Bisher wurde die in Österreich bestehende Herkunftsgebietsgliederung als Basis für Herkunftsempfehlungen genutzt, unter der Annahme, dass das regionale Saatgut an die jeweiligen Umweltbedingungen angepasst ist. Zudem wird die Zuerkennung einer Förderung für Aufforstungsmaßnahmen an die Einhaltung dieser Empfehlungen gekoppelt. Angesichts des Klimawandels muss die Nutzung regionaler Ressourcen aber neu geregelt werden, denn die klimatischen Änderungen sind bereits heute größer als die klimatischen Unterschiede zwischen Herkunftsgebieten. Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer können sich auf der Website Klimafitter Wald über künftig geeignete Baumarten informieren; die finale Auswahl der Arten für die Aufforstung sollte jedenfalls sehr sorgfältig an den jeweiligen Standort angepasst werden.
Da geeignete Naturverjüngung an vielen Standorten fehlt, wird für die Wiederbewaldung der durch Klimaextreme ausgefallenen Bestockung in den kommenden Jahrzehnten ein sehr hohes Aufkommen an forstlichem Vermehrungsgut notwendig sein. Besonders Laubbaumarten, wie Eiche, Buche, Ahorn und Kirsche sowie Nadelbaumarten wie Tanne und Douglasie werden hier eine entscheidende und wichtige Rolle spielen.
Für die Gewinnung und das Inverkehrbringen von forstlichem Vermehrungsgut gelten strenge Rechtsbestimmungen, die sicherstellen sollen, dass der Waldbesitzer diverses und angepasstes Pflanzgut in der Forstbaumschule erwerben kann. Eine Übersicht über die zugrundeliegenden Gesetze und Verordnungen kann hier abgerufen werden. Saatgut für forstliche Zwecke kommt aus zwei möglichen Quellen, Saatguterntebeständen oder Samenplantagen, sei es aus dem In- oder Ausland.
Saatguterntebestände und Samenplantagen
Das Saatgut für die Forstbaumschulen in Österreich kommt meist aus Saatguterntebeständen. Saatguterntebestände sind Wälder, die von Expert:innen begutachtet wurden und aufgrund ihrer Vitalität und Qualität für beerntungswürdig befunden wurden. Die Beerntung in diesen Beständen ist gesetzlich genau geregelt, siehe www.bundesamt-wald.at.
Unabhängig von den Empfehlungen zum Einsatz des Vermehrungsgutes bei der Pflanzung regelt das forstliche Vermehrungsgutgesetz die Ernte und Kennzeichnung von forstlichem Saat- und Pflanzgut. Der Gesetzgeber unterscheidet „quellengesichert“, „ausgewählt“ (Saatguterntebestände) und „qualifiziert“ (Samenplantagen). Die Kategorie „quellengesichert“ umfasst ausschließlich eine Reihe von Baumarten, die bisher eine geringe wirtschaftliche Bedeutung besitzen, wie z.B. Edelkastanie, Zerreiche. Bei dieser niedrigsten Kategorie müssen sich die mindestens zehn zu beerntenden Bäume innerhalb eines Herkunftsgebietes und einer Höhenstufe befinden. Diese gesetzlichen Bestimmungen für die Gewinnung von forstlichem Vermehrungsgut gelten allerdings nicht für seltenere, aber dennoch weit verbreitete und durchaus auch forstlich kultivierte Baumarten wie die Wildobstarten, Eibe und die Juglans-Arten (Walnuss, Schwarznuss). Das heißt, für diese Baumarten gibt es keinerlei Regelungen wie und wo das Saatgut gewonnen werden darf.
Forstliche Samenplantagen (Kategorie: qualifiziert) sind Anpflanzungen von Waldbaumarten mit dem vorrangigen Ziel der Saatgutproduktion, ähnlich wie in Obstkulturen. Derzeit sind in Österreich 71 Samenplantagen von 15 Baumarten behördlich zugelassen (gesetzlich geregelte Baumarten), daneben gibt es auch noch 9 Samenplantagen von nicht-zulassungspflichtigen Baumarten. Eine Übersicht über die in Österreich registrierten Samenplantagen findet sich auf der Nationalen Liste der Samenplantagen. Baumarten, bei denen die Versorgung von heimischem Material sehr stark von Saatgutplantagen abhängig ist, sind Weißkiefer, Vogelkirsche und Schwarzerle.
Die Nachfrage nach den Baumarten hat sich in den letzten Jahren stark verändert: der Anteil der Koniferen nimmt ab, der Anteil von Laubholz zu. Die Verkaufszahlen von Fichte sind in den letzten Jahren am stärksten zurückgegangen – im Vergleichszeitraum von 17 Mio. auf 12 Mio. Pflanzen – eine enorme Abnahme um fast ein Drittel. Nur etwas weniger stark ist der Bedarf an Lärche gesunken, nämlich von 5,7 Mio. auf 4,3 Mio. Pflanzen pro Jahr (-25%). Gesteigerte Nachfrage konnte dafür bei Tanne (+55%), Douglasie (+47%) und Stieleiche (+400%) verzeichnet werden, während die übrigen Baumarten relativ stabil geblieben sind.
Abb. 2: Baumarten, bei denen die Versorgung von heimischem Material sehr stark von Saatgutplantagen abhängig ist, sind Weißkiefer, Vogelkirsche und Schwarzerle. Foto: BFW
Probleme bei der Saatgutversorgung
Die Versorgung mit Saatgut wird in der forstlichen Praxis in Österreich nicht unkritisch gesehen. Von den über 4500 zugelassenen Erntebeständen wird nur ein relativ kleiner Teil regelmäßig beerntet und fast die Hälfte entfällt auf Fichtenbestände, während Laubbaumarten unterrepräsentiert sind. Für die Baumarten mit zerstreuter Verbreitung ist dagegen die Anlage von Samenplantagen eine wichtige Maßnahme zu Sicherung der genetischen Ressourcen und Vielfalt. Hier kann durch die Anlage von Samenplantagen eine sehr viel bessere Durchmischung der Erbanlagen erreicht werden, d.h. die Nachkommen weisen hohe genetische Vielfalt auf und können sich durch Selektion besser an verschiedenen Standorte anpassen.
Jahre mit sehr guter Saatgutproduktion werden als Mastjahre bezeichnet und treten je nach Baumart in unterschiedlichen Zeiträumen auf. Obwohl in den letzten zwei Jahrzehnten insgesamt die Zahl der Jahre mit gutem Blütenansatz gestiegen ist, ist die Saatgutqualität bei den meisten Baumarten leicht zurückgegangen. Ursachen für den Rückgang der Qualität sind vermutlich die klimatischen Bedingungen während der Samenreife (mehr Trockenheit, höhere Sommertemperaturen).
Derzeit wird intensiv an einer Klimawandelanpassungsstrategie für die österreichischen Wälder gearbeitet. Die assistierte Migration, d.h. die Einbringung von Herkünften heimischer Baumarten aus weiter entfernten Regionen, wird als eine der wichtigsten Maßnahmen angesehen, um die ökologischen Auswirkungen des Klimawandels auf die heimischen Wälder möglichst gering zu halten. Die gesetzlichen Vorschriften bei der Sammlung von Saatgut sind zu beachten, um die genetische Vielfalt zu erhalten, die für künftige Anpassungsprozesse unerlässlich ist. Während bereits wichtige wissenschaftliche Grundlagen für die Anbaueignung von bestimmten Herkünften zumindest für Mitteleuropa erarbeitet wurden (Projekt SUSTREE), ist die praktische Umsetzung aufgrund nationaler Gesetzgebungen noch nicht ohne Probleme möglich.
Abb. 3: Forstliche Samenplantagen werden in Zukunft als Quelle für hochqualitatives Saatgut an Bedeutung gewinnen. Foto: BFW
Auf österreichischer Ebene wird es künftig nötig sein, die Herkunftsforschung noch weiter zu intensivieren – insbesondere Herkünfte heimischer Baumarten aus Südosteuropa sollten auf ihre künftige Anbaueignung in Österreich untersucht werden. Parallel zu der Auswertung der Wuchsdaten sollte bereits mit der Anlage von entsprechenden Plantagen in Österreich begonnen werden, um für die identifizierten besten Herkünfte die Sicherung der genetischen Ressource sowie die langfristige Versorgungssicherheit mit dem entsprechenden Saatgut sicherzustellen. Entsprechendes gilt auch für „neue“ Baumarten, für die es in Österreich und in Mitteleuropa noch keine langjährigen Anbauerfahrungen gibt, wie etwa Cedrus-Arten, Corylus colurna oder Celtis-Arten.