Dieser Bericht aus der Praxis beschreibt ein spezielles Verfahren zur Anzucht der Wildkirsche, mit dem Pflanzensortimente produziert werden, die außerhalb der handelsüblichen Qualitäten und Größen liegen. Dieses Verfahren ist sehr arbeitsintensiv und teuer, weshalb es in normalen Forstbaumschulen so nicht angewandt wird.
Saatgut
Abb. 1: In Kunststofftöpfe werden die Kerne mit Sand vermischt.
Eine der wichtigsten Grundvoraussetzungen, um solche Qualitäten zu erreichen, ist hochwertigstes Saatgut. Das Saatgut der Samenplantage Liliental eignet sich hierfür besonders gut und die Erfahrungen der letzten Jahre bestätigen die gute Qualität. Dazu kommt, dass sich durch den optimierten Pflanzenschutz der FVA Freiburg, die Keimfähigkeit der Kirschkerne stark erhöht hat. Pro Kilogramm Saatgut kann somit eine Pflanzenausbeute von bis zu 1.500 Stück erreicht werden. Die Staatsklenge in Nagold ist für die Ernte, Aufbereitung und den Vertrieb der im Liliental geernteten Wildkirschen zuständig.
Anzucht und Keimung
Sobald das Saatgut in Nagold aufbereitet, also vom Fruchtfleisch getrennt und getrocknet wurde, kann das erforderliche Kontingent für die Anzucht bezogen werden. In Kunststofftöpfe werden nun die Kerne mit Sand vermischt und bis etwa Anfang September an einem schattigen Platz aufgestellt. Es folgt die mäusesichere Lagerung der Töpfe in einer ca. 50 cm tiefen Sandgrube. Ab Januar wandern die Behältnisse in einen Kühlraum bei konstanten Temperaturen von ca. 2° C. Im März tritt die Keimung ein, was man an den deutlichen Rissen im Sand der Kübel sehen kann. Jetzt ist es an der Zeit, die Keimlinge in die Erde zu befördern. Die sandigen Kübel werden äußerst vorsichtig auf ein feinmaschiges Sieb gekippt und mit einem sanften Wasserstrahl ausgewaschen. Im Idealfall hat man nun tausende angekeimte Samen vor sich liegen. Da die Keimwurzeln teilweise schon mehrere Zentimeter lang sind, besteht die Gefahr, dass sie abbrechen und somit nicht mehr weiter wachsen können. Diese angekeimten Kerne werden nun von Hand ausgelesen und in, mit speziellen Substrat gefüllten, Multitiopfplatten gesetzt. Die Platten sind in 77 kleine Fächer unterteilt, wovon jedes mit einem Keimling belegt wird.
Mit Substrat abgedeckt und angegossen, um einen sicheren Kontakt zwischen Keimling und Erde zu erhalten, werden die Platten im Folienhaus aufgestellt. Schon innerhalb einer Woche erscheinen die ersten Keimblätter an der Oberfläche. In dieser Phase sind die jungen Pflänzchen sehr anfällig gegenüber Pilzkrankheiten wie die Umfallkrankheit und müssen daher mit entsprechenden Fungiziden behandelt werden. Das Wachstum geht im Folienhaus recht zügig voran und die kleinen Kirschen sind Mitte Mai bis zu 20 cm hoch.
Abb. 2: Angekeimte Kirschsamen.
Abb. 3: Keimlinge im Folienhaus.
Aus- bzw. Verschulung
Abb. 4: Das Auspflanzen ist sehr arbeitsintensiv.
Der Zeitpunkt für das Aus- bzw. Verschulen richtet sich nach der vollständigen Durchwurzelung der kleinen Töpfe in den Multitopfplatten. Auch muss das zarte Laub gegen UV-Strahlung abgehärtet werden, was am Besten während einer mindestens dreitägigen Schlechtwetterphase, also bei bedecktem Himmel, erfolgt. Zum Aufschulen werden Flächen genutzt, auf denen bis dahin keine Rosengewächse, zu denen die Kirschen zählen, angebaut wurden. Der wiederholte Anbau auf den gleichen Flächen führt wegen der sogenannten Bodenmüdigkeit zu Wuchsdepressionen. Als optimal haben sich Maisanbauflächen bewährt, da diese unter anderem noch sehr gut mit Nährstoffen versorgt sind und die Pflanzen sich daher gut entwickeln können. Für die Pflanzvorbereitung werden die Flächen tief und feinkrümelig gefräst. Von Hand werden nun die kleinen Bäumchen an eine Pflanzschnur (Stahlschnur, an der in gleichmäßigen Abständen kleine Plastikknoten befestigt sind) gesetzt. Dies gewährleistet einen exakten Abstand von 12,5 cm von Pflanze zu Pflanze. Der Abstand von Reihe zu Reihe beträgt 1,90 m. Somit ist eine gute Bearbeitung der Anlage mit den Maschinen gewährleistet. Auch ist die Lichteinstrahlung für die einzelnen Pflanzen optimal und sie kann sich damit vollständig vom Wurzelansatz bis zur Spitze belauben. Es steht damit eine ungewöhnlich große Assimilationsfläche zur besten Entwicklung der Wildkirsche zur Verfügung. Das Aufschulen ist sehr anstrengend, da den ganzen Tag in ungewohnter gebückter Haltung und meist schon bei recht hohen Temperaturen gearbeitet wird. In der ersten Zeit nach dem Auspflanzen ist vor allem auf eine gute Wasserversorgung zu achten. Zwischen den Reihen erfolgt die Unkrautbekämpfung maschinell, in den Reihen von Hand.
Kulturpflege
Pflanzenschutzmaßnahmen, insbesondere gegen Laubpilzerkrankungen sowie Lausbefall, sind unerlässlich und werden auch entsprechend ausgeführt. Die Bekämpfung der Blattläuse ist in den letzten beiden Jahren kaum noch notwendig, da sich der Asiatische Marienkäfer bei uns sehr stark ausgebreitet hat. Läuft es optimal, so erreichen die jungen Bäumchen bis zum Herbst schon Höhen bis zu 1 m. Über den Winter werden alle Seitentriebe entfernt, so dass im nächsten Frühjahr sich die ganze Wuchskraft nach oben konzentriert. Im 2. Standjahr werden die Kulturmaßnahmen weitergeführt, also Pflanzenschutz, Unkrautbekämpfung und im Herbst vor dem Roden das erneute Aufputzen der Bäume. Durch das Entfernen der Seitentriebe setzt ein sehr starkes Höhenwachstum ein. Eine vollständige Belaubung sorgt für ein gutes Dickenwachstum und für eine gute Verholzung der Pflanzen vor dem Roden.
Rodung
Abb. 5: Der Rüttelpflug unterschneidet die Pflanzen und rüttelt ein Teil der Erde von den Wurzeln ab.
Abb. 6: Der Autor beim Abtransport der Wildkirschen.
Abb. 7: Wildkirsch-Sortimente 2010.
Mit Hilfe eines speziellen Rüttelpfluges werden die Wildkirschen dann gerodet, nachdem die Vegetationsperiode auf natürlichem Weg nach den ersten Frösten beendet und das gesamte Laub abgefallen ist. Der Rodepflug unterschneidet die Pflanzen und rüttelt einen Teil der Erde von den Wurzeln ab. Von Hand muss nun jeder einzelne Baum gänzlich aus der Erde gezogen, fertig ausgeschüttelt und auf Hänger zum Abtransport aufgeladen werden. In der Scheune sortieren, bündeln und etikettieren die Mitarbeiter nun die Kirschenpflanzen. Anschließend werden sie in reinem Sand eingeschlagen. Der Sandeinschlag hat den Vorteil, dass er gut in die Wurzelzwischenräume der Bunde rieselt und auch bei Mäusen sehr unbeliebt ist. Auch bilden die Pflanzen bis zur ihrer Abholung bzw. Auslieferung im Frühjahr schon kleine Faserwurzeln, was ein gutes Anwachsen im Wald fördert.
Potenzial
Der mancherorts vertretenen Meinung, dass nur gewebekultur-vermehrte, auf Hochleistung selektierte Kirschen, beste und schönste Pflanzenqualitäten hervorbringen, widerspricht das Potenzial, dass in Saatgut-vermehrten Pflanzen steckt. Die Ergebnisse und Erfahrungen aus der Praxis, wie sie in diesem Beitrag dargelegt werden, beweisen dies deutlich.