Die Vogelkirsche, auch Süßkirsche genannt, ist eine Baumart der Gattung Prunus aus der Familie der Rosengewächse (Rosaceae). Sie ist Stammart zahlreicher Kulturformen und ein schnellwachsender, bis 20 Meter (selten bis 30 Meter) hoher Laubbaum mit geradem Stamm. Die Blütezeit liegt zusammen mit der Laubentfaltung im April und Mai, die Fruchtreife im Juli. Das wertvolle und recht harte Holz mit gelblichem Splint und rötlichem Kern wird vor allem für hochwertige Innenausstattungen wie Möbel verwendet.

Verbreitung und Standort

Das Verbreitungsgebiet der Vogelkirsche (Prunus avium L.) umfasst ganz Europa, ausgenommen den Norden Skandinaviens, bis Westsibirien und den Kaukasus. Die Verbreitung reicht vom Tiefland bis ins Gebirge (ca. 1.700 m Höhe). Eingebürgert wurde die Vogelkirsche in Nordafrika, Vorderindien und dem Osten Nordamerikas.

In Baden-Württemberg kommt die Vogelkirsche über das ganze Land verbreitet auf einer Fläche von rund 5.700 ha vor (0,5 % Anteil an der Waldfläche).

Bevorzugt werden sommerwarme, nährstoffreiche, mäßig frische bis frische Standorte mit hoher Basensättigung, schwerpunktmäßig im kollinen Bereich. Die Vogelkirsche ist empfindlich gegen Staunässe. Sie tritt fast immer in Mischung mit anderen Baumarten auf, häufig mit Esche und Ahorn. In der frühen Jugend erträgt sie Halbschatten, ab der Dickungsphase ist sie eine ausgesprochene Lichtbaumart.

Kirschen entfalten ihre Leistung und Qualität (Wertholz) nur auf gut nährstoffversorgten, tiefgründigen, gut wasserversorgten Standorten. Stark saure Standorte sind ungeeignet. Kirschen auf Standorten mit ungenügender Wasserversorgung zeigen häufig eine schlechte Kronenentwicklung (Korbkronen, Zwieselbildung) und verstärkten Gummifluss.

Auf Grund ihrer Wärme- und Trockenheitstoleranz ist die Kirsche an den Klimawandel in Mitteleuropa gut angepasst.

Verjüngung

Bewährte Sortimente sind 1+1 Pflanzen, ca. 80–120 cm, leichte Heister. Bei Kirsche ist Einzelmischung möglich und sogar günstig. Von Reinbeständen wird abgeraten, da sich Kirschen durch gleichstarke Konkurrenten nach wenigen Jahren gegenseitig stark bedrängen. Je nach standörtlichen Voraussetzungen kann die Kirsche zu Esche, Ahorn (bei frischem Wasserhaushalt), Eiche, Hainbuche sowie Lärche (mäßig frische Standorte) gepflanzt werden. Der Reihenverband ist gegenüber dem Quadratverband zu bevorzugen. Bei angestrebten Zieldurchmessern von 50–60 cm werden im Hiebsreifealter Abstände von 12–15 m benötigt. Daran können die Abstände der Kirschenreihen orientiert werden. Pflanzungen an Bestandes- und Wegrändern sind angesichts des hohen Lichtbedarfs besonders günstig. Kirschen vertragen keine Überschüttungen/Anhäufungen im Bereich des Wurzelanlaufes. Die Pflanzen sollten daher hoch gesetzt werden. Vorsicht ist beim Setzen mit Bohrgeräten erforderlich, da hier erfahrungsgemäß sehr tief gepflanzt wird. Die Kirsche verjüngt sich gut durch Vogelsaat oder Wurzelbrut.

Verbiss- und Fegeschutz ist unbedingt erforderlich, da das Rehwild die Kirsche sehr stark verbeißt. Gute Erfahrungen wurden hierbei mit dem Einsatz von Wuchshüllen gemacht.

Herkünfte, Provenienzen

Die Qualität des Pflanzgutes hängt stark von den Erbanlagen ab. Geradschaftigkeit, Kronenentwicklung und Neigung zu Gummifluss können genetische Ursachen haben. Die Kirsche unterliegt erst seit 2003 dem Forstvermehrungsgutgesetz (FOVG). Davor war der Vertrieb nur unzureichend gesetzlich geregelt und entsprechend viel Pflanzgut mit schlechter Qualität im Vertrieb. Seit 2003 sind Erntebestände der Kategorie "Ausgewählt" zugelassen, über deren Nachkommenschaftsqualität aber noch wenig Erfahrungen vorliegen. Daher ist Pflanzgut aus Samenplantagen ("qualifiziertes" Vermehrungsgut) oder der Kategorie "geprüft" bei der Pflanzenwahl zu bevorzugen:

  • Qualifiziert: Samenplantage "Waldkirsche Liliental", "Samenplantage Löwenstein"
  • Geprüft: "Silvaselect", gewebekulturvermehrte, auf Wuchsleistung selektierte Einzelklone.

Waldbauliche Behandlung

  • Z-Bäume sind aufgrund des raschen Jugendwachstums und der für die Wertholzerzeugung obligatorischen Ästung (Totasterhalter!) frühzeitig auszuwählen. Die Ästung der Z-Bäume sollte spätestens in einem Alter von vier Jahren erfolgen. Dies fördert auch Gesundheit und Widerstand gegen Stammfäule. Bei der Grünästung sollten jeweils nur 2–3 Astquirle stehen bleiben, bis eine astfreie Schafthöhe von 6–10 m erreicht ist. Die Untergrenze zur Wertholzerzeugung ist eine astfreie Stammlänge von 3 m.
  • Standraum: Als Faustregel für den Standraum/Mindestbaumabstand gilt: mindestens BHD x 25 (Spiecker, 1994); bei Zieldurchmesser 50 cm bedeutet dies einen Abstand von rund 13 m. Die Standfläche der Z-Bäume ist planmäßig zu erweitern, die Krone freizustellen. Durch Grünästung in der Jugend und durch kontinuierliche Standraumerweiterung der Z-Bäume können Totäste vermieden und dadurch das hohe Fäulerisiko eingeschränkt werden.
  • Häufigkeit der Durchforstung: beständig und in kurzen Abständen. Die zeitlichen Abstände der Durchforstungen sind abhängig vom BHD der Z-Bäume und sollten wegen des schnellen Jugendwachstums in jungen Beständen kürzer sein als in alten. Als Anhalt kann folgender Turnus gelten: 2-jährig bis Alter 20, 3-jährig bis Alter 30, 4-jährig bis Alter 40. Aus wirtschaftlichen und waldbaulichen Gründen sollte eine Beschränkung auf Freistellung der Z-Bäume erfolgen.
  • Forstliche Nutzung: die Hiebsreife ist individuell zu beurteilen, da Stammfäule bereits im Alter von 70–90 Jahren auftreten kann. Hochleistungsklone wie "Silvaselect" lassen auf sehr guten Standorten eine Hiebsreife ab dem Alter von 50 Jahren erwarten.

Problemstellungen

Seit einigen Jahren gibt es Rückmeldungen über schlechte Schaftformen an bewährten Provenienzen wie z.B. der Samenplantage "Liliental".

Bisher haben sich folgende mögliche Gründe für Kirschen schlechter Qualität finden lassen:

  • Pflanzen wurden noch vor Gültigkeit des FoVG unter dem Markenname "Liliental" vertrieben, stammen aber tatsächlich aus unbekannter Herkunft. Die FVA untersucht die genetische Zusammensetzung der Plantage Liliental und stichpunktartig landesweit die Genotypen ihrer in den letzten Jahren ausgepflanzten Nachkommenschaften. Nach bisheriger Einschätzung wurden in den letzten 20 Jahren rund 50 % mehr Pflanzen unter dem Namen "Liliental" vermarktet, als die Samenplantage tatsächlich produzieren konnte.
  • Falsche Standortwahl (zu mager, zu trocken) kann die Ausprägung von schlechten Kronen- und Stammformen fördern.
  • Die Kirschen-Blattlaus (Myzus cerasi) breitet sich seit einigen Jahren aus und kann komplette Bestände sowie Einzelbäume befallen. Der Befall führt zum Verkümmern der Leittriebe und den danach austreibenden untergeordneten Trieben, was eine Wertholzproduktion sehr erschwert. Erkennbar ist der Befall an den gekräuselten Blättern und verkümmerten Leittrieben. Die Bekämpfung ist schwierig und muss auf die lokalen Verhältnisse abgestimmt werden.
  • Falsche waldbauliche Behandlung: Die Kirsche ist ein Baum mit besonderen Eigenschaften und Behandlungsnotwendigkeiten (s. o). Werden diese nicht berücksichtigt, kann kein Wertholz erzielt werden.

Aber: Ein Herkunftsversuch der Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft Rheinland-Pfalz, bei dem acht Herkünfte aus dem Verbreitungsgebiet der Vogelkirsche in Rheinland-Pfalz mit der Vergleichsherkunft "Samenplantage Waldkirsche Liliental" untersucht wurden, zeigt bisher folgendes Ergebnis (2009):

  1. Die Herkunft "Samenplantage Waldkirsche Liliental" zeigt die beste Wuchsleistung bezüglich Höhe und Durchmesser, gefolgt von der Plusbaum-Herkunft Zweibrücken.
  2. Beide Herkünfte weisen gute Stammqualitäten auf und neigen nicht zu Ästen mit großem Durchmesser.
  3. Herkünfte aus denselben Forstämtern (d. h. Wuchsbezirken) zeigen erhebliche Unterschiede in Wuchshöhe, Durchmesser und Stammqualitäten.

Herkunftsversuche der FVA Baden-Württemberg, der Sächsischen Landesanstalt für Forsten sowie des Institutes für Genetik in Wien bestätigen diese Ergebnisse.

Literatur

  • Scholz, H., Scholz, I.: Prunoideae. In: Hans. J. Conert u.a. (Hrsg.): Gustav Hegi. Illustrierte Flora von Mitteleuropa. Band 4 Teil 2B: Spermatophyta: Angiospermae: Dicotyledones 2 (3). Rosaceae 2. Blackwell 1995.
  • Schütt, P., Schuck, H. J., Stimm, B. (Hrsg.): Lexikon der Baum- und Straucharten. Das Stan­dardwerk der Forstbotanik. Morphologie, Pathologie, Ökologie und Systematik wichtiger Baum- und Straucharten. Hamburg: Nikol, 2007.
  • Spiecker, M. 1994: Wachstum und Erziehung wertvoller Waldkirschen. Mitteilungen der FVA Baden-Württemberg (Heft 181) - Freiburg.
  • Zentralstelle der Forstverwaltung; Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft Rheinland-Pfalz (Hrsg.): Zum Anbau und Wachstum von Vogelkirsche und Birke. Mitteilun­gen aus der Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft Rheinland-Pfalz Nr. 67/09.