Kurzfassung des Dritten Berichts der IUFRO Arbeitsgruppe 1.05.05
Teilnehmer zu Beginn der Versuchsreihe
Zwischen 1969 und 1976 wurden auf einer Fläche von 75 ha in 15 europäischen Ländern 28 Versuche (Abb. 1) mit 458 Einzelfeldern angelegt. Dass die damals nahezu undurchlässige politische Grenze zwischen Ost und West kein Hindernis für eine gemeinsame fachliche Zusammenarbeit darstellte, ist hierbei besonders bemerkenswert.
Versuchsprogramm
Durch ein detailliert ausgearbeitetes Versuchsprogramm sollte der individuelle Entscheidungsspielraum der jeweiligen Versuchsbetreuer auf ein Minimum reduziert werden. Um Bonitätsunterschiede auszugleichen und somit von vorn herein eine bessere Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten, wurden die Eingriffszeitpunkte entsprechend der Oberhöhe der jeweiligen Versuchsanlage definiert. Ausgehend von einer einheitlichen Startbaumzahl von 2.500 Fichten je ha zu Versuchsbeginn wurde für alle Durchforstungsvarianten eine Endbaumzahl von 700 Fichten je ha vorgegeben. In Anlagen mit einer voraussichtlichen Oberhöhe von über 30 m sollte diese Baumzahl in zwei weiteren Eingriffen auf 400 Bäume je ha reduziert werden. Die Auswahl von 400 Z-Bäumen je ha war bei einer Oberhöhe von 10 m vorgesehen. Um ausschließlich die Entwicklung der natürlichen Mortalität beobachten zu können, war die Anlage einer unbehandelten Vergleichsvariante (Beh. 1) für alle Versuchsteilnehmer verbindlich vorgegeben.
Auch Form (25 m x 40 m) und damit Größe (0,1 ha) der einzelnen Felder war vorgegeben. Die Rückegassen waren mit einer Breite von 3,5 m anzulegen. In den Behandlungsvarianten 1 und 6 waren keine Gassen, in Feldern mit vollmechanisierter Aufarbeitung (Beh. 4) Gassen mit einer Breite von 5 m vorgesehen. Die Anlage von Feldern der Behandlungsvarianten 1 bis 5 war für alle Teilnehmer verpflichtend, die der Behandlungen 6 bis 10 freigestellt.
Material und Methodik der Auswertung
Abb. 2: Vfl. D 11c im ehem. Forstbezirk Riedlingen: Beh. 1 (2500 Fi / ha) - ohne Durchforstung.
Abb. 3: Vfl. D 11c im ehem. Forstbezirk Riedlingen: Beh. 2 - frühe Durchforstung.
Die gemeinsame Auswertung im Rahmen des dritten Berichtes beschränkt sich auf den Vergleich der Behandlungen 1 bis 3 (s. Tab. 1, rot hinterlegte Spalten):
- Behandlung 1 – 2.500 Fi / ha ohne Behandlung: Baumzahlabsenkung aufgrund Mortalität und zufälliger Ergebnisse.
- Behandlung 2 – frühe Reduktion auf Endbaumzahl: 3 Durchforstungen zwischen Oberhöhe 10 m und 15 m.
- Behandlung 3 – späte Reduktion auf Endbaumzahl: erster starker Eingriff bei Oberhöhe 10 m, zwei weitere, schwächere Durchforstungen nach langer Hiebsruhe bei Oberhöhe 20 m und 22,5 m.
Um die Reaktion der Z-Bäume auf unterschiedliche Standraumhaltung zu untersuchen, genügte die Spanne von 700 bis 2.500 Fichten je ha. Als Datengrundlage wurden zum einen Bestandeswerte, zum anderen Höhen- und D1,3-Werte der Z-Bäume nach Durchmesserkollektiven erhoben.
Ergebnisse
Baumzahlhaltung
Trotz klarer Vorgaben, erfolgten die Eingriffe in einzelnen Feldern mit zum Teil erheblichen Abweichungen von der festgelegten Oberhöhe. Ursache hierfür war, dass sich Aufnahme- und Behandlungsintervalle an der durchschnittlichen Oberhöhe der gesamten Versuchsanlage und nicht an der feldspezifischen Höhenentwicklung orientierten.
Obwohl die Durchforstungen im Vergleich zum Behandlungsprogramm tendenziell zu spät – im Extrem bis zu 3 Oberhöhenmeter nach dem programmgemäßen Eingriffszeitpunkt – erfolgt sind, bleibt eine ausreichend starke Differenzierung und Abgrenzung der Behandlungsvarianten für einen Vergleich erhalten.
Abb. 4: Stammzahlhaltung der 36 untersuchten Vergleichsfelder der Behandlungen 1 bis 3.
Höhenentwicklung
Innerhalb Europas nimmt das Höhenwachstum der Fichte (Bonität) von S bzw. SO nach N bzw. NW tendenziell ab. Die höchste Wuchsleistung zeigen die Versuche in Österreich (A 18), Tschechien (CZ 13) und Baden-Württemberg (D 11a+c), während in Schweden (S 5), Norwegen (N 3a) und Irland (IRL 2a) die niedrigsten Werte erreicht werden. Dabei blieben die Bonitätsunterschiede zwischen den Versuchen über den gesamten Beobachtungszeitraum hinweg bestehen.
Ein Vergleich der Oberhöhenentwicklung zwischen den Behandlungsvarianten zeigt, dass sich die untersuchten Unterschiede in der Baumzahlhaltung nicht auf die Höhenentwicklung der Fichte auswirken. Dies deckt sich mit Befunden aus anderen Untersuchungen, nach denen sich allenfalls bei extrem hohen bzw. extrem geringen Bestandesdichten geringfügige Auswirkungen auf das Höhenwachstum der Fichte andeuten.
Durchmesserentwicklung
Im Gegensatz zur Höhenentwicklung wird die Durchmesserentwicklung durch die Unterschiede der Bestockungsdichte beeinflusst. In der unbehandelten Variante 1 fällt der Durchmesserzuwachs im Vergleich zu den beiden Durchforstungsvarianten kontinuierlich ab. Auch bei den vitalsten Bäumen wird das Dickenwachstum aufgrund anhaltend starker Standraumkonkurrenz deutlich reduziert.
Die Zuwachsförderung durch die schematische Reduktion auf 2.500 Fi/ha bei OH 5 m (real: 5 m-8 m) verliert nach Erreichen der Höhenstufe 12,5 m mehr und mehr an Wirkung.
Die in den beiden Durchforstungsvarianten planmäßig bei Oberhöhe von 10 m (real: 10 m-13 m) durchgeführte Reduktion auf 1.200 Fichten je ha zeigt eine starke Zuwachs fördernde Wirkung.
Bis zur Höhenstufe von 17,5 m entwickeln sich die Durchmesser beider Varianten auf hohem Niveau nahezu identisch. Danach fällt die Zuwachsleistung der spät durchforsteten Variante hinter die Felder mit frühen Durchforstungen zurück.
Soll der Durchmesserzuwachs dauerhaft auf hohem Niveau gehalten werden, muss die Standraumerweiterung wie in Behandlung 2 kontinuierlich fortgeführt werden. Ein "Schieben" der zweiten Durchforstung (Beh. 3) geht trotz der auch hier erzielbaren Steigerung der Jahreszuwächse zwangsläufig mit Durchmessereinbußen einher
(Abb. 5). Der mit 2 cm nur geringe Durchmesserunterschied resultiert aus der Tatsache, dass die Felder mit früher Durchforstung seit Erreichen der Oberhöhe 15 m nicht mehr durchforstet worden sind.
Bei 25 m Oberhöhe liegen die Durchmesser der 100 stärksten Bäume beider Durchforstungsvarianten um 5 cm, bzw. 7 cm über den Werten der undurchforsteten Felder.
Betrachtet man die durchschnittlichen jährlichen Durchmesserzuwächse der 100 stärksten Z-Bäume je ha (Abb. 6) der drei Behandlungsvarianten, kommt die Reaktion auf die unterschiedlichen Standraumerweiterungen deutlicher zum Ausdruck als beim Vergleich der absoluten Durchmesserwerte (Abb. 5).
In der nicht durchforsteten Variante 1 sinken die Jahreszuwächse analog der absoluten Durchmesserentwicklung ab Oberhöhe 15 m ab. Anstieg und Höhe der Zuwachswerte bis Oberhöhe 15 m resultieren aus der schematischen Reduktion auf 2.500 Fichten je ha bei Oberhöhe 5 Meter.
Die höchsten Durchmesserzuwächse erreicht die früh auf Endbaumzahl reduzierte Behandlung 2. Das Ausbleiben weiterer Durchforstungen nach Oberhöhe 15 m führt im weiteren Verlauf aber zu einer deutlichen Reduktion des Durchmesserzuwachses. Bei Oberhöhe 25 m liegt der Wert des durchschnittlichen jährlichen Durchmesserzuwachses mit wenig über 6 mm annähernd auf dem Niveau der undurchforsteten Behandlung 1.
Der Durchmesserzuwachs der Bäume der Behandlung 3 entwickeln sich bis Oberhöhe 20 m in ihrem Verlauf parallel zu Behandlung 2. Die Durchmesserzunahme je Jahr liegt aber um 2-3 mm niedriger. Die spät geführten Durchforstungen (Oberhöhe 20 m und 22,5 m) fördern zwar den Zuwachs deutlich, das zwischen Oberhöhe 15 m und 20 m ungenutzte Durchmesser-Zuwachspotential ist jedoch verloren.
H/D-Wert
Mit H/D-Werten von 65 bzw. 70 liegen die 50 stärksten Bäume je ha der durchforsteten Varianten im stabilen Bereich. In der undurchforsteten Variante 1 erreichen lediglich die vitalsten Fichten mit ca. 80 einen aus Stabilitätsaspekten noch zu akzeptierenden H/D-Wert.
Für das Kollektiv der 201 bis 250 stärksten Fichten je ha – dem schwächsten Bereich der aktuell in der Waldentwicklungstypen-Richtlinie empfohlenen Z-Baumzahl - verlagern sich diese Werte aber um 15 Punkte nach oben. In der undurchforsteten Variante wird für dieses Kollektiv das Grenzmaß von 80 erheblich überschritten. Auch in Behandlung 3 treten bereits leichte Überschreitungen auf. Lediglich die anhaltend geführten, frühen Durchforstungen der Behandlung 2 gewährleisten selbst bei den schwächsten Z-Bäumen eine ausreichende Baumstabilität. Trotz der nach der letzten Durchforstung bei Oberhöhe 15,0 m langen Hiebsruhe, liegt ihr Wert aktuell unter dem der stabilsten Bäume der undurchforsteten Vergleichsvariante 1 (Abb. 7).
Abb. 7: H/D-Wertentwicklung der 50 stärksten (K. 1-50) und der 201 – 250 stärksten (K. 201-250) Z-Bäume der Behandlungen 1 bis 3.
Abb. 8: Entwicklung der Gesamtwuchsleistung in Behandlung 1 bis
Gesamtwuchsleistung
Mit durchschnittlich 750 VFm je ha erreichen die baumzahlreichen Felder der Behandlung 1 die höchste Flächenproduktivität. Die Gesamtwuchsleistung der spät abgeschlossenen Durchforstung (Beh. 3) liegt um 100 VFm je ha, die der früh beendeten Durchforstung (Beh. 2) um 150 VFm je ha niedriger. Dies bestätigt bekannte Feststellungen, dass geringe Ausgangsbaumzahlen bzw. frühe, starke Stammzahlreduktionen vorübergehend zu Lasten der Gesamtproduktion gehen (Abb. 8). Allerdings entfällt die Mehrproduktion der baumzahlreichen Felder ausschließlich auf schwache, meist defizitärere Sortimente.
Die Frage, wie lange der momentane Vorsprung der baumzahlreichen Variante bei der Gesamtwuchsleistung anhält, lässt sich anhand der hier ausgewerteten Versuche nicht beantworten. Die in den undurchforsteten Vergleichsflächen ab Oberhöhe 20 m einsetzende, starke Abnahme der Baumzahl aufgrund biotischer und abiotischer Schäden (Abb. 4) deutet aber den Beginn der Auflösung dieser Behandlungsvariante an.
Wie stark die Gesamtwuchsleistung in den Durchforstungsvarianten reduziert wird scheint auch durch die Standortsgüte beeinflusst zu werden. Je leistungsstärker der Standort, desto geringer fallen die Unterschiede in der Wuchsleistung aus.
So haben die in Baden-Württemberg auf sehr guten Bonitäten (dGz100 >16 VFm/J/ha) angelegten Flächen der Behandlung 3 bei Oberhöhe 25 m bereits die Gesamtwuchsleistung der unbehandelten Felder erreicht. Der bei den Durchforstungen zur Verfügung gestellte Standraum kann hier offenbar schneller genutzt und effektiver in Wuchsleistung umgesetzt werden, als dies auf schwächeren Standorten der Fall ist.
Aufgrund der dargestellten Ergebnisse können folgende Empfehlungen gegeben werden:
Um defizitäre Schwachholzsortimente weitgehend zu vermeiden, und um das Risiko von Schnee- und Windbruch zu reduzieren, sollte in Fichtenbeständen:
- die Ausgangsbaumzahl auf 1.200-1.500 Pflanzen je ha begrenzt werden;
- die Auswahl und Freistellung der Z-Bäume bei einer Oberhöhe von 12 m-15 m einsetzen;
- die Z-Baumzahl in Abhängigkeit von Standortsgüte und Produktionsziel zwischen 100 und 400 Fichten je ha liegen;
- die Durchforstungen nach einem frühen, energischen Beginn kontinuierlich fortgesetzt werden. Weder die im Versuch enthaltene sehr frühe Beendigung der Durchforstungen (Beh. 2) noch die lange Pause nach der ersten Durchforstung (Beh. 3) erscheinen für das Wachstum wertoptimal.
Anmerkung
Der in englischer Sprache abgefasste Schlussbericht enthält eine detaillierte Darstellung von Versuchsprogramm und -methodik, die Einzelberichte der jeweiligen Versuchsbetreuer sowie eine ausführliche Darstellung der gemeinsamen versuchsübergreifenden Auswertung. Er ist in der Schriftenreihe der Freiburger Forstlichen Forschung (Heft 66) erschienen und kann über die FVA Baden-Württemberg zum Selbstkostenpreis von 12 € bezogen werden.