Seit Beginn der Waldnutzung durch den Menschen hat die Waldverjüngung eine zentrale Bedeutung. Vor dem Hintergrund des Klimawandels stellen sich nun noch neue Herausforderungen - besonders da, wo die bisher gewachsenen Baumarten die erwarteten klimatischen Veränderungen voraussichtlich nicht vertragen werden, wenn die genetische Vielfalt gering ist oder Bestände starke Waldschäden aufweisen. Die Direktsaat stellt in diesen Fällen möglicherweise eine interessante Alternative zur Pflanzung oder eine Ergänzung zur Naturverjüngung dar, um in kurzer Zeit eine effiziente und kostengünstige Waldverjüngung herbeizuführen und dabei sämtliche Funktionen des Waldes zu bewahren.
Direktsaat gestern ....... und heute?
Die Technik der Direktsaat war bis Mitte des 18. Jahrhunderts weit verbreitet. Mit dem Aufkommen der Baumschulen wurde sie nach und nach durch Pflanzungen ersetzt und ist – zumindest für grossflächige Anwendungen – heute in der Schweiz praktisch verschwunden.
Eine im Jahr 2020 vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) bei den Forstdiensten durchgeführte Erhebung zeigt indessen, dass in den letzten Jahren schweizweit mehrere Dutzend Versuche durchgeführt wurden und das Interesse an dieser Technik in jüngerer Vergangenheit gestiegen ist. 23% der Antwortenden (233 eingegangene Antworten) haben die Direktsaat schon mit einer oder mehreren Baumarten getestet.
Vielzahl von Initiativen
An folgenden Orten wurden Versuche vorgenommen: in der Westschweiz in den Kantonen Freiburg, Genf, Jura und Waadt (13 Fälle), in der Deutschschweiz in den Kantonen Aargau, Bern, Basel-Landschaft, Graubünden, Luzern, St. Gallen, Solothurn, Thurgau und Zürich (34 Fälle) sowie im Tessin (6 Fälle).
In 42% der Fälle wurde die Direktsaat zur Wiederaufforstung nach einem Räumungshieb, in 36% zur Bereicherung der Bestandeszusammensetzung, in 22% zur Initiierung der Verjüngung nach Durchforstung und in 2% zur Aufforstung nach einem Waldbrand durchgeführt (Abb. 2-7; weitere Informationen zu den Versuchen entnehmen Sie bitte dem Originalartikel).
Die meisten Versuche wurden mit Eiche durchgeführt (46%; Abb. 2-4). Die übrigen getesteten Baumarten waren: Nussbaum (14%; s. Abb. 5-7), Fichte (7%), Weisstanne (6%), Buche und Lärche (4%), Birke, Vogelbeere (3%), Arve, Douglasie, Schwarz-Erle, Kirsche und Kastanie (1%).
Abb. 5 - Direktaussaat von Schwarznuss in der GemeindeKaisten (AG).
Abb. 6 - Direktaussaat von Nussbaum. Foto: J. Boss
Abb. 7 - Direktaussaat von Nussbaum mit Schutz. Foto: J. Boss
In 69% der Fälle fielen die Ergebnisse zufriedenstellend bis sehr gut aus (Abb. 8), besonders für Eiche, Nussbaum und Kastanie. 31% der Fälle führten zu schlechten bis mittelmässigen Resultaten, besonders für Weisstanne, Fichte, Arve, Buche und Vogelbeere. Allerdings wurden auch für Eiche einige Misserfolge gemeldet.
Direktsaattechniken
In den meisten durchgeführten Versuchen wurden die Samen in der näheren Region mit ähnlichen Standortbedingungen geerntet. Eine Ausnahme: In Glovelier (JU) wurden Eicheln auf 500 m Höhe gesammelt und in Les Genevez (JU) auf ca. 1100 m Höhe angesät – mit Erfolg. In einigen wenigen Fällen wurden die Samen in privaten oder kantonalen Baumschulen oder bei der WSL gekauft. Wer sich für diese Option entscheidet, muss jedoch die Verordnung über forstliches Vermehrungsgut (SR 921.552.1) beachten. Mastjahre bieten logischerweise die günstigsten Voraussetzungen für eine gute Samenernte.
Die im Herbst geernteten Samen wurden in der Regel ohne Vorbehandlung unmittelbar nach der Ernte gepflanzt. In einigen Fällen wurden die Samen stratifiziert.
In 48% der Fälle wurden die Böden entweder durch anlegen von Rillen oder durch manuelle oder maschinelle Schürfung vorbereitet. Die Samen wurden durch Breitsaat ausgestreut oder von Hand in die Rillen oder Löcher mit einem Abstand von 0,2 bis 2 m ausgelegt. Über 80% der Direktsaat wurden von Hand ausgebracht. Bisweilen wurden die Samen mit einer dünnen Erdschicht bedeckt. In zwei Fällen kamen Maschinen (landwirtschaftliche Hydranten) zum Einsatz. In 42% der Fälle wurden Massnahmen zum Schutz vor Wildverbiss getroffen: entweder durch die Einzäunung der Parzelle (16 Fälle) oder in Form von individuellen Schutzhüllen (10 Fälle). Der Unterhalt der per Direktsaat verjüngten Flächen wurde als relativ intensiv bezeichnet; generell mussten in den ersten Jahren zweimal jährlich Gras und Brombeeren gemäht werden.
In der Fachliteratur werden weitere, originellere Methoden erwähnt, z.B. die Schneesaat (Frankreich), das Ausstreuen durch Waldtiere (s. Kasten) oder durch mit leichten Umhängetaschen ausgestattete Haushunde, die den Samen beim Rennen über die Saatfläche ausstreuen (Chile).
Direktsaat: Tiere als Eichenpflanzer
Um im Winter zu überleben, legen sich manche Tierarten wie Mäuse, Häher, Kleiber oder Eichhörnchen Essensvorräte an, wobei sie Samen transportieren. So tragen sie aktiv zur Pflanzung und Verbreitung von Baumarten bei. Eichelhäher ernähren sich z.B. von allem von Pflanzen. Ein Häher verzehrt pro Winter bis zu 5000 Eicheln. Die flinken Rabenvögel sind in der Lage, Eicheln zu sortieren und im Schutz der Bäume zu vergraben.
Das natürliche Potenzial der aktiven Ausstreuung von Saatgut durch Tiere ist tatsächlich vorhanden, aber sehr zufallsabhängig. Eicheln können bis zu 600 m weit transportiert werden. Sogar "Langstrecken" von bis zu 1,5 km wurden schon nachgewiesen. Wen man in einen Baumbestand Eicheln bereitstellt, kann man den in der Schweiz weit verbreiteten Häher anlocken.Die Technik sieht wie folgt aus:
- Pro Hektare 4 bis 5 Holzkisten (z.B. Obstkisten oder Kisten von 50x50x10 cm) auf einen ca. 1 m hohen Pfosten montieren.
- Die Kisten einmal pro Woche mit Eicheln füllen. Bei jedem Kontrollgang die von Insekten oder Pilzen befallenen Eicheln entfernen.
Ob die Aussaat durch die Häher tatsächlich gelingt, ist unsicher, doch die Methode kann auch dazu dienen, den Wald mit Eichen zu bereichern. Die Erfolgsrate steigt, wenn das Experiment über mehrere Jahre wiederholt wird.
Schlussfolgerung
In der Schweizer Waldwirtschaft konzentrieren sich die Anstrengungen seit mehreren Jahrzehnten auf die Naturverjüngung der Wälder. Die Technik der Direktsaat ist zwar nicht sehr verbreitet, aber immer noch Teil der Verjüngungspraktiken. Obwohl Versuche nur in marginalem Umfang durchgeführt wurden, sind sie im Blick auf die notwendige Diversifizierung der Techniken aufschlussreich. Dies wegen der Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Klimawandel und den grossen Auswirkungen auf trockenheitssensitiven Baumarten. Baumarten mit schweren, einfach zu erntenden Samen (Kastanie, Eiche, Nussbaum) und mit höherer Keimrate als leichte Samen sind als Ergänzung zur Naturverjüngung oder zum raschen Aufforsten von beschädigten Flächen (Stürme, Waldbrände usw.) bestimmt von grösserem Interesse. Dies vor allem für die Diversifizierung der Bestandeszusammensetzung (Einführung von neuen Baumarten, genetische Bereicherung).
Allerdings ist auch die Direktsaat nicht gegen Fehlschläge gefeit. Die Studie führt die Misserfolge auf folgende Ursachen zurück: für die Baumarten ungeeignete Standortwahl, für die Keimung ungünstige Witterungsverhältnisse bei der Aussaat (Trockenheit, Nässe und folglich Saatgutkrankheiten, Frost), fehlerhafte Aussaatmethoden (kein Kontakt mit Mineralboden, Saat, zu tief oder nicht genug übererdet usw.), üppige Grasvegetation, starke Konkurrenz durch Begleitbaumarten oder auch Tierfrass (Eicheln). Trotz diesen Schwierigkeiten kann die Direktsaat eine sinnvolle, kostengünstige Ergänzung oder eine geeignete Alternative zur Pflanzung darstellen.
Zudem betonen einige Försterinnen und Förster, die mit der Technik experimentiert haben, dass sich die Praxis der Direktsaat ausgezeichnet als Gegenstand von Umweltbildungsprojekten eignet, die auf mehrere Jahreszeiten ausgelegt sind – mit dem Ernten, dem Ausstreuen der Samen und der Keimungskontrolle.
Anpassungsfähigkeit | Die Direktsaat bietet die beste Garantie für die Stabilität der Pflanze und die Ausbildung eines an die lokalen Verhältnisse (Bodenart, Nässe, Nährstoffe, Topografie) angepassten Wurzelwerks. Die Direktsaat entspricht dem natürlichen Ablauf am besten. Keine Defekte durch das Wachstum in Töpfen und die Verpflanzung (Wurzeldeformation oder -schädigung, Risiko von durch Pilze wie Phytophthora verursachten Pflanzenkrankheiten). Kein «Bias» durch die phänologische Anpassung in der Baumschule (künstlich ideale Wachstumsbedingungen) und die Pflanzung unter natürlichen Bedingungen; kein Verpflanzungsschock. |
Waldwirtschaft | Kostengünstige Möglichkeit, um Reinbestände in Mischbestände umzuwandeln. Beschleunigt die Verbreitung von schwersamigen Baumarten. Ermöglicht die Einführung von Baumarten mit dürrebeständigen Provenienzen oder von neuen Baumarten. Die Saatguternte kann so durchgeführt werden, dass eine breite genetische Vielfalt gewährleistet ist; dies verbessert die potenzielle Resilienz der Jungbäume gegenüber dem Klimawandel. Im Fall der Breitsaat garantiert die grosse Menge an Stängeln die Ausbildung von Seitenästen und eine bessere Holzqualität. Zudem kann so (besonders in Gebirgswäldern) die Naturverjüngung gefördert werden. Die Direktsaat trägt auch dazu bei, die Verjüngung nach einem Waldbrand zu beschleunigen. Zudem bietet sie eine rationelle und naturnahe Möglichkeit, um den Wald z. B. nach Sturmschäden zu restaurieren und wiederherzustellen. Die Direktsaat ermöglicht es, bei umfangreichen Schäden unabhängig vom Pflanzenangebot aus der Baumschule rasch zu reagieren. |
Kosten | Die Ernte und die Lagerung von schwerem Saatgut verursachen nur geringe Kosten. Wenn die Aussaat unmittelbar nach der Ernte erfolgt, fallen gar keine Lagerkosten an. Die Kosten sind niedriger als beim Anpflanzen, wobei der Unterschied durch die Unterhaltskosten ganz oder teilweise aufgehoben werden kann. |
Umweltbildung | Die Direktsaat bietet auch eine Chance, um Umweltbildungsprojekte mit Schulklassen durchzuführen. |
Weitere Informationen und sowie Literaturhinweise finden sich in der Originalpublikation.