Die Baumhasel zeichnet sich durch ihre Mischungsfähigkeit und ein geringes Invasionspotenzial aus. In Zeiten des Klimawandels gewinnt sie zunehmend an Bedeutung. Sie weist viele Eigenschaften auf, die zur Stabilisierung von Waldbeständen beitragen können.
1 Allgemeines
Name | ||
(wiss): | Corylus colurna Linné, 1753 | |
(deutsch): | Baumhasel, Türkische Hasel | |
Familie: | Birkengewächse (Betulaceae) |
Die Baumhasel (Corylus colurna) ist eine Halbschattbaumart, die sich durch die Mischungsfähigkeit und ein bisher geringes Invasionspotenzial auszeichnet. In Zeiten des Klimawandels gewinnt sie zunehmend an Bedeutung. Sie weist viele Eigenschaften (wie z.B. hohe Widerstandsfähigkeit gegen abiotische und biotische Schäden, Anspruchslosigkeit an den Boden, Trockenstresstoleranz, Winter- und Spätfrostresistenz) auf, die zur Stabilisierung von Waldbeständen beitragen können. In Ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet (Balkanhalbinsel, Norden der Türkei, Kaukasus und bis nach Afghanistan) wächst die Baumhasel sowohl auf Kalk- als auch Silikatstandorten, wobei sie jedoch häufiger auf flachgründigen, nährstoffarmen und trockenen Kalkböden vorkommt.
Die durchschnittliche jährliche Temperatur im Ursprungsgebiet liegt zwischen 5 und 13 °C, bei einem jährlichen Niederschlag zwischen 570 und 800 mm. Dabei erträgt die Baumhasel Temperaturextreme vom -38 bis +40 °C. Das natürliche Verbreitungsgebiet erstreckt sich im Norden bis nach Rumänien (Tismana) und im Nordwesten bis Bosnien und Herzegowina (Konjic).
Die Einführung der Baumhasel nach Mitteleuropa erfolgte bereits im 17. Jahrhundert. Sie wird seitdem in sehr geringem Umfang angebaut z.B. in Italien, Österreich, Deutschland, Polen, der Ukraine und Ungarn. In vielen Ländern Mitteleuropas ist die Baumhasel jedoch nur als Garten- und Parkbaum bekannt. Auch in den Herkunftsländern ist die Baumart eher selten verbreitet. Grund dafür ist eine Übernutzung, die aufgrund des sehr wertvollen Holzes stattgefunden hat.
Praxisbeispiele:
- Baden-Württemberg, Heilbronn (ca. 0,3 ha 16-jähriger Mischbestand, Oberhöhe ca. 14 m);
- Bayern, Würzburg (0,3 ha bis ca. 65-jähriger Reinbestand, Mittelhöhe ca. 24 m);
- Nordrhein-Westfalen, Köln (66-jähriger Baumhaselbestand, Mittelhöhe 26 m);
- Rheinland-Pfalz, Oberpfalz (25-jähriger Reinbestand, gute Durchmesserentwicklung, Oberhöhe ca. 20 m);
- Thüringen, Gotha und Hainich (ca. 50- u. 80-jährige Baumhaselgruppen, 30 m Oberhöhe).
2 Ökologie
2.1 Standortansprüche
Die Baumhasel hat geringe Ansprüche an den Boden und besitzt eine breite Standortsamplitude. Auf besseren Standorten ist sie wegen ihrer geringen Konkurrenzkraft gegenüber anderen Baumarten unterlegen.
- Nährstoff- und Wasserbedarf: Sie wächst auf flachen bis tiefgründigen, trockenen bis fast nassen, nährstoffarmen bis -reichen Standorten. Durch die Ausbildung einer kräftigen, 3-4 m tief reichenden Pfahlwurzel kann die Baumhasel sehr skelettreiche Standorte besiedeln und verfügt über eine hohe Standfestigkeit.
- Wärmebedarf: Kontinentales Klima ist für ihr Wachstum ideal, einzelne Vorkommen gibt es aber auch im mediterranen Klimabereich. Die wärmeliebende Baumart kommt oft an sonnigen Hängen vor.
- Ausschlussgründe: Extrem trockene und sehr nasse (staunasse) Standorte werden nicht von ihr besiedelt.
Abb. 3: Baumhasel im Stadtwald Köln, Forstrevier Weiler (BHD: 55 cm; Höhe: 27 m; Alter: ca. 95-100-jährig). Foto: B. Leder
Abb. 4 a, 4 b: Auf extremen Standorten kann sich C. colurna einzeln verjüngen ...
... und im Jugendwachstum mit F. sylvatica mithalten. Fotos: M. Šeho
2.2 Standortpfleglichkeit
Die Blattstreu ist gut zersetzbar und wirkt bodenverbessernd, besonders in Mischung mit z.B. Hainbuche. Dank des weitreichenden Wurzelsystems weist die Baumhasel eine Eignung zum Erosionsschutz auf. Dabei geht sie Wurzelsymbiosen mit Pilzen und Bakterien ein.
2.3 Wachstum
Die Baumhasel kann ein Alter von 400 Jahren, Höhen von über 30 m und einen Brusthöhendurchmesser (BHD) von über 170 cm erreichen.
- Wuchsverhalten: Die Wuchsleistung der Baumhasel ist auf nährstoffreichen und frischen Standorten mit der der Hainbuche vergleichbar. Sie erreicht hier fast die Wuchsleistung von Esche und Bergahorn. Auf trockenen, nährstoffarmen Kalkstandorten ist sie anderen Nebenbaumarten wie z.B. Orientalische Hainbuche weit überlegen.
- Schattentoleranz: Die Baumhasel gilt als eine Halbschattbaumart und eignet sich daher für den Anbau auf Freiflächen und im Halbschatten. Auf kritischen Standorten reagiert sie wie eine Lichtbaumart. Selbst im Halbschatten besitzt sie gerade Wuchsformen. Insbesondere in der Jugend toleriert sie dichte Beschirmung. Sie zeigt sich robust gegenüber Seitendruck und verhält sich nicht phototrop. Seitenäste werden lange erhalten und tragen zur Fotosynthese bei.
- Konkurrenzverhalten: In höheren Lagen tritt die Baumhasel meist in Buchengesellschaften auf, in tieferen Lagen in Eichengesellschaften. Zudem findet man sie häufig in Mischung mit Orient-Buche, Hainbuchen, Ungarischer Eiche, Zerreiche, Esche, Manna-Esche, Silberlinde, Vogelkirsche, Elsbeere und verschiedenen Ahorn-Arten. Sie zeichnet sich durch ihre Mischungsfähigkeit aus. Aufgrund ihrer Ökologie und Seltenheit sind einzel-, trupp- oder horstweise Mischungen die Regel. Gelegentlich sind auch Stockausschläge zu finden. Sie bildet im natürlichen Areal für gewöhnlich keine Reinbestände.
- Wurzelsystem: Die Baumhasel bildet ein 3-4 m tief reichendes Pfahlwurzelsystem aus, welches sich später zu einem Herzwurzelsystem weiter entwickeln kann. Dadurch ist die Besiedlung von skelettreichen Standorten problemlos möglich. Sie zeichnet sich durch hohe Standfestigkeit aus.
2.4 Verjüngung
- Ausbreitungsbiologie (generativ, vegetativ): Die relativ schweren Nüsse fallen stammnah vom Baum und werden von dort aus vornehmlich durch Tiere weit verbreitet. Vegetative Vermehrung ist eher selten. Günstige Voraussetzungen für die Keimung bieten Rohböden oder vegetationsfreie Standorte. Bei Erstaufforstungen ist mit Ausfällen zu rechnen. Ein Großteil der Früchte wird aber durch Tiere verzehrt.
- Fruktifikation und Keimung: Die Baumhasel beginnt schon früh, etwa im Alter von 10 Jahren, zu fruktifizieren, Vollmasten treten alle 3-4 Jahre auf. Die Baumhasel ist einhäusig und getrenntgeschlechtig, die weibliche Blüte ist rötlich und unscheinbar, die männlichen Kätzchen sind gelblich und bis zu 12 cm lang. Der Hohlkornanteil ist gering, allerdings gibt es eine Reihe von Schädlingen an den Nüssen. Spätfröste können die Blüten oder Fruchtansätze stark schädigen, so dass es zu geringer Fruchtbildung bzw. Ernten kommen kann.
- Hybridisierung: Natürliche Hybridisierungen mit anderen Corylus-Arten sind möglich. Allerdings ist wenig über das Auftreten von Hybriden bzw. Formen dieser Artbastarde bekannt. Erschwerend wirkt hierbei, dass sich auch innerhalb der Baumhasel unterschiedliche Phänotypen ausbilden können, die sich durch unterschiedliche Blattformen und Behaarungen von Blattstielen und Fruchtbechern äußern. Erste genetische Unterschiede wurden mit Genmarkern im Labor festgestellt.
- Invasivität: Die Baumhasel gilt als nicht invasiv und wird in Deutschland nicht auf der Liste der invasiven Arten genannt. Durch ihre geringe Konkurrenzkraft wird sie auf den besseren Standorten v.a. von der Buche verdrängt.
2.5 Waldschutz (Risiken)
- Abiotische Risiken: Allgemein kann die Widerstandsfähigkeit der Baumhasel gegen abiotische und biotische Schäden als hoch eingestuft werden. Auf wechselfeuchten Standorten kommt es häufig zu höheren Ausfällen. Durch den frühen Austrieb, bereits ab Ende März, stellen typische Spätfröste im Mai kein Problem für die bereits gut entwickelten Triebe und Blätter dar. Treten die Fröste jedoch zum Zeitpunkt des Austriebs, etwa im März und April auf, können sie starkes Zurückfrieren verursachen (so z.B. beobachtet 2014 im Versuchsanbau in Thüringen/nördliche Fränkische Platte). Einige der geschädigten Triebe werden aber noch im selben Jahr ersetzt. Über die Trocken- und Frostresistenz von einzelnen Herkünften ist bisher nur wenig bekannt. Bei extremer Dürre schützt sich die Baumart durch frühen Laubabwurf. Durch die belastbare Astanbindung besteht keine hohe Schneebruchgefährdung.
- Biotische Risiken: Durch die dünne Borke kann die Baumart in den ersten Jahren nach der Kulturbegründung durch Mäuse und Hasen geschädigt werden. Junge Bäume werden häufig von Schalenwildarten verbissen und von Rehböcken verfegt. Ein Einzelschutz mit belüfteten Wuchshüllen ist daher zu empfehlen. Bei einzelnen Straßen- und Parkbäumen wurde vereinzelt ein Blattbräunepilz nachgewiesen, der für auffällige Kronenverlichtungen sorgt. Das Schadbild kann in Kombination mit Schleimfluss am Stamm auftreten (Bakteriose) und sich in den Folgejahren auf Nachbarbäume ausbreiten (z.B. beobachtet in Grafrath und Gotha). Hallimasch befällt auch einzelne ältere Exemplare.
Generell kann die Baumhasel in Mischbeständen bisher als relativ unempfindlich gegenüber biotischen und abiotischen Risiken eingestuft werden und kann daher zur Stabilisierung von Waldbeständen beitragen.
Das mögliche Schaderregerpotenzial, das z. T. von C. avellana ausgehen könnte, sollte beobachtet werden.
3 Bedeutung für die Artenvielfalt / Biodiversität
- Bedeutung: Bei der Baumhasel handelt es sich um eine Rote Liste-Art (IUCN Red List, Eintrag von 2014) mit dem Status "least concern" (verhältnismäßig geringe Sorgen), die in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet stark übernutzt wurde und nur noch vereinzelt oder in geringen Populationsgrößen vorkommt. Über die genetische Diversität in den Restpopulationen ist noch wenig bekannt.
- Auswirkungen auf Ökosysteme: Die bisherigen Anbauten der Baumhasel in Mitteleuropa zeigen keine negativen Folgen für die einheimische Tier- und Pflanzenwelt sowie den Standort.
- Dauerhaftigkeit der Auswirkungen: Durch ihre geringe Konkurrenzkraft stellt die Baumhasel in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet auch dauerhaft keine Gefährdung dar. Auch bei den in Mitteleuropa seit wenigen 100 Jahren existierenden Anbauten konnten keine dauerhaften negativen Auswirkungen beobachtet werden.
- Ökologische Integration: Durch die ausgeprägte Mischungsfähigkeit kann die Baumhasel einzeln bis truppweise zur Erweiterung des Baumartenspektrums und zur Streuung des Anbaurisikos auf mehrere Baumarten verwendet werden. Tierarten an der heimischen Haselnuss sind häufig auch an der Baumhasel zu finden.
4 Wuchsleistung
Abb. 5: Ca. 200-jährige Baumhasel (C. colurna) im Nationalpark Cheile Nerei-Beusnita, Rumänien. Foto: M Šeho
4.1 Zuwachs
Die ersten Erfahrungen mit Anbauten in Deutschland und Österreich bestätigen die gute Höhenwuchsleistung der Baumhasel. Der jährliche Höhenzuwachs bei einem süddeutschen Anbauversuch auf sehr gutem Standort (Weinbaugebiet, Feinlehm) lag zwischen 75 bis 87 cm (max. 140 cm). Die durchschnittliche Höhe der 6-jährigen Pflanzen betrug 4,3 m. Im Alter von 16 Jahren wurden Oberhöhen von 14 m erreicht; Baumhasel wachsen z. T. schneller als benachbarte Vogelkirschen (Abbildung 6).
Bei dem österreichischen Versuch betrug die mittlere Höhe nach 10 Jahren 7,5 m, der mittlere BHD 6,8 cm.
Die Höhenwuchsleistung der Baumhasel in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet ist maßgeblich von den standörtlichen Bedingungen abhängig.
Auf Standorten mit geringerer Standortleistungskraft kann sie problemlos mit den dort vorkommenden Mischbaumarten Bergahorn und Esche mithalten und erreicht die gleichen Endhöhen.
4.2 Gesamtwuchsleistung
Durch die geringen Populationsgrößen gibt es bisher keine Untersuchungen zur Gesamtwuchsleistung. Die Baumhasel zeigt aber ein lang anhaltendes Durchmesserwachstum. Nach GHIMEEY (1980) wird die Baumhasel im Durchmesserwachstum auf gleichen Standorten erst im Alter von über 100 Jahren von der Buche eingeholt.
5 Qualität
Abb. 7: 10-jähriger Mischbestand aus Baumhasel (Bildmitte links und ganz rechts), Vogelkirsche und Winterlinde (Bildmitte rechts und ganz links). Die Baumhasel wachsen überwiegend lotrecht. Die Astreinigung der Baumhasel erfolgt weitgehend natürlich, unterstützt durch Winterlinden. Foto: M. Schölch
5.1 Formigkeit
Die Baumhasel wächst überwiegend gerade, wipfelschäftig und bildet vollholzige Stämme. Ihre auffällige Wipfelschäftigkeit ist ein Charakteristikum in der Jugendphase.
5.2 Astreinigung
Die Baumhasel ist wie viele Laubbaumarten ein Totastverlierer und die natürliche Astreinigung erfolgt bei ausreichendem Dichtstand problemlos bis in eine Höhe von 6 bis 8 m. Wertastungen werden trotzdem empfohlen. Bei starker Freistellung können einzelne Sekundäräste auftreten.
5.3 Sortimente
Aufgrund der Übernutzung der natürlichen Bestände in den Ursprungsländern existiert kein gesonderter Markt für Baumhaselholz. Die Aushaltung des Stammholzes erfolgt nach dem Verwendungszweck. Das Holz gilt als sehr hochwertig. Ihr Holz findet aufgrund dekorativer, dunkler Färbung Einsatz als Möbel- und Drechslerholz. Auf Submissionen werden Preise von 300 bis 450 € je Festmeter erzielt.
5.4 Herkunftsabhängigkeiten
In Mitteleuropa wurden die ersten wissenschaftlich begleiteten Anbauten mit Baumhasel vor ca. 20 Jahren angelegt. Alle Versuche belegen gute Schaftformen und gutes Wachstum. Provenienzversuche und genaue Herkunftsempfehlungen gibt es bisher noch nicht. Häufig ist zur Historie von älteren Anbauten nichts bekannt. Erste Bereisungen der Herkunftsländer liefern Hinweise darauf, dass sich einzelne Provenienzen sehr stark in ihren Wuchsleistungen und qualitativen Merkmalen unterscheiden. Die Anlage von Herkunftsversuchen und Bewertung der Anbauwürdigkeit wird daher als dringend notwendig erachtet. Dabei sollte eine genetische Charakterisierung des verwendeten Materials vorgenommen werden.
5.5 Saat- und Pflanzgutversorgung
Die bisherige Versorgung mit Saatgut der Baumhasel wird hauptsächlich durch die Beerntung von Park- und Straßenbäumen abgedeckt. Die Elternbaumanzahl und genetische Ausstattung dieser Bäume, die für die Anpassungsfähigkeit, Wachstum und Qualität eine entscheidende Rolle spielt, ist nicht bekannt und bürgt ein sehr hohes Risiko. Auch wenn die Baumhasel nicht dem Forstvermehrungsgutrecht unterliegt, ist es nicht ratsam, dieses Saatgut für die Anzucht von Forstpflanzen zu verwenden. Die Gefahr von Inzuchteffekten und genetischer Einengung ist sehr hoch. Einzelne Kontakte zu Saatguthändlern in den Herkunftsländern bestehen bereits und sollten für die zukünftige Saatgutversorgung weiter ausgebaut werden.
6 Waldbauliche Behandlung
Abb. 8: 25-jährige Baumhasel aus einem Bestand in der Oberpfalz. Einzelne Exemplare haben einen Durchmesser von 25 cm und Höhen von rund 20 m. Foto: B. Mettendorf
6.1 Bestandesbegründung
Die Baumhasel kann auf Freiflächen im Normalverband oder im Weitverband (5 x 5 m, 7 x 7 m) gepflanzt werden. In den ersten Jahren nach der Begründung wird empfohlen, die Pflanzen mit Wuchshüllen vor Wildverbiss und Mäusefraß zu schützen. Wegen intensiver Wurzelbildung sollten die Pflanzensortimente bei der Pflanzung nicht älter als zwei Jahre sein. Ausreichende Feuchtigkeit der Wurzeln vor und während der Pflanzung ist für den Anwuchserfolg notwendig. Bei Bedarf kann ein fachgerechter Wurzelschnitt durchgeführt werden. In älteren Beständen ist Naturverjüngung ebenfalls möglich. Die Baumhasel kann auch durch Herbstsaaten eingebracht werden.
6.2 Mischungsformen
Als Beimischung oder Ergänzung der Naturverjüngung kann sie einzelbaumweise oder truppweise eingebracht werden. Besonders geeignet sind Bestände mit Buche, Traubeneiche, Spitzahorn, Elsbeere, Hainbuche oder Linde sowie Edelkastanie und in den Ursprungsländern mit der Ungarischen Eiche. Auch Versuche der Mischung mit Vogelkirsche jeweils im Verband 5 x 1,5 m und Winterlinde (5 x 2,5 m) zeigen interessante Ergebnisse; Linden beschleunigen bzw. sichern die Astreinigung, konkurrieren aber auch stark. Ein Versuch in Süddeutschland deutete darauf hin, dass die Baumhasel auch im Voranbau unter Fichte und Kiefer verwendet werden könnte.
6.3 Pflege- und Nutzungskonzepte
Sowohl auf Freiflächen, als auch unter Schirm weist die Baumhasel ein gerades, wipfelschäftiges Wachstum auf. Zwieselbildung wird beobachtet und scheint genetisch bedingt zu sein. Die Kronenausformung wird ganz wesentlich vom Standort und dem zur Verfügung stehenden Standraum beeinflusst und kann durch waldbauliche Eingriffe optimiert werden. Bei fehlendem Füllholz kann eine Wertastung (z.B. dynamische Grünastung) zur Verbesserung der Qualität vorgenommen werden. In dem natürlichen Verbreitungsgebiet, als auch in den älteren Anbauten in Deutschland (z.B. Würzburg) konnten immer wieder kleinkronige Baumhaseln beobachtet werden, die nicht oder erst sehr spät durchforstet wurden und geringes Durchmesserwachstum aufweisen. Die waldbauliche Behandlung ist im Detail offen und sollte in Standraumversuchen untersucht werden. Wie bisherige Erfahrungen aus dem natürlichen Verbreitungsgebiet zeigen, sollte die Baumhasel durch positive Auslese und hochdurchforstungsartige Eingriffe gepflegt werden. Ähnlich wie bei Edellaubholz-Arten erscheint ein zweistufiges Konzept mit Qualitäts- und Dimensionierungsphase sinnvoll.
7 Holzverwendung
Abb. 9: Baumhaselholz aus dem Stadtwald Reutlingen. Foto: B. Mettendorf
Abb. 10: Holz und Frucht der Baumhasel. Das zerstreutporige Holz zeichnet sich durch einen rötlichen Farbton aus, die Jahrringgrenzen sind mäßig kontrastiert und eine Braunkernbildung ist möglich. Die Fruchtbecher der Nüsse sind auffallend zerschlitzt. Foto: M. Schölch
7.1 Holzeigenschaften
Das Holz der Baumhasel ist interessant und dekorativ gegliedert, jeweils zu etwa 50 % des Querschnittes in einen gelblich-rötlichen Splint und einen rötlich-braunen Kern. Die technologischen Eigenschaften kennzeichnen ein elastisches, mittelhartes, zerstreutporiges Holz, das den Eigenschaften des Bergahorns ähnlich ist. Es ist leicht zu bearbeiten, neigt jedoch zu Schwundrissen bei zu rascher Trocknung. Die Rohdichte liegt bei rund 0,61 g/cm³.
7.2 Wertholztauglichkeit
Die Baumart ist für die Wertholzproduktion sehr geeignet. Sie wurde früher als sog. türkische Nuss oder als Rosenholz gehandelt und eignete sich bereits damals hervorragend für den Möbelbau. Die rötliche Färbung des Holzes ist einzigartig. Durch das gute Wachstum ist auf guten Standorten eine schnellere Wertholzproduktion als z.B. bei Eiche möglich. Nachteilig kann das Auftreten eingewachsener Äste und Wimmerwuchs sein.
7.3 Verwendungsbereiche in der Holzindustrie
Das Holz wird nach ZEIDLER 2012 hauptsächlich in der Möbelindustrie und zur Herstellung von dekorativen Furnieren verwendet.
7.4 Vermarktung
Aufgrund der geringen Verbreitung und starken Übernutzung gibt es kaum Baumhaselholz auf dem Markt.
8 Nebennutzungen
Die im Vergleich zur Haselnuss kleineren Nüsse der Baumhasel sind essbar und können als Nebenprodukt in der Süßwarenindustrie vermarktet werden. Die Nüsse der Baumhasel enthalten pharmazeutisch nutzbare Öle. Das Saat- und Pflanzgut kann neben der Forstwirtschaft auch im Garten- und Landschaftsbau angeboten werden.
9 Literatur
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- Alteheld, R. (1996): Die Baumhasel: Monographie einer Baumart. In: Baumkunde. Band 1. Eching : IHW-Verlag, 39-75.
- Bauer, B. (2008): Entwicklung von Laubholzkulturen: Neuanlage und Erstaufnahme einer Baumhaselversuchsfläche und Wiederholungsaufnahme von Baumhasel- und Platanenversuchsflächen. Unveröff. Diplomarbeit an der Hochschule Weihenstephan - Fak. für Wald und Forstwirtschaft.
- Bärtels, A. (1985): Der Baumschulbetrieb. 3. Aufl. Stuttgart.
- Begemann. H. (1983): Das große Lexikon der Nutzhölzer. Bd. 3, Gernsbach.
- Fitschen, J. (1994): Gehölzflora. Ein Buch zum Bestimmen der in Mitteleuropa wildwachsenden und angepflanzten Bäume und Sträucher. 10. Aufl. Heidelberg, Wiesbaden.
- Fukarek, P. und Rzehak, V. (1956): Neka razmatranja o zaštiti prirode i prirodnih rijetkosti u Bosni i Hercegovini. Naše starine III: 275-288.
- Ghimeey, L. (1980): Corylus colurna as valuable reserve tree species in Hungary. Erdö 29: 365-369.
- Godet, J. D. (2004): Knospen und Zweige. 10. Aufl. Braunschweig.
- Hoffmann, W. (2012): Eignung der Baum-Hasel (Corylus colurna L.) als Laubholzbeimischung in einem Wald-Kiefernbestand auf Flug- und Schwemmsanden im Gemeindewald Haßloch, Wuchsgebiet Oberrheinisches Tiefland, Wuchsbezirk Pfälzische Rheinebene. Bachelorarbeit an der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg.
- Krüssmann, G. (1981): Die Baumschule. Ein praktisches Handbuch für Anzucht, Vermehrung, Kultur und Absatz der Baumschulpflanzen. 3. Aufl. Berlin, Hamburg.
- Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg (1997): Versuchsanbauten mit nicht heimischen Baumarten. Historische Entwicklung in Baden-Württemberg. Freiburg (Schriftenreihe der Landesforstverwaltung BW, 79).
- Pauls, T. (2006): Die Baumhasel (Corylus colurna L.) – mehr als ein Alleebaum. Mitteilungen der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft 91: 91-199.
- Petercord, R. (2016): Phyllosticta coryli als Krankheitserreger an Baumhaseln? AFZ-DerWald 12/2016: 46f.
- Rauscher, H.; Baumeister, S. (2002): Entwicklung von Laubholzversuchsflächen: Erste Wiederholungsaufnahme von Versuchsflächen. Unveröff. Diplomarbeit Hochschule Weihenstephan, Fachbereich Wald und Forstwirtschaft.
- Richter, E. (2012): Baumhasel – Ein Baum für den Klimawandel?! Wertholz auch auf mesotrophen und trockenen Standorten. In: AFZ-DerWald 67 (8): 8-9.
- Richter, E. (2013): Baumhasel – anbauwürdig in Mitteleuropa? In: AFZ-DerWald 68 (5): 7-9.
- Richter, E. (2014a): Baumhasel - Bestandesstruktur und Wachstum. AFZ-DerWald 69 (5): 13-16.
- Richter, E. (2014b): Baumhasel: Schnelles Wachstum in trockenwarmem Klima. AFZ-Der Wald 69 (8): 11-13.
- Röös, M. (1994): Ertragstafel für Wildkirsche (Prunus avium L.) in Nordwest-Deutschland. AFJZ 165: 13-18.
- Ruhm, W. (2013): Die Baumhasel – trockenresistent und wertvoll. In: Die Landwirtschaft. Oktober 2013: 22-23.
- Šeho, M.; Ebinger, T.; Huber, G. und Konnert, M. (2016): Baumhasel – Saatgut und Vermehrung im Fokus. In: Deutsche Baumschule 8: 42-45.
- Shaw, K.; Roy, S. and Wilson, B. (2014): Corylus colurna. The IUCN Red List of Threatened Species 2014: e.T194668A2356927.
- Zeidler, A. (2012): Variation of wood density in Turkish hazel (Corylus colurna L.) grown in the Czech Republic. Journal of Forest Science 58 (4): 145-151.
Zusammenfassende Beurteilung der Anbauwürdigkeit
- Massen- und Wertleistung
- Klimaanpassung
- Standort
- Bodenzustand
- Abiotische Risiken
- Biotische Risiken
- Durch die Übernutzung starker Rückgang der natürlichen Populationen und dadurch ein geringes Saatgutangebot auf dem Markt
- Bisher kaum Anbauversuche
- Herkunftsfrage noch ungeklärt
Mehr von der AG Gastbaumarten
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- Kurzportrait Edelkastanie (Castanea sativa)
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