Die Monitoringprogramme der Forstlichen Umweltüberwachung wurden Anfang der 1980er Jahre aufgrund der damaligen Waldschadensdiskussion initiiert und beinhalteten zunächst lediglich die Erfassung des Waldzustands. Bereits in den frühen 1990er Jahren zeigte sich, dass die beobachteten Waldschäden nicht nur als Folgen der direkten und indirekten Wirkungen von Säuredepositionen mit dem Regen zu erklären sind. Damals wurde klar, dass neben dem Säureeintrag vor allem die zunehmende Stickstoffsättigung der Waldökosysteme, aber auch das Zusammenwirken von standortsbezogenen Stressfaktoren, biologischen und chemischen Systemeigenschaften die zukünftige Entwicklung zentraler Ökosystemfunktionen bestimmen.

Das ursprüngliche Waldzustandsmonitoring wurde deshalb schon früh um die Komponenten Waldernährung und chemischer Bodenzustand erweitert. Mitte der 1990er Jahre wurden die Intensivmessflächen des Stoffflussmessnetzes angelegt, um dynamische Veränderungen und komplexe Kausalverkettungen unterschiedlicher Umwelteinflüsse in exemplarisch ausge­wählten Fallstudien zu untersuchen. Als abiotische Einflussgrößen werden auf diesen Flächen insbesondere der Stoffeintrag mit dem Regen (Deposition) und die Witterung in hoher zeitlicher Auflösung erfasst. Aber auch Messungen zur Wasser- und Nährstoffversorgung sowie zu Hydratur und Wachstum von Einzelbäumen sind wesentlicher Bestandteil des Messkonzepts. Damit können nicht nur Waldschäden, sondern auch Wachstumsreaktionen der Bäume auf sich ändernde Umwelteinflüsse untersucht und so deren Einfluss auf die Produktivität der Wälder und ihre Kohlenstoff-Speicherleistung bewertet werden. Das Forstliche Umweltmonitoring hat sich so von der Beobachtung äußerlich sichtbarer, einfach messbarer Schadensindikatoren wie Nadel-/Blattverluste zu einem hochtechnisierten Umwelt­messsystem entwickelt.

Struktur und methodische Schwerpunkte des Stofflussmessnetzes

Das Messnetz umfasst in Baden-Württemberg sechs Standorte (Rotenfels, Altensteig, Heidelberg, Esslingen, Ochsenhausen und Conventwald/Freiburg), welche eine Untermenge der 19 Depositionsmessnetzstandorte und der Kronenzustandsdauerbeobachtungsflächen darstellen. An den Messorten wird die Wirkung von atmogenen Stoffeinträgen mit der Deposition auf Transportprozesse in der Bodenlösung untersucht. Die Kombination von Kronenzustandserfassung, Stoffhaushaltsmessungen sowie bodenkundlichen Untersuchungen sollen kausalanalytische Erklärungen der Ökosystementwicklung ermöglichen. Die Messorte repräsentieren unterschiedliche Stoffflusstypen, welche sich durch die Hauptbodenart und Depositionsmerkmale, wie die stoffliche Zusammensetzung und die Belastungsintensität, definieren.

Die Untersuchungsflächen bestehen aus einer Freilandfläche sowie je einer Intensivmessfläche in einem Fichtenbestand und (außer in Rotenfels) in einem Buchenbestand. Die Intensivmessflächen in den Fichten- bzw. Buchenbeständen sind jeweils 0,25 ha groß. Auf ihnen werden der Bestandesniederschlag in drei verschiedenen Überschirmungssituationen, der Stammabfluss (an Buchen), Bodenwasserinformationen (Bodenwassergehalte, Bodenwasserspannungen in drei Tiefenstufen) sowie Boden- und Lufttemperaturen zeitlich hoch aufgelöst gemessen (Abb. 2). Die chemische Zusammensetzung des Bestandesniederschlags, des Stammabflusses, des Bodenwassers und der Bodenluft (unter der organischen Auflage und in 3-5 Mineralbodentiefen) werden an Sammelproben in monatlichen Intervallen analysiert. Der Eintrag mit der Laub-/Nadelstreu wird über 10 Streusammler pro Fläche bestimmt. Die Hydratur und das Dickenwachstum der Bäume auf den Versuchsflächen werden an mehreren Bäumen je Fläche mit registrierenden Dendrometern und an allen anderen Bäumen einmal jährlich mit Umfangsmaßbändern erfasst. An einem Bodenprofil wird alle 10 Jahre der bodenchemische und -physikalische Zustand beurteilt. Zusätzlich zu den genannten intensiveren Messungen wird auf den Flächen regelmäßig die phänologische Entwicklung von Einzelbäumen und des Gesamtbestandes beobachtet. Weiterhin wird jährlich der Kronenzustand beurteilt und der Blattflächenindex bestimmt sowie im zweijährlichen Turnus der Ernährungszustand der Bäume (Nadel-/Blattspiegelwerte) bestimmt. Die Zeitreihe der Nadel-/Blattspiegelwerte essentieller Nährelemente erlaubt einen Einblick über die Entwicklung der Waldernährung und macht eine Prognose möglich, ab wann und unter welchen Faktorenkombinationen (Deposition, Witterung und Bodeneigenschaften) mit Engpässen in der Waldernährung zu rechnen ist, die eine Gegensteuerung, z. B. durch Bodenschutzkalkungen, nötig machen.

Die Freilandmessflächen liegen in der Nähe der Bestandesmessflächen, in ähnlichen Geländesituationen. Auf den Freilandflächen wird die Witterung (Niederschlagsmenge, Lufttemperatur/-feuchte, Globalstrahlung, Windgeschwindigkeit/-richtung) zeitlich hochaufgelöst erfasst. Die Deposition mit dem Niederschlag wird mittels Sammelproben zweiwöchentlich bestimmt. Aussagen zu Luftschadstoffbelastungen (z. B. Ozon) werden periodisch mit Hilfe von Passivsammlern gewonnen.

Der Saure Regen lässt nach

Als hauptsächliche Triebkraft für die Schädigung von Wäldern und ihren ökosyste­maren Funktionen wurden seit Beginn der Waldschadensdiskussion Einträge von Säuren und Stickstoff mit dem Regen identifiziert. Die Depositionsbelastungen, insbesondere die von Schwefeleinträgen dominierte Säurebelastung, sind seit Mitte der 1980er Jahre deutlich zurückgegangen (Abb. 3). Bereits Ulrich (1995) hat, ausgehend von einer einfachen Input-/Outputbilanz, Stoffhaushaltsungleichgewichte beobachtet und gravierende Funktionsverluste infolge einer Bodenversauerung vorhergesagt. Basierend auf diesen Arbeiten wurde das Konzept der Critical Loads und Critical Levels entwickelt und als zentraler Methodenansatz in das EU-Programm zum intensiven Ökosystemmonitoring des ICP-Forests, Level II Programms integriert (Lorenz et al., 2008, Lorenz, 1995). Das bedeutet, dass kritische Schwellenwerte für den Säure- und Stickstoffeintrag identifiziert werden, unterhalb derer Ökosystemfunktionen nicht gravierend beeinträchtigt werden. Das Ziel ist es, die Schadstoffbelastungen bis unter diese Schwellenwerte abzusenken. Die aktuellen Säureeinträge liegen in Baden-Württemberg jetzt überwiegend unterhalb dieser Schwelle, für Stickstoff liegen sie jedoch noch großflächig darüber.

Altlasten wirken fort

An dieser Stelle stellt sich die Frage: ist nun alles in Ordnung, wenn die aktuelle Säurebelastung nicht mehr akut gefährlich für die Funktionen der Waldökosysteme ist? Durch „Sauren Regen“ und durch übermäßigen Stickstoffeintrag haben wir mit unseren Wäldern ungewollt und großflächig ein „Titrations- und Eutrophierungsexperiment“ durchgeführt, welches im Boden eine „Versauerungsaltlast“ hinterlassen hat, deren Abbau auf natürlichem Weg viele Jahrzehnte bis Jahrhunderte benötigen würde (Hildebrand, 1994). Solange die depositionsbedingte Bodenversauerung anhält, bleiben die Funktionen des Waldbodens – die Filterung und Pufferung von Schadstoffen sowie seine Funktion als Wasser- und Nährstoffreservoir für die Versorgung der Waldbäume – weiter eingeschränkt und belastet. In versauerten Böden ist der zu Wasser- und Nährstoffaufnahme befähigte Wurzelraum gegenüber der unbelasteten Situation stärker auf die obersten Bodenschichten beschränkt. Gleichzeitig weitet sich die Versauerung im Unterboden trotz nachlassender Säureeinträge weiter in Richtung Hydrosphäre aus. Am Beispiel der Level II-Fläche Heidelberg (Abb. 4) zeigt sich, dass sich die stark rückläufigen Sulfatdepositionen in einem entsprechenden Rückgang der Sickerwasserkonzentrationen niederschlagen, diese Wirkung aber auf die oberen Tiefen beschränkt ist. In den unteren Bodentiefen wird dort gespeichertes Sulfat weiterhin gelöst und mit dem Bodensickerwasser ausgetragen. Dadurch werden im Unterboden auch weiterhin Basen- und Nährstoffvorräte ausgewaschen. Säuren, aber auch indirekte Wirkungen der Bodenversauerung wie aufgelöste organische Stoffe, werden zunehmend in Grund- und Oberflächenwasser eingetragen und beeinträchtigen dadurch die Trinkwasserqualität.

Der Klimawandel verändert den Stoffhaushalt der Wälder

Veränderte klimatische Bedingungen, wie zunehmende Starkniederschläge oder längere und intensivere Sommertrockenheiten, wirken sich auf Abbau- und Mobilisierungsprozesse im Boden aus und beeinflussen damit direkt die Ernährungssituation der Wälder. Die Verfügbarkeit von Nährstoffen für Pflanzen ist gleichzeitig eng an die Verfügbarkeit von Bodenwasser gekoppelt. Die meteorologischen und bodenphysikalischen Messungen auf den Monitoringflächen ermöglichen eine detaillierte Auswertung der Wasserversorgung. So zeigen die Messungen beispielsweise, dass an allen Messstationen im Jahr 2003 eine hohe Austrocknungsintensität auftrat, die jedoch regional differenziert ausfiel. Entlang von Gewitter-Zugstraßen am Westabfall des Schwarzwaldes (Rotenfels) wurde die Trockenperiode regelmäßig durch hinreichend ergiebige Niederschläge unterbrochen, so dass hier trotz des sandigen Bodens die geringste Trockenheit herrschte. Am Beispiel der Fichten-Fläche im Conventwald sieht man, dass während der Austrocknungsphase um das Jahrhundert-Trockenjahr 2003 die Nitratkonzentration im Bodensickerwasser minimal war, aber in den zwei Jahren danach bis zum Dreifachen des Durchschnittwerts anstieg und erst im dritten Jahr wieder auf das durchschnittliche Konzentrationsniveau zurückkehrte. Die Erklärung hierfür ist, dass im Trockenjahr sowohl Mikroorganismen als auch Feinwurzeln massenhaft abgestorben sind, die während der Wiederbefeuchtung in den Folgejahren mineralisiert wurden, so dass deren Stickstoffgehalt mit dem Sickerwasser ausgetragen wurde.

Die auffällige Häufung von Trockenjahren in den letzten 15 Jahre erhöht das Um­weltrisiko für den Wald nicht nur durch akute Trockenschäden, sondern auch da­durch, dass die Trockenheit eine Zusatzbelastung zu anderen Schadfaktoren, wie z. B. Borkenkäferbefall, Eschentriebsterben oder Belastung durch Schadstoffeinträge, darstellt. Hinsichtlich des Eschentriebsterbens ist die Annahme einer Kumulation der Schadwirkung naheliegend, da beide Faktoren, die pilzlich verursachte Disfunktio­nalität des Wasserleitgewebes im Baum und Wassermangel im Boden, Trockniser­scheinungen verursachen. Wenn in Zukunft mit solchen Trockenjahren im Abstand von 10 bis 12 Jahren zu rechnen ist, wird das für Gesundheit und Produktivität der Wälder eine ernstzunehmende Verschärfung der Risikobelastung darstellen.

Ausblick

Die langjährigen Zeitreihen von Klima, Deposition, Bodenwasser/-luft, Bestandesvitalität und -wachstum, die Kontinuität der Messreihen und die hohe Datenqualität sind ein großer Datenschatz. Davon zeugen vielfältige Anfragen zur Datennutzung, z. B. im Rahmen von wissenschaftlichen Auswertungen an Universitäten, oder die Einbindung unserer Daten in deutschland- und europaweite Monitoringdatenbanken. Momentan wird eine Datenbankumgebung erstellt, welche zum einen die derzeit aufgrund der “historisch” gewachsenen Infrastruktur noch heterogen in unterschiedlichsten Dateiformaten vorliegenden Altdaten homogenisieren soll und zum anderen die Qualitätssicherung standardisieren und verbessern soll. Außerdem werden Schnittstellen zu überregionalen Datenbanken geschaffen, um die Monitoringergebnisse aus Baden-Württemberg schneller und aufwandsärmer als bisher für weiterführende Auswertungen zur Verfügung stellen zu können.

Literatur

  • Lorenz, M., Nagel, H. D., Granke, O., & Kraft, P. (2008). Critical loads and their exceedances at intensive forest monitoring sites in Europe. Environmental Pollution, 155(3), 426-435.
  • Lorenz, M. (1995): International co-operative programme on assessment and monitoring of air pollution effects on forests-ICP forests. Water, Air, and Soil Pollution, 85(3), 1221-1226.
  • Schöpp, W.; Posch, M.; Mylona, S.; Johannsson, M. (2003): Long-term development of acid deposition (1880-2030) in sensitive freshwater regions in Europe. Hydrol. Earth Syst. Sci., 6, 315-325.
  • Ulrich, B. (1995): The history and possible causes of forest decline in central Europe, with particular attention to the German situation. Environ. Rev. 3: 262-276