Um die Anbaueignung von alternativen Baumarten und bisher nicht verwendeter Herkünfte heimischer Baumarten auf unterschiedlichen Standorten über ganz Bayern bewerten zu können, entstand die Idee der Praxisanbauversuche (PAV). Die Praxisanbauversuche dienen als wichtige Ergänzung zu den wissenschaftlichen Herkunftsversuchen. Es sollen dezentral über ganz Bayern hinweg in allen Waldbesitzarten erste waldbauliche Erfahrungen mit alternativen Baumarten und trockenheitstoleranten Herkünfte heimischer Baumarten gesammelt werden. So haben die Bayerischen Staatsforsten bereits 26 PAV mit Atlaszeder und 4 Flächen mit Libanonzeder mit insgesamt ca. 5,5 ha begründet. Daneben entstanden 20 PAV mit Weißtanne der rumänischen Herkunft Avrig mit insgesamt 10,5 ha.
Für den Privat- und Körperschaftswald wurden im Jahr 2020 entsprechende Fördermöglichkeiten (WALDFÖPR 2020) geschaffen. Praxisanbauversuche sind entweder zulässig für alternative Herkünfte, die in den Herkunfts- und Verwendungsempfehlungen (HuV) für Praxisanbauversuche aufgeführt sind oder für alternative Baumarten der Kategorie 2 und 3 der Leitlinien der Bay. Forstverwaltung "Baumarten für den Klimawald" aus dem Jahr 2020. Darin wird die waldbauliche Vorgehensweise und Priorisierung unter Berücksichtigung des Klimawandels in vier Hauptschritte gegliedert.
- Den heimischen Baumarten wird weiterhin eine große Bedeutung zugesprochen.
- Die teilweise Verschiebung ihres Vorkommens und die Stärkung seltener heimischer Baumarten werden als Handlungsschwerpunkte identifiziert.
- Dritter Handlungsschwerpunkt ist die Verwendung alternativer Herkünfte heimischer Baumarten aus anderen Regionen Europas. Hierzu erschienenen 2023 Herkunfts- und Verwendungsempfehlungen (HuV) des Amtes für Waldgenetik (AWG). Dort wurden klimaplastische Herkünfte für heimische Baumarten wie Rotbuche, Trauben- und Stieleiche oder Weißtanne benannt. Ebenso sind Herkünfte für Praxisanbauversuche etablierter alternativer Baumarten wie Douglasie, Schwarzkiefer oder Roteiche aufgeführt. Mit diesen Herkünften sind im Privat- und Körperschaftswald PAV-Flächen mit einer Flächengröße von max. 0,5 ha über das Waldförderprogramm 2020 förderfähig.
- Der vierte Schwerpunkt des waldbaulichen Handels in Bayern ist die Integration von alternativen Baumarten mit hoher Klimatoleranz in die heimischen Ökosysteme. Sie werden in vier Kategorien unterteilt.
- Beinhaltet Baumarten wie Schwarzkiefer, Douglasie, Robinie oder Roteiche. Für sie liegen ausreichende und langjährige Anbauerfahrungen vor. Standörtliche Eignung und Risiken sind bekannt. Die Saatgutgewinnung, Produktion und das Inverkehrbringen sind bei diesen Baumarten durch das Forstvermehrungsgutgesetz (FoVG) geregelt.
- Hier liegen bereits erste Erfahrungen zu den alternativen Baumarten vor. Die Anbaufähigkeit – insbesondere ihre Eignung im künftigen Klima – ist nach aktuellem Wissensstand gegeben. Allerdings gibt es für Mitteleuropa noch keine ausreichenden forstlichen Anbauerfahrungen. In diese Kategorie zählen derzeit Atlas- und Libanonzeder, Bornmüllertanne und Baumhasel; geeignete Herkünfte sind in den HuV aufgeführt.
- Beinhaltet Baumarten, deren Anbaufähigkeit und -würdigkeit sowie Eignung im künftigen Klima noch nicht abschließend geklärt ist. Dabei handelt es sich um 35 Baumarten wie z. B. Griechische Tanne, Silberlinde oder Tulpenbaum.
- Hier sind alternative Baumarten aufgelistet, die nach derzeitigen Erkenntnissen für den forstlichen Anbau ungeeignet sind. Darunter fallen Baumarten wie Sitkafichte, Blauglockenbaum oder Spätblühende Traubenkirsche.
Alle Flächen sowie verschiedene Kennzahlen (Baumart, Herkunft, Zahl der ausgebrachten Pflanzen, Flächengröße und Lagekoordinaten) zu den Praxisanbauversuchen werden zentral an der LWF erfasst. Jeder Antragsteller verpflichtet sich zudem, über einen Zeitraum von 6 Jahren wichtige Kennwerte wie zum Beispiel Überlebensrate, durchschnittliche Qualität und Vitalität sowie durchgeführte Maßnahmen (z. B. Bewässerung, Ausmähen) der LWF rückzumelden.
Die Leitlinien "Baumarten für den Klimawald" werden durch eine Arbeitsgruppe bestehend aus StMELF, AWG, LWF, BaySF, HSWT und dem Ökologisch-Botanischer Garten Bayreuth regelmäßig auf Änderungsbedarf geprüft. Besonders die Einordnung von alternativen Baumarten in die einzelnen Kategorien ist Daueraufgabe.
Aktuell sollen die Ungarische Eiche (Quercus frainetto), die Zerreiche (Quercus cerris), die Orientbuche (Fagus orientalis) und die Rumelische Kiefer (Pinus peuce) in die Kategorie 2 hochgestuft werden. Hierzu wird das AWG entsprechende geeignete Herkünfte veröffentlichen.