Auf einer jüngeren Kiefern- beziehungsweise Birken-Versuchsfläche der FVA ließ sich die Schadanfälligkeit von Bäumen gegenüber unmittelbar nach der Durchforstung auftretende Nassschneefälle untersuchen: Bei beiden Baumarten nimmt die Anfälligkeit mit steigendem H/D-Wert hoch signifikant zu. Außerdem hatten die Dichte der Bestände zum Zeitpunkt des Schneefalls sowie die Stärke der unmittelbar vorhergehenden Durchforstung einen gewissen Einfluss, der jedoch eindeutig hinter der Wirkung des H/D-Wertes zurück trat.

Originäres Ziel wachstumskundlicher Versuchsflächen ist es, die Auswirkung einer definierten Behandlung auf das Wachstum zu untersuchen. Störungen im Versuchsverlauf sind da eigentlich unerwünscht. Manchmal ist es jedoch so, dass durch eben solche – wenn auch ungebetene – Störungen Aspekte untersucht werden können, die mit der Versuchsanlage ursprünglich gar nicht beabsichtigt waren.

So führte in den 1970er Jahren die Untersuchung massiver Schäden durch Nassschnee in Fichten- und Kiefern-Versuchsflächen zu der Erkenntnis, dass der H/D-Wert einen hervorragenden Weiser für die Stabilität der Schäfte gegen Schneelasten bildet. Ein weiteres Beispiel ist die in jüngster Vergangenheit durchgeführte umfassende Analyse und Modellierung von Sturmschäden auf der Basis aller auf unseren Versuchsflächen einzelbaumweise dokumentierten zufälligen Nutzungen.

Nassschneeereignisse auf Versuchsflächen

Bezüglich Schneeschäden war es vor kurzem wieder einmal so weit. Zwei Nassschneeereignisse führten im März 2006 in einer Kiefern-Versuchsfläche der FVA nahe Freiburg und wenige Jahre später im Oktober 2012 in einer Birken-Versuchsfläche nahe Stuttgart zu erheblichen Schäden. Beide Flächen waren jeweils unmittelbar vor den Schneefällen im Rahmen ihres Versuchsprogramms durchforstet worden. Nach Erfassung der vom Schnee beschädigten Bäume unmittelbar nach dem Schadereignis ergab sich dadurch die Möglichkeit, möglichen Zusammenhängen zwischen den aufgetretenen Schäden, der Behandlung sowie der Entwicklung von Beständen und Bäumen quantitativ nachzugehen.

Zwar unterscheiden sich die beiden Fälle hinsichtlich Baumart, Versuchsort, Behandlungsregime, Entwicklungsstand und dem Schneefall selbst (vgl. Kasten und Tab. 1). Damit fehlt die unmittelbare Vergleichbarkeit, und die beiden Ereignisse müssen streng genommen jeweils für sich getrennt betrachtet werden. Trotzdem ist ein Vergleich aufschlussreich.

Tab. 1: Wachstumskundliche Kennwerte der untersuchten Kiefern- und der Birken-Versuchsfläche. Zum Vergrößern anklicken.

Während die Gefährdung breitkroniger Flachlandkiefern durch Nassschnee seit langem bekannt und dokumentiert ist, erscheinen Schneeschäden an einer Laubbaumart wie der Birke zunächst erstaunlich. Sie werden jedoch zum einen durch den frühen Zeitpunkt des Schneefalls erklärlich, als die Laubverfärbung eben erst eingesetzt hatte (Abb. 1, 2). Zum anderen sind Schneeschäden bei Birke tatsächlich ein durchaus bekannter Risikofaktor.

Abb. 2: Zustand der Birken-Versuchsflächen im Dezember 2013; links: unbehandeltes Kontrollfeld mit 1.900 Birken/ha; Mitte: Feld Z-Baum-Durchforstung mit 1.300 Birken/ha; rechts: solitärartiges Feld mit 400 Birken/ha).

Versuchsflächen

Kiefer: Die Versuchsfläche Kie 120 befindet sich im Oberrheinischen Tiefland nahe Hartheim am Rhein. Die Versuchsfläche liegt in einem 1961 mit 24.000 Kiefern je Hektar gepflanzten Bestand. 1982 wurde hier ein Standraumversuch angelegt. Der Versuch besteht aus sechs Feldern mit stark variierender Baumzahlhaltung (Spanne bei Versuchsanlage 4.300-8.100 Kiefern je Hektar). Unmittelbar nach Aufnahme und Behandlung des Versuchs im Winterhalbjahr 2005/2006 (vgl. Tab. 1) verursachte im März 2006 (Alter 47 Jahre) ein später Nassschneefall Schäden in nennenswertem Umfang nahezu ausschließlich durch Bruch. Bei fünf der sechs Felder konnten die vom Schnee beschädigten Bäume nach dem Schadereignis nach Baumhöhe, Durchmesser und der Höhe der Bruchstelle am Stamm erfasst werden. Bei einem Feld war dies aufgrund (zu) rascher Aufarbeitung des Schadholzes nicht mehr möglich.

Birke: Die Versuchsfläche Bi 7 liegt im Neckarland nahe Leonberg. Sie entstand aus einer Sukzession auf einer durch den Sturm Lothar 1999 verursachten Freifläche. Bei Anlage des Versuchs im Winterhalbjahr 2010/2011 lag die Baumzahl im Mittel bei gut 2.000 Birken je Hektar. Der Versuch ist Teil der LSD-Versuchsreihe der FVA (Laubbaum-Standraumversuch: Solitär- bis Dichtstand). Zu Versuchsbeginn wurden daher drei Felder mit sehr kontrastreicher Baumzahlhaltung angelegt (1.900, 1.200, und 400 Birken je Hektar). Im Jahr nach Anlage des Versuchs verursachte im Oktober 2012 (Alter 13 Jahre) im noch belaubten Bestand ein früher Nassschneefall erhebliche Schäden. Unmittelbar nach dem Schadereignis wurden alle drei Felder erneut aufgenommen und dabei auch die vom Schnee beschädigten Bäume erfasst (vgl. Tab. 1). Soweit es sich um individuell nummerierte Bäume handelte, wurden Durchmesser und Höhe gemessen; bei den auf Strichliste erfassten Birken wurde nur der Durchmesser ermittelt und die Höhe der Bestandeshöhenkurve entnommen. Die 467 beschädigten Birken waren zum weitaus überwiegenden Teil gebogen (95 %), lediglich knapp 5 % waren gebrochen.

Einfluss H/D-Wert: summarische Schäden getrennt nach Baumart

Die Schäden betrafen bei beiden Baumarten vor allem schlanke Bäume und bestätigen damit die Erfahrungen aus früheren Untersuchungen an Kiefern. Im Vergleich zum Kollektiv der unbeschädigten Bäume zeichneten sich beschädigte Kiefern oder Birken durch im Mittel signifikant geringere Durchmesser beziehungsweise signifikant höhere H/D-Werte aus (Tab. 2).

Bei Darstellung nach H/D-Klassen (Stufenbreite: 10) wird deutlich, dass bei beiden Baumarten der Anteil vom Schnee beschädigter Bäume mit steigendem H/D-Wert zunächst rasch zunimmt und dann nach Erreichen eines Maximums in eine Art Plateau übergeht (Abb. 3).

Tab. 2: Mittelwerte und Standardfehler (SE) von Durchmesser und H/D-Werten unbeschädigter und beschädigter Kiefern bzw. Birken nach Nassschneefall. Zum Vergrößern anklicken.

Einfluss H/D-Wert: Art der Schadausprägung getrennt nach Baumart

Anhand der verfügbaren Messungen konnte bei den gebrochenen Kiefern auch geprüft werden, inwieweit der H/D-Wert mit der Höhe der Bruchstelle am Stamm zusammenhängt. Abb. 4 zeigt die relative Länge des nach einem Bruch verbliebenen Stammstücks in Abhängigkeit des H/D-Werts der jeweiligen Kiefer. Nach der Darstellung scheint zwar die Höhe der Bruchstelle am Stamm tendenziell mit sinkendem H/D-Wert zu steigen. Allerdings ist die Streuung der Werte so groß, dass sich auf der Basis des verfügbaren Datenmaterials kein statistisch gesicherter Zusammenhang ableiten lässt.

Diese Beobachtung korrespondiert im Prinzip mit den Befunden einer früheren Analyse aus 1970er Jahren zu Schneeschäden in einer Kiefern-Versuchsfläche im Oberrheintal, wo sich ebenfalls andeutete, dass Kiefern mit Kronenbrüchen (höher am Stamm liegende Bruchstelle) tendenziell niedrigere H/D-Werte aufwiesen als Kiefern mit Stammbrüchen (tiefer am Stamm liegende Bruchstellen). Aber auch damals waren diese Zusammenhänge nur schwach ausgeprägt.

Für Birke wurde differenziert, inwieweit der H/D-Wert möglicherweise damit zusammenhängt, ob die Bäume gebrochen oder gebogen worden waren. Für die vom Schnee gebogenen Bäume ergab sich dabei ein eindeutiges Ergebnis. Die H/D-Werte dieser Birken lagen statistisch hoch signifikant (Signifikanzniveau < 0,5%) sowohl über denen der intakten als auch der gebrochenen Birken (Tab. 3).

Tab. 3: Mittelwerte und Standardfehler (SE) von H/D-Werten der vom Schnee beschädigten Birken. Zum Vergrößern anklicken.

Für die gebrochenen Birken ergab sich dagegen ein anderes Bild: die H/D-Werte lagen interessanterweise im Mittel unter denen der intakten Bäume. Dieser Unterschied war jedoch statistisch gesehen kaum signifikant, da er sich erst auf einem Signifikanzniveau von 10 % absichern ließ. Dabei muss aufgrund der geringen Fallzahl (nur 22 gebrochene Birken) offen bleiben, ob dieses Ergebnis möglicherweise dem (zu) geringen Stichprobenumfang geschuldet war.

Zusammenwirken H/D-Wert mit anderen Faktoren

Um zu untersuchen, welche Faktoren außer dem H/D-Wert möglicherweise eine Rolle spielen, wurden multiple lineare Regressionen durchgeführt. Geklärt werden sollte dadurch, welchen Beitrag verschiedene Einflussgrößen auf den Anteil der vom Schnee beschädigten Bäume hatten. Geprüft wurde der Einfluss folgender vier Prädiktoren: mittlerer H/D-Wert der H/D-Klasse (Klassenbreite: 10), Baumart (Kiefer, Birke), Bestandesdichte (Grundfläche) und Durchforstungsstärke vor Schnee (Entnahme in Prozent des Bestandes).

Die Berechnungen ergaben, dass die Disposition für Schäden durch Schnee in erster Linie vom H/D-Wert abhing. Bestandesdichte beziehungsweise Durchforstungsstärke hatten vergleichsweise deutlich geringere Bedeutung; dies traf bei beiden Baumarten zu. Ganz offensichtlich kommt der vom H/D-Wert indizierten Schaftstatik für die Disponierung jüngerer Kiefern und Birken für Schneeschäden dieselbe Bedeutung zu wie bei Fichte. In diesem Zusammenhang sei allerdings einschränkend darauf hingewiesen, dass sich die Gültigkeit diese Aussage aufgrund der vorliegenden Datenbasis bei Birke nur für Nassschnee-Ereignisse formulieren lässt, die die Bäume im belaubten Zustand treffen.

Frühe und konsequente Durchforstung

Vor dem Hintergrund dieser Befunde wird klar, dass frühe und konsequente Stammraumerweiterungen (idealerweise als Z-Baum-Durchforstung) auch bei Kiefern- oder Birken-Beständen das zentrale Element zur Stabilisierung gegen Schneeschäden bilden. Sie gewährleisten durch gezielte Förderung des Durchmesserwachstums eine günstige Entwicklung des H/D-Werts und mindern so das vor allem in der Jugendphase gegebene Schadensrisiko durch Schnee. Waldbaulich vorteilhaft ist dabei, dass andere potentielle Dispositionsfaktoren wie Bestandesdichte oder Eingriffsstärke in dieser Entwicklungsphase der Bestände eine nur vergleichsweise geringe Bedeutung für die Disposition für Schneeschäden haben, so dass ihnen bei der Durchforstung kein (übermäßiges) Augenmerk gewidmet werden muss.

Allerdings sind Standraumerweiterungen grundsätzlich untrennbar mit verstärkter Astentwicklung verbunden. Bei beiden Lichtbaumarten ist daher Wertästung unverzichtbar, wenn (astfreies) Wertholz mit stabilen Bäumen produziert werden soll. Frühe Standraumerweiterungen in Verbindung mit Ästung sind bei Kiefer schon seit längerem als etabliertes waldbauliches Verfahren in einschlägigen Richtlinien umgesetzt. Ein vergleichbares Vorgehen empfiehlt sich auch zur Stabilisierung der für Schneeschäden offenbar besonders disponierten Birke. Dies erscheint auch unproblematisch, da die für diese Lichtbaumart typische Wachstums- und Astcharakteristika ohnehin ein Pflegekonzept mit frühen Standraumerweiterungen in Verbindung mit Ästung nahe legen.