Gegenwärtig beträgt der Anteil der Fichte an der deutschen Waldfläche 28, in Bayern sogar 44 Prozent. Das entspricht einer Menge von über einer Million Hektar Waldfläche allein in Bayern. Das natürliche Verbreitungsgebiet der Fichte beschränkt sich faktisch auf eine viel kleinere Fläche.
Vormarsch in der "Kleinen Eiszeit"
Nach einem mittelalterlichen Wärmeoptimum sanken zwischen 1300 und 1400 die Temperaturen deutlich ab. Die folgenden 500 Jahre waren immer wieder von lang andauernden, sehr kalten Wintern und niederschlagsreichen, kühlen Sommern geprägt. Der Höhepunkt lag im 15. Jahrhundert, in dem sogar die Ostsee zweimal zufror. Dieser Zeitraum wird als "Kleine Eiszeit" bezeichnet. Für das Gedeihen einer an kühle Klimate (borealer Nadelwald, Hochgebirge) angepassten Baumart war diese Periode förderlich, und somit eine Vorbedingung für das Vordringen der Fichte.
Des weiteren wurde die im 18. Jahrhundert beginnende Ausweitung des Areals der Fichte anthropogen unterstützt. In einer ersten Welle hat der Mensch die Ausbreitung der Fichte nur indirekt gefördert. Der Wald wurde anders behandelt und übernutzt. Dadurch war es hell geworden in deutschen Wäldern. Die Böden lagen bloß und devastiert da. Aufgrund dieser Faktoren konnte die Fichte in die ursprünglich fast reinen Laubwaldgebiete eindringen. Schließlich folgte ihr planmäßiger Anbau durch Saat und später auch durch Pflanzung. Der Anbau des "Brotbaumes" Fichte setzte seinen Siegeszug bis in die jüngste Vergangenheit fort. Dabei ging man oft bis an die Grenzen des Vertretbaren, was sich nun in der Phase der Erwärmung als nachteilig erweist.
Der Fichte wird´s zu heiß
Der Trend zeigt: auf die Phase der "Kleinen Eiszeit" folgt ein Jahrhundert der Erwärmung. Nahezu einhellig sagen die Experten bis zum Ende des Jahrhunderts einen fortgesetzten Anstieg der globalen Mitteltemperatur um mindestens 1,5°C vorher. In Deutschland hatten sich die durchschnittlichen Temperaturen bereits in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zum Rand der Klimahülle hin entwickelt (Abb. 2). Mit der Klimaerwärmung ist der Anteil der Flächen, die außerhalb der Klimabereichs der Fichte liegen, gestiegen. Fichtenbestände in diesen Regionen zeigen seitdem ein erhöhtes Anbaurisiko. Da die durchschnittliche Temperatur weiterhin ansteigen wird, werden noch größere Teile des Bundesgebiets aus dem Klimabereich der Fichte fallen.
Das alles bedeutet jedoch nicht das absolute Aus der Fichte in deutschen Wäldern. Als (zeitweise) Beimischung zu risikoarmen Baumarten kann die Fichte in bemessenem Umfang auf den geeigneteren Standorten weiterhin angebaut werden. Beim vorzeitigen Ausfall der Fichte sind dann immer noch genügend andere stabile Bestandsglieder vorhanden, um das Weiterbestehen des Bestandes zu sichern.
Unangenehm aber wahr
Bereits in den letzten 30 bis 40 Jahren bemühte man sich, Fichtenreinbestände mit Laubholz anzureichern. Motiv war allerdings nicht die Anpassung an den Klimawandel. Im Vordergrund standen Ziele wie eine allgemeine ökologische Stabilisierung und eine ökonomische Risikostreuung. Der Erfolg dieser Bemühungen war eher gering. Die Fichtenflächen in Bayern blieben laut den Forsterhebungen seit 1900 fast konstant bei einer Million Hektar. Vor dem Hintergrund des Klimawandels und des deutlich erhöhten Anbaurisikos der Fichte ist eine Beschleunigung des Waldumbaus dringend erforderlich.
Künftig sollte man bei keiner Baumart mehr, nicht nur bei der Fichte, die Standortstoleranz bis zum äußersten beanspruchen. Je näher man der Grenzlinie der Klimahülle kommt, desto eher kann man bereits bei kleinen Veränderungen aus der Hülle herausrutschen. Konstante Umweltbedingungen bei Umtriebszeiten von mehr als 80 Jahren vorauszusetzen grenzt heute an Utopie. Ein neuer Grundsatz bei der Baumartenwahl könnte daher lauten: im Zweifelsfalle nein!