Geprüftes Saatgut reduziert finanzielle Schäden beim Weihnachtsbaumanbau
Die Verwendung ungeeigneter Herkünfte der Nordmanntanne kann Produzenten von Weihnachtsbäumen erhebliche finanzielle Schäden verursachen, da es oftmals mehrere Jahre dauert, bis Qualitätsmängel zu erkennen sind. Der genetische Fingerabdruck - genommen von Samen oder Knospen - kann dieses Risiko schon frühzeitig reduzieren. Dabei werden die Proben mit hoher Sicherheit ihrem Ursprungsort zugeordnet. Als Ursprungsort ist hier aber nicht ein einzelnes Herkunftsgebiet, sondern ein größeres Areal wie z.B. der Russische Kaukasus, der Große oder der Kleine Kaukasus in Georgien oder das Pontische Gebirge in der Türkei gemeint.
Vitalität und Qualität von Nordmanntannen, die für den Anbau von Weihnachtsbäumen vorgesehen sind, sind in erster Linie eine Provenienzfrage. Die Herkunft des verwendeten Saatgutes entscheidet maßgeblich über den Erfolg des Anbaues. Dies ergaben umfangreiche Untersuchungen verschiedener Herkünfte aus dem Russischen und Georgischen Kaukasus sowie dem Pontischen Gebirge. Erst an zweiter Stelle stehen die Kulturmaßnahmen des Anbauers, wie z. B. Standortwahl, Pflege-, Düngungs- oder Pflanzenschutzmaßnahmen. Aber leider ist eine ungeeignete Herkunft für den vorgesehenen Anbaustandort oft erst nach einigen Jahren zu erkennen.
Der genetische Fingerabdruck
Die natürlichen Herkunftsgebiete der Nordmanntanne erstrecken sich vom nordwestlichen Teil des Russischen Kaukasus über den Großen und Kleinen Kaukasus Georgiens und ziehen sich bis zum Pontischen Gebirge in der Türkei. Von den zahlreichen Herkünften eignet sich jedoch nur ein Teil für den Anbau von Weihnachtsbäumen und nicht immer stehen aus den eingegrenzten Gebieten ausreichende Mengen an Saatgut zur Verfügung. Damit hatten Billiganbieter oftmals gute Chancen, minderwertiges Saatgut zu verkaufen. Aus diesem Anlass initiierten das Gartenbauzentrum Münster-Wolbeck / Essen gemeinsam mit der Firma Plusbaum in Nagold biochemisch-genetische Analysen, die seit Jahren in Kooperation mit der Forstgenetik (ISOGEN) in Göttingen durchgeführt werden.
Bei der Herkunftszuordnung der Nordmanntanne wird eine ähnliche Methode verwendet wie bei der Identifikation von Kriminellen: der genetische Fingerabdruck. Bei der Nordmanntanne werden genetische Fingerabdrücke von Enzymen des Primärstoffwechsels genutzt. Mit Hilfe dieser biochemisch-genetischen Methode kann man prinzipiell Baumarten, Rassen, Herkünfte, einzelne Klone und Hybriden aus Samenplantagen voneinander unterscheiden. Detaillierte Beschreibungen dieser Zusammenhänge finden sich in der einschlägigen Literatur.
Referenzdaten für Herkunftstest
Entscheidend für einen sicheren Herkunftstest ist neben der generellen Unterscheidungsmöglichkeit der Provenienzen absolut gesichertes Referenzmaterial aus Beständen der verschiedenen Regionen. Daher ernteten deutsche Spezialisten Referenzproben im gesamten natürlichen Verbreitungsgebiet der Nordmannstanne. Die Nordmannstanne eignet sich auf Grund der Charakteristika ihres natürlichen Verbreitungsgebietes gut für derartige Untersuchungen. Da es sich um teilweise isolierte Populationen handelt, die unter verschiedenen Umweltbedingungen wachsen, prägten sich hier typische genetische Muster aus.
Die Analyse mit bestimmten Genmarkern ergab eine deutliche Differenzierung der untersuchten Herkünfte und ihre Verteilung in vier große Wuchsgebiete (Abb. 2).
Die Herkünfte aus dem nordwestlichen Kaukasus Russlands, Apsheronsk und Tsemtsugi, bilden eine deutlich getrennte Gruppe. Auch die Herkünfte aus dem Pontischen Gebirge unterscheiden sich stark von den übrigen Gruppen. Etwas geringer fallen die Unterschiede zwischen dem Großen und Kleinen Kaukasus aus, die Unterschiede der kaukasischen Herkünfte zu russischen oder türkischen Herkünften sind ausgeprägt.
Prüfung von Saatgut unbekannter Herkunft
In den letzten Jahren konnten verschiedene Saatgutproben auf ihre Herkunft überprüft und zertifiziert werden. Dies geschah mit Hilfe des Vergleichs der genetischen Strukturen des fraglichen Saatgutes mit den genetischen Strukturen der Referenzproben (Abb. 2). Die Saatgutprobe unbekannter Herkunft weist einen geringen Abstand zu den Herkünften aus Nicordsminda in der Ambrolauri-Region (Großer Kaukasus) auf und unterscheidet sich deutlich von den übrigen. In diesem Fall kann auf gute Ergebnisse bei der Verwendung des Saatgutes im Weihnachtsbaumanbau vertraut werden, da Saatgut insbesondere aus einigen Regionen um Ambrolauri-Tlugi nach neuesten Herkunftsversuchen qualitativ gute Weihnachtsbäume hervorbringt.
Untersuchung potenzieller Erntebestände
Anfragen von Produzenten, die Saatgut aus heimischen Beständen gewinnen wollen, wurden erfolgreich beantwortet. Diese meist noch jungen Bestände waren aus Anpflanzungen unbekannter Herkunft entstanden oder aber aus durchgewachsenen Weihnachtsbaumkulturen. Gerade im letzteren Fall ist anzunehmen, daß die eher ungeeigneten Bäume damals nicht verkauft werden konnten und daher auf der Fläche verblieben. Es besteht also in zweierlei Hinsicht ein Risiko, Saatgut aus diesen Beständen zu gewinnen. Die Genanalysen eines potenziellen Erntebestandes in Rheinland-Pfalz ergaben, dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um Material aus dem Ambrolauri-Gebiet handelte. Daher ist es für den Besitzer in jedem Falle sinnvoll, den Bestand zunächst zu beernten und die Nachkommen auf ihre Eignung auf eigenen Anbaustandorten zu überprüfen. Erst bei erfolgreicher Produktion sollte dieses Saatgut auch in den Handel gelangen.
In einem anderen Fall zeigten die Untersuchungen von Saatgut eines potenziellen Erntebestandes ebenfalls einen Ursprung aus dem Ambrolauri-Gebiet. Leider wurden auch Gene von Weißtannen im Saatgut gefunden. Hierfür kann Polleneintrag aus benachbarten Weißtannenbeständen oder aber das Vorhandensein von Weißtannen in Mischung mit den Nordmanntannen verantwortlich sein. Es ist anzunehmen, dass Hybriden von Weiß- und Nordmanntanne den strengen Anforderungen der Anbauer nicht genügen. Daher muss zunächst von der Beerntung des betreffenden Bestandes abgeraten werden.
Samenplantagen für zertifiziertes Saatgut
Die Gewinnung von Saatgut über Samenplantagen der Nordmanntanne ist auf Grund der schwierigen Beschaffung des Saatgutes im Kaukasus eine sinnvolle Investition. Die hohen Kosten für die Anlage von Plantagen rechtfertigen in jedem Fall eine genetische Herkunftsidentifizierung noch vor deren Anlage. Die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein und die Arbeitsgemeinschaft niederösterreichischer Christbaumproduzenten haben mit dem Aufbau von Samenplantagen begonnen, um in Zukunft Saatgut mit gesicherter Herkunft anbieten zu können.
Dr. Bernhard Hosius, Dr. Ludger Leinemann und Dr. Fritz Bergmann arbeiten als Forstgenetiker und Forstpflanzenzüchter bei ISOGEN in Göttingen.
E-mail: Bernhard.Hosius@ISOGEN.de
Prof. Dr. Jürgen Matschke war Leiter des Versuchszentrums des Gartenbauzentrums Westfalen-Lippe.