Der Krummholzgürtel ist die alpine Vegetationsstufe oberhalb des Hochwaldes. Hier tummeln sich in einem Bereich von natürlicherweise bis zu 300 Höhenmetern niederwüchsige Gehölze – in der Regel Latsche (Pinus mugo ssp. mugo) und Grünerle (Alnus viridis ssp. viridis).

Latsche: Throninhaberin auf "trockenen" Kalkstandorten

Die Latsche (Abb. 1) hat ihren Verbreitungsschwerpunkt an der Waldgrenze zwischen 1.200 und 2.100 m ü. NN, in Lawinenbahnen steigt sie aber bis in die submontanen Lagen herab. Sie gilt als ausgesprochene Lichtbaumart mit sehr geringem Wärmebedarf und geringen Nährstoffansprüchen. Das an die ökologischen Bedingungen der subalpinen Stufe angepasste Gehölz wächst auf steinigen, neutralen bis mäßig sauren, humosen Lehm- und Tonböden, auf Fels und Schutt, über Kalk, Dolomit oder Silikat. Sie ist an Extremtemperaturen, kurze Vegetationsperioden, mächtige Schneedecken und Schneeschub sowie kalte Winde angepasst und verträgt extreme Trockenheit. Die Art bildet in den Alpen vor allem in kalk- und dolomitreichen Gebieten ausgedehnte Bestände, ist jedoch keineswegs an Kalk gebunden.

Der Wuchs ist überwiegend strauchförmig mit mehreren niederliegenden bis bogig aufsteigenden, elastischen Stämmen. Dadurch ist die Latsche dem winterlichen Schneedruck in Hochlagen sehr gut angepasst. Unter hohen Schneelagen (Mulden, Schattseiten) kann es zu Schäden durch Schneeschimmel kommen. Die lange vom Schnee bedeckten Triebe sterben infolgedessen ab. Die Latsche verfügt über ein extensives, flachstreichendes und weitrechendes Wurzelsystem. Die Wurzeln sind jedoch empfindlich gegen Bodenverdichtung.

In den Krummholz-Beständen erfolgt die Verjüngung überwiegend vegetativ. Durch Schnee oder Geschiebe werden Äste zu Boden gedrückt und bilden sekundäre Wurzeln. Generativ vermehrt sich die Latsche vor allem auf offenen, konkurrenzfreien, noch nicht von anderen Gehölzen besiedelten Pionierstandorten. Lärche oder Fichte können im Schutz der Latsche ankommen, sich etablieren und aufwachsen.

Grünerle: Baumart mit viel Durst

Die Grünerle (auch Laublatsche) besiedelt in den bayerischen Alpen Standorte mit einer Höhenlage von bis zu 2.050 Metern. Der Schwerpunkt ihrer natürlichen Verbreitung liegt zwischen 1.600 und 1.700 m ü. NN. Natürliche Standorte der Grünerle sind feuchte und häufig nordexponierte Hänge in der subalpinen Stufe (Abb. 2). Aufgrund des hohen Feuchtigkeitsbedarfs bevorzugt sie wenig durchlässige Silikatgesteine und Tonschiefer. Der hohe Wasserbedarf kann im Sommer zum limitierenden Faktor werden. Das erklärt auch die Vorliebe der Grünerle für Nordhänge der subalpinen Stufe: Hier vermindern geringere mittlere Temperaturen die Evapotranspiration und die verzögerte Schneeschmelze stellt die Wasserversorgung sicher. Hinsichtlich der Lichtansprüche zählt die Grünerle zu den Halblicht- bzw. Lichtpflanzen.

Sie weist eine sehr hohe Stammelastizität auf. Ihr rasches Wachstum ermöglicht ihr ein gutes Durchsetzungsvermögen auch bei dichter Bodenvegetation. Die Grünerle wird durch den hangabwärts wandernden Schnee weniger geschädigt als die Weide und gedeiht besser auf Rohböden als die Vogeleere. Grünerlenbestände können aufgrund ihrer Stammelastizität und ihrem schnellen Regenerationsvermögen auch auf steinschlaggefährdeten Hängen überdauern und weisen eine große Resistenz gegen Überschüttung auf.

Auch die Grünerle vermehrt sich innerhalb eines bestehenden Grünerlenbestandes vegetativ über Ablegerbildung und in der Pionierphase vor allem über die Samenausbreitung. Zur Ansamung bevorzugt sie feuchte, humose Mineralböden. Ihr hoher Dichtschluss behindert unter Umständen andere Gehölzarten am Wachstum. Zudem entwickeln sich auf den mit Stickstoff angereicherten Böden zum Teil üppige Hochstaudenfluren, die andere Baumarten praktisch nicht aufkommen lassen.

Krumm aber wertvoll

Beide Arten sind holzwirtschaftlich ohne Bedeutung. Ihr Wert liegt im Schutz des Bodens vor Erosion und macht sie daher besonders wertvoll für die Sanierung von Schutzwaldflächen.

Latschengebüsche im Gebirge unterbinden die Bodenerosion und mindern Gefahren durch Steinschlag und Rutschungen. Wegen der federnden Wirkung der Latschen können bei vollständiger Schneebedeckung allerdings Schneebewegungen ausgelöst werden.

Auch die Grünerle trägt viel zur Stabilisierung rutschgefährdeter Böden bei und ist daher bedeutsam für den Bodenschutz. Bezüglich Lawinenschutz nimmt die Grünerle eine indifferente Stellung ein, da sie die Schneedecke festigen kann; vollständig niedergedrückte Grünerlen können allerdings ähnlich wie die Latsche auch Schneebewegungen auslösen.

In der Schutzwaldsanierung spielen die beiden Krummhölzer Latsche und Grünerle auf flachgründigen erosionsgefährdeten Standorten eine sehr wichtige Rolle. Seit 1987 würden etwa 700.000 Pflanzen auf Sanierungsflächen in Bayern ausgebracht (Abb. 3).

Kalk entscheidend?

Grünerlen werden auf Kalkgestein meistens von Latschen abgelöst. Dadurch entsteht der Eindruck, dass die Grünerle kalkmeidend ist und die Latsche kalkliebend. Es sind aber beide Arten gegen den Säuregrad indifferent. Wo karbonatreiches Gestein genügend wasserhaltende Kraft besitzt, wächst auch die Grünerle, auf durchlässigen Böden wird sie von der Latsche abgelöst, weil sich diese hier besser entwickeln kann. Anders ausgedrückt: In den Kalkgebirgen sind Grünerlengebüsche an das Vorhandensein wasserhaltender Schichten gebunden. Auch dass die beiden Arten zuweilen gemeinsam bzw. in enger Verzahnung auftreten (Abb. 4) ist ein Hinweis dafür, dass das Ausgangsgestein kaum Grund für die unterschiedlichen Besiedelungsschwerpunkte sein dürfte.

Situation in Bayern

In den Bayerischen Alpen sind etwa 20.000 Hektar mit Krummholzbeständen aus Latsche und Grünerle bedeckt. Das entspricht einem Anteil von acht Prozent der gesamten Waldfläche im bayerischen Alpenraum. Die Grünerle nimmt dabei flächemäßig eher eine unbedeutende Rolle ein. Äußerst selten ist sie im Karwendel- und Wettersteingebirge. Dass die Latsche einen deutlich höheren Flächenanteil einnimmt als die Grünerle, steht im Einklang mit der Ausscheidung der Waldtypen nach dem Waldinformationssystem Nordalpen: Demnach hätte in den Bayerischen Alpen der Waldtyp Carbonat-Latschengebüsch von Natur aus einen Anteil von 119,5 km2, der Waldtyp Silikat-Grünerlen- und Latschengebüsch einen Anteil von 5,0 km2.

Das heutige Verbreitungsgebiet von Latsche und Grünerle unterscheidet sich stark vom potenziellen Verbreitungsgebiet. Hierzu haben vor allem Rodungen für Lichtweidegewinnung beigetragen.

Fazit

Die Latsche ist vielerorts standortsbedingt die dominierende Baumart im subalpinen Bereich der Bayerischen Hochalpen, während die Grünerle nur punktuell vorzufinden ist. Beide Baumarten kommen mit den extremen Bedingungen im Gebirge gut zurecht. Die Grünerle wird jedoch häufig unterschätzt und zu wenig wahrgenommen. Auf gut wasserversorgten Kalkstandorten könnte sie jedoch künftig an Bedeutung gewinnen. Sie eignet sich in Lagen mit langer Schneebedeckung als gute Alternative zur Latsche (Schneeschimmel), wenn auch mit standortsbedingten Einschränkungen.