knapp 120 Bäumchen pro Hektare machen die Föh­ren und Eichen nur rund einen Zehntel der gesamten Verjüngung in dieser Hö­henstufe aus. Häufigste Bäume sind Pap­peln, Weiden und Birken.

Wildschäden

Die Aufnahmen er­gaben, dass fast 90% der jungen Flau­meichen vom Wild verbissen waren, je­doch nur etwas mehr als die Hälfte der Waldföhren Verbissschäden aufwiesen (Abb. 5). Etwa 10% der Waldföhren waren gefegt. In der Nähe der Strasse von Thel nach Al­binen waren die Wildschäden am ge­ringsten, was einerseits mit der konstan­ten Störung durch den Verkehr erklärt werden kann, anderseits aber auch mit dem Fehlen von waldartigen Strukturen, wo das Wild Unterstände oder Verstecke finden würde. Wo die Waldbrandfläche gar nicht oder nur mit Forststrassen er­schlossen ist, wurden stärkere Wildschä­den festgestellt.

Die Pionierarten spielen offensichtlich eine wichtige Rolle für den Grad der Wildschäden. Flaumeichen waren weni­ger verbissen, wenn sie von zahlreichen Pionierbäumen umgeben waren. Stan­den sie hingegen isoliert, waren sie für das Wild attraktiver. Im Gegensatz dazu waren die Waldföhren stärker verbissen in Gesellschaft mit den Pionierhölzern. Dies könnte damit erklärt werden, dass das Wild in Sommereinständen beson­ders das Laub der Weichhölzer frisst und die derberen Eichenblätter verschmäht. In den Wintereinständen hingegen ist das immergrüne Nadellaub attraktiv.

Eiche, Föhre oder Pionierhölzer in Zukunft?

Die Wiederbesiedlung des untersten und trockensten Teils der Waldbrandflä­che ist eine Frage der Zeit. Zahlenmässig herrschen die rasch vom Wind verbreite­ten Pionierhölzer vor, die Flaumeichen und Waldföhren wachsen dagegen nur langsam nach. Da ihre Dichten gering sind, wird das Zusammenwachsen zu waldartigen Strukturen Jahrzehnte dau­ern und nur in feuchten Jahren beschleu­nigt.

Die Flaumeiche kann sich zwar durch Stockausschlag behaupten, doch die natürliche Verjüngung aus Eicheln ist dem Verbiss stark ausgesetzt. Da die Waldföhrenjungpflanzen < 25 cm rund fünf- bis zehnmal häufiger sind als Jung­pflanzen von Flaumeichen, ist davon aus­zugehen, dass die Waldföhre mit zuneh­mender Zeit häufiger einwachsen wird als die Flaumeiche. Die Waldföhre dürfte infolge des weniger starken Verbisses be­vorteilt sein. Langfristig dürfte sich also ein artenreicher Eichen-Föhrenmischwald von eher geringer Bestandeshöhe bilden, der die Pionierhölzer verdrängen wird. Im Zentrum der Fläche wird sich voraussicht­lich die Flaumeiche durchsetzen, entlang der Waldränder wird es die Waldföhre sein.