Bedeutung von Sukzession und Pflanzung
Sturmwurf, Schneebruch, Borkenkäferfraß – Wer Forstwirtschaft betreibt, muss stets mit unerwarteten Holzanfällen rechnen. Die größten Waldschäden des 20. Jahrhunderts in Mitteleuropa verursachten die Orkane Vivian und Wiebke. Weil die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) damals zusammen mit dem Lehrbereich Geobotanik der Universität München ein Netz von 70 Beobachtungsflächen angelegt hat, können wir heute berichten, was aus dem Umgang mit dieser Katastrophe über die Wiederbewaldung gelernt werden kann.
Vor der Pflanzung prüfen, was an Verjüngung schon vorhanden ist
Wie viele Bäume zur Wiederaufforstung gepflanzt werden müssen, hängt entscheidend von der bereits vorhandenen Verjüngung ab. 30 unserer Beobachtungsflächen wurden damals weder bepflanzt noch eingesät, wurden also dem Prozess der natürlichen Wiederbewaldung überlassen. Zehn Jahre nach dem Sturmwurf war die Hälfte dieser Flächen nicht vollständig wiederbewaldet. Stattdessen waren sie überzogen von einem Himbeer- und Brombeergestrüpp oder einem dichten Grasteppich mit parkartig eingestreuten Bäumen. Neue Baumsämlinge konnten wir bei der Aufnahme im Jahr 2000 außerhalb des Hochgebirges kaum mehr finden, d.h. der Verjüngungsnachschub ist unterbrochen. Etliche der anderen unbepflanzten Flächen waren nur dank der Birken, Aspen und Weiden wieder voll bestockt.
Umgekehrt waren die Kulturflächen in den meisten Fällen so dicht bestockt, dass bis zur 2. Aufnahme im Jahr 1995 etliche der gepflanzten Bäume infolge der Konkurrenz bereits wieder ausgefallen waren. Dabei waren die Pflanzverbände mit 5.000 Stück je ha bei den Eichenkulturen und 3.000 Stück je ha bei den Bergahorn- und Eschenkulturen eher bescheiden. Zusammen mit der bereits vorhandenen Verjüngung ergab sich durch die Pflanzung jedoch oft eine sehr große Stammzahl. Lag diese anfangs über 10.000 Bäume je ha, so kam es bis 1995 fast immer zu erheblichen Ausfällen. Ein Ausscheidungskampf zwischen den Bäumen ist selbstverständlich erwünscht und notwendig für die Bestandesentwicklung. Wenn er jedoch sofort beginnt, dann hätte eine geringere Zahl von Pflanzen auch ausgereicht.
Wir können somit folgern: Ohne Pflanzung geht es oft nicht - wer sein Geld jedoch nicht vergraben will, sollte sorgfältig schauen, wohin er pflanzt.
Abschätzen, wie viel Naturverjüngung noch kommen wird
Es ist leicht erkennbar, was an Verjüngung nach der Flächenräumung noch vorhanden ist. Schwierig ist es dagegen, abzuschätzen wie viel noch auflaufen wird. Für das Zentrum sehr großer Kahlflächen darf nicht viel zusätzliche Naturverjüngung erwartet werden. Von unseren Beobachtungsflächen waren elf mehr als 50 m vom nächsten Altbestand entfernt. Auf keiner dieser Flächen kam nach 1992 noch viel Naturverjüngung hinzu, nicht einmal Birkenanflug. Lagen die Flächen näher an Altbeständen, stellte sich teils noch üppig Naturverjüngung ein, teils überhaupt keine. In solchen Randbereichen müssen deshalb der potenzielle Sameneintrag und die Möglichkeiten der Keimung abgeschätzt werden. Für die Fichte stellten wir fest, dass nach 1992 im Tiefland nie viel neue Verjüngung hinzukam, wenn anfangs nur wenig (< 1.000 Fichten je ha) vorhanden war.
Standortgerechte Laubbäume kommen nicht von selbst – zumindest nicht sofort
Der neue Wald nach Vivian und Wiebke sollte standortgerecht sein. Dies erforderte häufig einen Bestockungswechsel von Fichte oder Kiefer zu Laubbäumen. Von den 30 Beobachtungsflächen, die der natürlichen Wiederbewaldung überlassen blieben, waren zehn Jahre nach dem Sturm die meisten Flächen überwiegend mit Fichte, Kiefer, Birke, Aspe und Weide bedeckt. Nur auf sieben Flächen wuchsen überwiegend die Laubbäumen des Schlusswaldes. Allerdings liegen sechs dieser Flächen im Hochgebirge, wo sich der Bergahorn oft gut verjüngt hat. Bei der im Tiefland gelegenen Fläche war der Vorbestand bereits Laubwald und die Fläche war 1992 schon üppig mit Esche verjüngt gewesen. Im Tiefland waren vier weitere Flächen zuvor Laubwälder. Nachdem diese Flächen zehn Jahre sich selbst überlassen blieben, bedeckten die Laubbäume des Schlusswaldes dort kaum ein Drittel der Fläche, auf zwei dieser Flächen hatte die Fichte mit einem Anteil von 40 % viel mehr Fläche erobert, als sie im Vorbestand eingenommen hatte. In Nadelwäldern außerhalb des Gebirges findet somit innerhalb des ersten Jahrzehnts nach einem Sturmwurf ohne forstliche Kulturmaßnahmen kein Artenwechsel zu den natürlichen Laubwäldern statt. Auch vom Sturm geworfene laubbaumreiche Wälder verjüngen sich nicht selbstverständlich laubbaumreich. Nur wenn die Laubbäume des Schlusswaldes unmittelbar nach dem Sturm in der Verjüngung in größerer Anzahl vorhanden sind, ist ein hoher Laubbaumanteil auch ohne weitere forstliche Maßnahmen gewährleistet.
Naturverjüngung kommt meist nicht gleichmäßig, sondern geklumpt. Wenn Flächenteile trotz anderer Verjüngungsziele bereits mit Fichten- oder Kiefernanflug bedeckt sind, dann sollte geprüft werden, ob diese Pflanzen zumindest als Zeitmischung übernommen werden können. Wer sich dennoch für die Bepflanzung dieser Teilflächen entscheidet, sollte den Anflug zunächst entfernen. Ansonsten werden viele gepflanzte Bäume der Konkurrenz zum Opfer fallen oder sie können oft nur mit aufwändiger Pflege durchgebracht werden.
Wer sorgfältig pflanzt, kann sich mehr Zeit lassen
Abb. 2: Die Eichen dieser Kultur auf einer Sturmfläche von 1990 im Forstamt Dillingen hatten im Frühsommer 2004 eine Höhe von 8 m erreicht. Einzelne Birken überragten die Eichen noch um 5 m (Foto: Nörr).
Ein bis zwei Jahre nach dem Sturm waren die Flächen erst wenig mit Gräsern und Kräutern bedeckt. Danach fand eine explosionsartige Entwicklung statt. Die vegetationskundlichen Aufnahmen zeigten, dass alle Sturmflächen 5 Jahre nach Vivian und Wiebke nahezu vollständig mit Bodenvegetation bedeckt waren. Ob das Sturmholz auf den Flächen belassen wurde, spielte dabei keine Rolle. Nur in der Zusammensetzung der Bodenvegetation zeigten sich Unterschiede. Auf geräumten Flächen fanden sich eher mehr Gräser ein. Nicht geräumte Flächen waren nie stark vergrast, dort breiteten sich Brombeere und Himbeere oft stärker aus. Der jeweilige Standort spielte hierbei nur eine sehr geringe Rolle.
Mit dem Aufkommen einer dichten Bodenvegetation, die für die jungen Waldbäume eine ernsthafte Konkurrenz bedeuten kann, muss auf allen Sturmflächen gerechnet werden. Trotzdem müssen die Sturmflächen nicht überstürzt bepflanzt werden. Wenn die gepflanzten Bäume rasch loswachsen können, werden sie der Konkurrenz der Bodenvegetation auch schnell entkommen. Dies setzt voraus, dass die Bäume sorgfältig gepflanzt und nicht vom Wild verbissen werden. Bedauerlicherweise waren mehr als ein Viertel aller gepflanzten Bäume kurz nach der Pflanzung am Gipfel zurückgetrocknet. Diese Bäume fielen in den Folgejahren viel häufiger aus als gesunde. Selbst wenn sie überlebten, konnten sie bis 1995 nicht einmal drei Viertel des Höhenzuwachses der gesunden Bäume erreichen. Auch verbissene Pflanzen überlebten die ersten Jahre weitaus seltener als unverbissene.
Sturmflächen schonend räumen
Leider wurden die Sturmflächen von 1990 bei der Räumung teils flächig befahren. Wurden feuchte Böden befahren, kam es mitunter zu starken Bodenstörungen. Dies beeinflusste die Artenzusammensetzung der Bodenvegetation. Auf besonders stark gestörten Flächen entwickelten sich fast ausschließlich Schlagflurarten und Störungszeiger. Bäume, die gut auf Mineralböden keimen, wozu Birken, Aspen, Weiden, Kiefern und Lärchen zählen, konnten sich nur auf den geräumten Sturmflächen in großer Zahl ansiedeln. Gepflanzte Bäume, in deren Nähe Bodenstörungen vorlagen, fielen in den Folgejahren viel häufiger aus als Bäume mit ungestörter Umgebung.