Abb. 2 - Moderne Sägeeinheit für Starkholz, Firma Echtle in Nordrach, Mittelschwarzwald.
Die von Schädelin geprägte Veredelung durch Pflege und Auslese fördert das Dickenwachstum und führt automatisch zu mehr oder weniger starken Dimensionen. Diese Waldbaupraxis dominiert in Europa – und insbesondere in der Schweiz – seit gut 60 Jahren; unser ganzes Pflegesystem ist daran orientiert. Weshalb?
Im temperierten Klima Europas sind die Standortverhältnisse, das heisst die biologischen Produktionskräfte, ausgesprochen günstig für die Produktion starker Dimensionen, weil die Bäume auch im hohen Alter noch ohne wesentliche qualitative Einbussen gut wachsen. Genau deshalb verfügen wir heute mehrheitlich über Starkhölzer. Eine schweizerische Erhebung aus dem Jahr 2000 zeigte für Fichtenwälder, dass 56% der Produktion aus Starkhölzern besteht. Ähnliche Ergebnisse sind aus Baden-Württemberg bekannt. Im Plenterwald ist es noch augenfälliger, da die Ernte zu 75 bis 80% aus qualitativ guten Starkhölzern besteht.
Weshalb sollten wir ausgerechnet hier Schwachhölzer erzeugen? Die Umstellung würde mehrere Jahrzehnte dauern. Sinnvoller wäre es, das Holz zu nehmen, das vorhanden ist, und die Technik daran anzupassen.
Die Sägerei-Industrie steht unter internationalem Konkurrenzdruck und muss die Kosten senken. Möglich ist dies beispielsweise mit Profilzerspanern, welche höhere Schnittgeschwindigkeiten erlauben. Aber es gibt auch andere technische Möglichkeiten – solche, die dem Starkholz entgegenkommen. Moderne Bandsägetechnik etwa erlaubt ähnliche Verarbeitungsrentabilitäten wie die Profilzerspaner (Abb. 2). Sie ist für die automatisierte Qualitätssortierung teilweise sogar besser geeignet. Auch die Gattersäge – mit angepasstem Vorschub – kann heute noch interessant sein. Moderne Profiler sind überdies auch für Dimensionen bis 90 cm einsetzbar. Die technische Entwicklung geht ganz bestimmt weiter – und vor allem läuft sie schneller, als eine Änderung der biologischen Produktion möglich wäre.
Starkholz: Rundholz mit einem Durchmesser von mehr als 40 cm.
Stück/Masse-Gesetz: Die Aufarbeitungszeit je Volumen-
einheit (m3) sinkt mit steigendem Volumen des Einzelstammes.
Produkte mit hoher Wertschöpfung anstreben
Die Globalisierung verändert die Rahmenbedingungen für die Holzverarbeitung. Gewisse Koppelprodukte wie Papier oder Spanplatten werden aus Kosten- und Umweltschutzgründen vermehrt im Süden hergestellt. Beispielsweise hat kürzlich die grösste Papierfabrik Frankreichs voll auf Zellulose aus südamerikanischen Eukalyptusplantagen umgestellt. Anderseits gewinnt Holz als Energiequelle an Bedeutung und könnte mit der Zeit die klassischen Industrieholzsortimente verdrängen. Massenprodukte durchschnittlicher Qualität herzustellen, in einem Land mit hohen und unflexiblen Produktionskosten (Löhne, Transportkosten, Landpreise…), erscheint jedenfalls gegenüber der starken Konkurrenz aus Billigländern kaum Erfolg versprechend. Wir müssten eher innovative halbfertige oder fertige Produkte mit hoher Wertschöpfung anstreben.
Holz kann energieverschwenderische Werkstoffe und fossile Brennstoffe ersetzen. Holzprodukte im Hausbau verlängern die Verweilzeit des gebundenen Kohlenstoffes um etwa 100 Jahre. Das ist um ein Vielfaches mehr als in allen anderen Holzprodukten. Deshalb sollte im Hinblick auf den Klimaschutz so viel Holz wie möglich im Hausbau verwendet werden. Das Potenzial dafür ist noch nicht ausgeschöpft. Kommt hinzu, dass das Holz später wieder verwertet werden kann (Kaskadenprodukte), sofern der Anteil an schwer eliminierbaren chemischen Bindestoffen reduziert wird. Mit Produkten wie zum Beispiel gedübelten Platten ist dies bereits möglich (Abb. 3).
Alternativen zur Massenproduktion
Abb. 3 - Das Konzept des 100% Naturhausbaus mit gedübelten Platten ohne Klebstoff und Nägel (Firma Thoma, Österreich).
Abb. 4 - Lokal (an den hoch beanspruchten Partien) mit Eschenholz verstärkter Brettschichtträger aus Fichte. Mit solchen Systemen lassen sich die Querschnitte um 30% reduzieren, bei gleichen Leistungen; Hersteller: Firma Neue Holzbau AG, Lungern.
Abb. 5 - Prototyp einer Furnierschichtplatte aus Buche.
Im Bereich der Bauwerkstoffe besteht noch ein grosses Potenzial. Massivholz wird zukünftig vorteilhafter durch zusammengefügte Holzprodukte ersetzt. Innovative, konkurrenzfähige Produkte wie hochwertige Brettschichthölzer sind vielseitiger einsetzbar. Bei guter Qualitätssortierung und in Verbindung mit wertvollen, bisher nicht verwendeten Hölzern (Esche, Buche, Eiche, Kastanie oder Robinie) in den hoch beanspruchten Balkenteilen – sogar als ganze Balken oder an den Knoten – lassen sich schlankere Tragelemente oder höhere Tragweiten realisieren (Abb. 4). Geformte Brettschichtträger sind auch besser dazu geeignet, die konstruktiven Innovations-Fantasien der Architekten zu erfüllen.
Zur Herstellung solcher Produkte ist die Qualität des Rundholzes viel wichtiger als seine Dimension. Und da die technologischen Eigenschaften des adulten Holzes (also des Starkholzes) wesentlich günstiger sind als jene des juvenilen Holzes, würde genau hier unser Heimvorteil und eine günstige Alternative zur Massenproduktion liegen. Nötig wäre eine optimale Sortierung in der ganzen Produktionskette – von der Schlagfläche über den Werkhof bis in die Sägerei. UItraschall und andere Sortierungstechniken könnten dabei helfen.
Auch im Bereich der Verkleidungsmaterialien sind die Möglichkeiten noch nicht ausgeschöpft. So sind Furnierschichtplatten (Typ Kerto) aus geschältem Laubholz (z. B. Buche) weitaus widerstandsfähiger als die traditionellen Spanplatten. Sie sind sogar widerstandsfähiger als Massivholz, weil durch die Sperrtechnik eine äusserst günstige Homogenisierung entsteht. Die Schältechnik ist darüber hinaus sehr rationell und wesentlich effizienter als die Cantertechnik der Profiler. Und sie bevorzugt Starkhölzer. Ausserdem lassen sich die technologischen Eigenschaften mit Buchenholz gegenüber Fichte verbessern, wie Versuche des ehemaligen Lehrstuhls für Holztechnologie der ETH zeigen (Abb. 5). Solche Platten können aus durchschnittlicher Rundholzqualität hergestellt werden.
Was bedeutet das für den Waldbau?
Anstatt die Erzeugung von Schwachholz anzustreben, wäre es sinnvoller, innovative Holzprodukte aus starkem Holz zu entwickeln und den Energieholzbereich auszubauen. Beide Bereiche ergänzen sich und bedingen gemeinsam keine wesentlichen Änderungen der bisherigen Waldbaupraxis. Auch liessen sich so vielfältige, schön strukturierte Mischwälder erhalten.
Das heisst nun aber nicht, dass waldbaulich alles beim Alten bleiben muss. Anders als nach der bisherigen Waldbaulehre sollen die Veredelung und die waldbauliche Wertschöpfung durch Pflege, Auslese und Ausformung nicht mehr notwendigerweise auf alle Individuen eines Bestandes ausgerichtet sein, sondern nur noch auf die (möglichst zahlreichen) echten Zukunftsträger. Für die unterstützenden sowie dienenden Bäume dazwischen, die schlussendlich als Energieholz moderner Prägung enden, braucht es keine wesentlichen Eingriffe. Dieser situativ orientierte Waldbau im Sinne der Konzentration auf das Wesentliche führt zu recht sinnvollen, effizienten Pflegekonzepten nach den Prinzipien der biologischen Rationalisierung.