In Zusammenarbeit mit europäischen Forschungspartnern untersuchten Wissenschafter der Eidg. Forschungsanstalt WSL, wer von wem bestäubt wird und wie weit der Wind die Pollen überträgt. Zusätzlich testeten die Forscher eine neue Methode, mit der sie einzelne Bäume mit Hilfe des genetischen Fingerabdrucks einer bestimmten Eichenart zuordnen können. Damit liesse sich die Artzugehörigkeit auch bei Saatgut oder sogar Holz bestimmen. Die ersten Resultate sehen viel versprechend aus.

Wer schon einmal versucht hat, anhand der Blattmerkmale eine hiesige Eiche zu bestimmen, dem ist es wohl wie vielen anderen ergangen: Über die Artzugehörigkeit des Untersuchungsgegenstands sind Zweifel aufgekommen. Zwar weisen vielleicht die Blattöhrchen klar auf eine Stieleiche hin, doch der Blattstiel ist etwas gar lang. Und ist nicht noch etwas Behaarung auf der Blattunterseite erkennbar, was auf eine Traubeneiche schliessen liesse? Beim nächsten Blatt desselben Triebes sieht es schon wieder etwas anders aus... Und wieso sind die Fruchtstiele nun doch länger als erwartet?

Verschiedene Ursachen lassen sich für diese Schwierigkeiten finden, die sich grob in "genetisch" und "umweltbedingt" gruppieren lassen. Und damit die Sache nicht zu einfach wird, übt das Wechselspiel zwischen den genetischen Eigenschaften eines Individuums (Genotyp) und der Umwelt zusätzlichen Einfluss auf die äussere Erscheinung (Phänotyp) eines Individuums oder eines einzelnen Blattes aus. Dies ist schon daran zu erkennen, dass sich sonnenexponierte Blätter markant von Schattenblättern unterscheiden, und junge Seitentriebe tragen deutlich andere Blattformen als diejenigen an älteren Haupttrieben.

Zwischen Evolutionsforschung und Forstpraxis

Schon lange dienen Eichen als Modellorganismen der Evolutionsforschung. Dabei lag und liegt das Hauptaugenmerk seit Darwin hauptsächlich auf Prozessen und daraus resultierenden Mustern, welche im Zusammenhang mit der möglichen Hybridisierung zwischen verschiedenen Eichenarten auftreten.

Weil Eichen ökonomisch wichtig sind, zeigt auch die Forstpraxis grosses Interesse an der Charakterisierung dieser Baumarten. Es wird in erster Linie befürchtet, dass Eichen, welche aus Kreuzungen zweier Arten hervor gehen, weniger fit sind als diejenigen der einzelnen Arten, d.h. geringeres Wachstum, schlechtere Holzqualität und/oder verminderten Fortpflanzungserfolg aufweisen. Deshalb wird bei der Auswahl von Samenernte-Beständen nicht nur auf qualitative Kriterien geachtet, z.B. die Wuchsform der Bäume, sondern auch versucht, Hybridisierung möglichst ausschliessen zu können. Entsprechend werden vielerorts möglichst artreine Bestände für die Samenernte ausgeschieden. Solche Einschränkungen werden lokal, d.h. auf Bestandsebene, angewendet. Der durch Wind ausgebreitete Pollen von Eichen kümmert sich jedoch nicht um derlei Grenzziehungen. Sollte also der Hybridisierung eine relevante Bedeutung in der Fortpflanzung von Eichen zukommen, so müssten Samenernte-Bestände vor weit fliegenden "fremden" Pollen geschützt werden. Oder anders formuliert: Nicht lokale, sondern regionale Kriterien müssten in die Auswahl solcher Bestände mit einbezogen werden.

Bisherige Untersuchungen erlaubten noch keine abschliessende Beurteilung, ob Hybridisierung bei Eichen eine derart grosse Bedeutung hat und allfällig auftretende Hybriden tatsächlich eine reduzierte Fitness aufweisen. Diesen Fragen ging ein Team der WSL-Abteilung Genetische Ökologie am Beispiel von zwei in der Schweiz heimischen Eichenarten nach. Mit Hilfe molekular-genetischer Methoden wurde einerseits untersucht, über welche Distanzen Pollen von Stieleichen (Quercus robur) und Traubeneichen (Quercus petraea) erfolgreich ausgebreitet wird, d.h. zur Befruchtung und Samenbildung führt. Weiter interessierte uns, wie hoch der Anteil Pollen ist, der von ausserhalb eines Bestands eingebracht wird, und wie gross der Prozentsatz von Befruchtungen zwischen den beiden Arten ist.

Ein zweiter, eng verknüpfter Fragenkomplex betrifft die morphologische und genetische Unterscheidung der Arten. Bisher wurden keine artspezifischen Blattmerkmale gefunden, die alleine eine eindeutige Bestimmung erlauben. Erst die Kombination mehrerer morphologischer Merkmale, unter Berücksichtigung der oben angesprochenen individuellen Variation, gilt als verlässlich. Da das Namen gebende Merkmal - die Länge des Fruchtstiels (lang bei Stieleiche, kurz bei Traubeneiche) - nur bei fertilen Bäumen angewendet werden kann, eignet es sich nur beschränkt für die Bestimmung. Deshalb suchten wir nach Möglichkeiten, auf lokaler und regionaler Skala Individuen aufgrund ihres genetischen Fingerabdrucks einer bestimmten Art zuordnen zu können. Die Anwendung dieser genetischen Marker könnte es ermöglichen, auch Saatgut oder Holz auf die jeweilige Artzugehörigkeit zu überprüfen.

Genetischer Fingerabdruck

Jedes Individuum kann – ähnlich wie beim menschlichen Fingerabdruck – mit geeigneten genetischen Markern eindeutig identifiziert werden. Ein derartiger genetischer Fingerabdruck besteht aus mehreren, ganz bestimmten Ausschnitten des Erbguts DNA, z.B. so genannten Mikrosatelliten. Jeder dieser Mikrosatelliten kommt in vielen verschiedenen Varianten vor. Werden für jedes Individuum, sei es Mensch oder Baum, die jeweiligen Varianten solcher Mikrosatelliten genau bestimmt, so entsteht ein spezifisches, individuelles Muster. Diese Muster erlauben nicht nur die eindeutige Identifizierung von Individuen, sondern es können auch detaillierte Verwandtschaftsbeziehungen entschlüsselt werden.

Vaterschaftsanalyse im Eichenwald

Pollenausbreitung und Hybridisierung untersuchten wir in einem Mischbestand in Büren a.A. (Kanton Bern). Wir sammelten Eicheln von einzelnen Bäumen, so dass die Mütter dieser Nachkommen bekannt waren. Gleich wie bei einem Vaterschaftstest bei Menschen erfassten wir den genetischen Fingerabdruck dieser Eicheln, der jeweiligen Mutter und aller andern Eichen im Bestand, die aus nahe liegenden Gründen (im wörtlichen Sinn) als Väter in Frage kommen. Auf einer Fläche von ca. 9 ha waren dies über 400 Bäume. Mit einem statistischen Ausschlussverfahren, das auf einfacher Kombinatorik beruht, liessen sich im Idealfall alle ausser einem Baum als Väter ausschliessen. Wir wussten nun, von wem der Pollen stammt, der zur Bildung einer bestimmten Eichel geführt hat. Es kam jedoch vor, dass wir in gewissen Fällen zu wenige genetische Merkmale untersucht hatten und deshalb mehr als nur ein Baum der Vater sein konnte. Umgekehrt fanden wir in ca. 30% der Fälle keinen Baum im Bestand, der als Vater in Frage kam (Abb. 3). Dies bedeutet, dass der entsprechende Pollen von ausserhalb des untersuchten Bestands eingetragen wurde.

Innerhalb des Bestands beobachteten wir mit zunehmender Distanz zum Mutterbaum eine charakteristische Abnahme der Häufigkeit eindeutig identifizierter, erfolgreicher Pollen (Abb. 3). Die erste Distanzklasse ("0" in Abb. 3) repräsentiert Selbstbefruchtungen, welche immerhin 4% ausmachten. Auf der anderen Seite der Skala sticht der lokale Rekordhalter hervor: Dieses Pollenkorn überwand 345 m. Von wo und wie weit her die externen Pollen mit dem Wind eingeflogen sind, lässt sich nicht feststellen, da wir nur die möglichen Väter innerhalb des Untersuchungsbestands von ca. 9 ha bestimmt hatten. Dass sich unter diesen "Eindringlingen" auch weit Gereiste befinden, ist anzunehmen. So können also Eichenbestände dank des vom Winde verwehten Pollens genetisch im Austausch miteinander stehen, obwohl sie scheinbar weit entfernt stehen.

Blattmorphologie und genetischer Fingerabdruck harmonieren gut

Damit wir beurteilen konnten, zu welcher Art die Eichen im Bürener Bestand gehören und wie gross der Anteil an Hybriden bzw. gekreuzten Eicheln einzuschätzen sei, erfassten wir ausser dem genetischen Fingerabdruck auch die Blattmorphologie jedes Baumes. So konnten wir aufgrund von zwei unabhängigen Datensätzen eine Artzuordnung vornehmen. Eher unerwartet fanden wir eine sehr grosse Übereinstimmung zwischen genetischer (Abb. 4) und morphologischer Artbestimmung.

Diejenigen Bäume, welche aufgrund ihrer Blattmorphologie als nicht eindeutig bestimmt galten ("unklassiert" in Abb. 4) und somit möglicherweise Hybriden waren, konnten wir dank der genetischen Merkmale entweder als zur Stiel- bzw. zur Traubeneiche gehörig identifizieren. Zu unserer Überraschung zeigte sich, dass diese morphologisch "unklassierten" Bäume mit ganz wenigen Ausnahmen ihrer genetischen Einordnung entsprechend als Pollenspender aufgetreten sind. Anders gesagt: Ein "unklassierter" Baum, der genetisch der Traubeneiche nahe stand, bestäubte Traubeneichen-Mütter, und umgekehrt waren die der Stieleiche zugehörigen "Unklassierten" bei Stieleichen-Müttern erfolgreiche Bestäuber. Dennoch gab es Kreuzungen zwischen Stiel- und Traubeneichen.

Insgesamt erfassten wir rund 10% der genetisch untersuchten Eicheln als Kreuzungen zwischen Stiel- und Traubeneichen, und zwar fast ausschliesslich in der Kombination Traubeneichen-Mutter mit Stieleichen-Vater. Den Anteil an ausgewachsenen Hybridbäumen im Bestand stufen wir hingegen als sehr gering ein - falls überhaupt Hybriden vorhanden sind. Eine abschliessende Beurteilung lässt unsere Untersuchung jedoch nicht zu.

Unsere Resultate legen den Schluss nahe, dass die aus Kreuzbestäubungen hervorgehenden Eicheln mit der Zeit durch natürliche Selektion eliminiert werden. Wir vermuten, dass Hybrid-Samen weniger gut keimen und als Jungbäume gegenüber ihren "reinen" Altersgenossen schlechter wachsen, weil sie nicht so gut an die entsprechenden Standortverhältnisse angepasst sind. Ob dies tatsächlich so ist, müsste nun experimentell überprüft werden. In Zusammenarbeit mit europäischen Forschungsteams laufen gegenwärtig entsprechende Versuche, um die Fitness von jungen Hybrid-Eichen mit derjenigen von jungen artreinen Eichen zu vergleichen.

Genetischer Fingerabdruck hilft bei der Eichenbestimmung

Wie oben ausgeführt, lässt sich zumindest lokal eine gute Übereinstimmung zwischen morphologischen und genetischen Merkmalen finden. In einem nächsten Schritt untersuchten wir, ob dies auch regional so ist, d.h. eine genetische Bestimmung von Eichen dank genetischer Methoden auch über ein grösseres Gebiet und nicht nur für Einzelbestände möglich ist. Dazu bestimmten wir den genetischen Fingerabdruck von jeweils 32 Eichen aus zehn Beständen (Abb. 5).

Neben dem gemischten Stiel-/Traubeneichen-Bestand von Büren a.A. berücksichtigten wir weitere Bestände dieser beiden Arten sowie solche der Flaumeiche (Q. pubescens). Unabhängig von der vorhergehenden Artbestimmung (Blattmorphologie) und der Herkunft teilten wir die Bäume aufgrund ihrer Genotypen in drei Gruppen auf - Stiel-, Trauben-, und Flaumeichen. Um die Einteilung anhand der Bürener Eichen zu überprüfen, fassten wir sämtliche genetisch als Stiel- bzw. Traubeneichen identifizierten Individuen zu je einer "Gruppe" zusammen, wobei wir die Bürener Bäume vorerst nicht berücksichtigten. Wir nahmen auf die geographische Herkunft der Individuen keine Rücksicht, sondern gruppierten ausschliesslich aufgrund der genetischen Zusammengehörigkeit, bildeten also zwei künstliche, synthetische Genpools. Nun konnten wir die Bürener Individuen diesen beiden Genpools zuordnen - und fanden eine fast hundertprozentige Übereinstimmung mit der vorherigen Arteinteilung (Abb. 6)!

Es scheint also, dass dieser Ansatz für die Artbestimmung zumindest bei Stiel- und Traubeneichen auch regional möglich ist. Die Flaumeiche müsste in dieser Hinsicht noch überprüft werden, dazu fehlen uns aber zurzeit die entsprechenden morphologischen Daten.

Bedeutung für die Forstpraxis

Diese Untersuchungen deuten darauf hin, dass Eichen-Pollen sehr weit in der Landschaft verteilt wird und erfolgreich weibliche Blüten bestäuben kann, auch über die Artgrenze hinweg. Wir nehmen jedoch an, dass Hybriden während des Aufwachsens herausselektioniert werden, so dass sich sogar bei Saatgut aus einem gemischten Bestand die standörtlich am besten angepassten Jungeichen langfristig durchsetzen, und dies dürften weitgehend "artreine" Individuen sein. Wir sind deshalb der Ansicht, dass bei der Saatgut-Ernte weniger die Artreinheit oder Isolation eines Bestands wichtig ist. Vielmehr sollte man darauf achten, Eicheln von vielen Mutterbäumen zu sammeln, um die in einem Bestand vorhandene genetische Vielfalt im Saatgut gut zu repräsentieren. Entsprechend sollten grosse Eichenbestände für die Ernte ausgewählt werden, damit der Einfluss von externen Pollen gering bleibt.

Erfolg versprechend könnte demnach die Strategie sein, Eicheln aus Beständen zu sammeln, die untereinander ein möglichst breites Spektrum an Standorteigenschaften abdecken. Falls keine Naturverjüngung möglich ist, könnte somit bei der Aufforstung eines bestimmten Standorts Saatgut aus demjenigen Samenerntebestand verwendet werden, der ökologisch möglichst ähnlich ist. So lässt sich vermeiden, dass Traubeneichen-Jungpflanzen auf zu feuchten Standorten angepflanzt werden bzw. Stieleichen auf Kuppenlagen unter Trockenheit zu leiden haben. Nach dem Aussäen oder Auspflanzen artreine Eichen aufwachsen zu sehen, sollte dann eine Leichtigkeit sein.

(TR)