Neben dem weiteren Vorgehen für die einzelnen Betriebe erschließt sich aus den erhobenen Zahlen auch der eventuelle Bedarf an übergeordneter Steuerung durch die Verwaltung, so z.B. hinsichtlich des Holzmarktes (Forstschädenausgleichsgesetz) oder der Etablierung von Fördermöglichkeiten für besonders betroffene Forstbetriebe.

Die Erfahrungen aus den Stürmen "Wiebke und Vivian" 1990 haben in Baden-Württemberg gezeigt, dass eine möglichst genaue Aufnahme vieler Parameter bereits in den ersten Tagen nach dem Ereignis die Mitarbeiter der Forstbetriebe unter großen Druck setzt. Dies trifft insbesondere auf Mitarbeiter in stark geschädigten Betrieben zu. Bei Winterstürmen kann ein nach dem Ereignis eintretender Wintereinbruch mit Frost und Schnee zu weiteren Verzögerungen der Schadensmeldungen führen. Auf der anderen Seite fehlen den mittleren und obersten Behörden die nötigen Informationen zur Steuerung, wenn nach einer groben Ersteinschätzung der Schäden keine genaueren Zahlen folgen.

Als für alle Seiten akzeptabler Mittelweg wird daher ein 2-stufiges Verfahren vorgeschlagen, in dem in den ersten Tagen nach dem Ereignis eine Groberhebung des Schadens erfolgt. In den darauffolgenden Wochen kann dann eine genaue Schätzung des Sturmholzanfalls vorgenommen und die Zahlen verfeinert und aktualisiert werden:

  1. Groberhebung der Sturmholzmenge
  2. genaue Aufnahme der Sturmholzmenge/ Schäden ("Feinerhebung")

Groberhebung der Sturmholzmenge (innerhalb der ersten 24 Stunden)

Ziele der Groberhebung:

  • Überblick über Größe und Ausmaß der Sturmschäden, d.h. Sturmholzmenge und Flächengröße
  • Information der politischen Entscheidungsträger, um eventuelle Hilfsmaßnahmen bzw. –programme und Unterstützung zu initiieren (z.B. Förderprogramme, Verordnung zum Forstschädenausgleichs­gesetz)
  • Information der Öffentlichkeit
  • Erste Anhaltspunkte für das weitere Vorgehen bei der Sturmschadensbewältigung, Strategiebildung (Einschlagsstopp, erster Abgleich zwischen Arbeitsvolumen und Arbeitskapazität sowie Lagermöglichkeiten)

Zu erhebende Parameter der Grobeinschätzung je Revier:

  • Holzanfall in fm, getrennt nach Laubholz/ Nadelholz und im Gesamten sowie nach Waldbesitzern, soweit dies möglich ist
  • Schadensfläche in ha

Meldung der Zahlen innerhalb von 24 Stunden nach dem Ereignis an:

Baden-Württemberg

Rheinland-Pfalz

KreisforstämterForstämter
Diese bündeln die Meldungen und leiten sie weiter an die 
Forstabteilungen der Regierungspräsidien in Freiburg und Tübingen (Abt. 8)Struktur- und Genehmigungs­direktion Süd, Zentralestelle der Forstverwaltung (ZdF), Neustadt a. d. W.
sowie an die 
Abteilung Landesforstverwaltung am Ministerium für Ernährung und Ländlichen RaumAbteilung Landesforsten am Ministerium für Umwelt und Forsten


Die erste Groberhebung der Schäden bzw. der Sturmholzermittlung kann aufgrund der gebotenen Eile und dem durch eventuell durchzuführenden Sofortmaßnahmen (Hilfseinsätze, Öffnen von Verkehrswegen etc.) beschränkten Zeitfenster nur als erste Einschätzung angesehen werden. Die Erfahrungen nach "Lothar" haben jedoch gezeigt, dass Vertrautheit mit dem Revier und die langjährige Erfahrung der Revierleiter eine relativ gute Einschätzung der Lage ermöglichen. Trotzdem kann es aufgrund der besonderen Schwere der Schäden und entsprechender Arbeitsbelastung in den ersten Stunden nach dem Ereignis vorkommen, dass erste Grobeinschätzungen nicht innerhalb der genannten Zeit abgegeben werden können. Als Hilfe für einen grobe Abschätzung können die Bestandeswerte aus der Forsteinrichtung herangezogen werden. Über das Volumen in Vfm und den Flächenbezug kann zumindest eine grobe Schadensschätzung erfolgen.

Bei nicht zugänglichen oder nicht einsehbaren Flächen kann möglicherweise mithilfe von Hubschrauberflügen ein Überblick verschafft werden.

Feinerhebung der Sturmholzmenge bzw. der Schäden (genaue Inventur)

Ziele der genauen Erhebung:

  • Die genaue Erhebung der Sturmschäden soll vorrangig für die Mitarbeiter vor Ortals Hilfsmittel zur genauen Planung der Sturmholzaufarbeitung dienen. Deshalb ist es wichtig, neben den Sturmholzmengen und der Größe der Sturmholzflächen weitere Parameter wie z.B. Baumarten, Art der Schäden (Flächenschäden oder Streuschäden, Wurf/ Bruch), die Geländeverhältnisse und die Dringlichkeit der Aufarbeitung (z.B. wertvolle Sortimente, Forstschutzsituation, Erschließungssituation) für jede Sturmfläche einzeln aufzunehmen.

Zu erhebende Parameter bei der genauen Inventur der Schadensfläche:

  • Holzanfall in fm je Schadensfläche, nach Baumarten
  • anfallende Sortimente
  • Schadensfläche in ha
  • Art der Schäden
  • Geländeverhältnisse und Erschließungssituation
  • Forstschutzsituation, Dringlichkeit der Aufarbeitung
  • Art der Aufarbeitung
  • Unternehmereinsatz/ eigene Arbeitskräfte
  • Kapazitätsbedarf
  • Sonstiges (Verjüngung, Arbeitsverfahren, Technikeinsatz)

Planung des weiteren Vorgehens und der zu treffenden Maßnahmen bei der Sturmschadensbewältigung; Strategiebildung (Aufarbeitungsreihenfolge und –verfahren, Sortimente, Lagerungsarten und -möglichkeiten, Auswirkungen auf den Holzmarkt bzw. Holzverkauf sowie Prognosen für auftretende Forstschutzprobleme) auf genauen Grundlagen sowohl auf Revierebene als auch auf Direktions- bzw. Länderebene.

Information der politischen Entscheidungsträger, um eventuelle Hilfsmaßnahmen bzw. –programme und Unterstützung zu initiieren (z.B. Förderprogramme, Verordnung zum Forstschädenausgleichsgesetz).

Als hilfreich hat es sich erwiesen, die Sturmflächen mit Angaben über Größe und Sturmholzanfall in (Revier-)Karten einzuzeichnen (z.B. Schwarzdrucke, 1: 10 000). Neben den Sturmflächen können auch mögliche Lagerplätze oder Aufarbeitungsplätze eingezeichnet werden.

Einsatz von Helikoptern/Kleinflugzeugen und Fernerkundungsdaten

Neben den unerlässlichen terrestrischen Schadenserhebungen und -einschätzungen durch MitarbeiterInnen der Betriebe in den ersten Tagen nach dem Ereignis, die insbesondere für die weitere betriebsinterne Vorgehensweise dringend gebraucht werden, kann der Einsatz von Helikoptern (oder Kleinflugzeugen) helfen,

  • schnell einen Gesamteindruck über die Lage zu erlangen,
  • Schäden in entlegenen oder nicht bzw. schwierig zu erreichenden Waldgebieten zu begutachten (z.B. Plateaulagen, große zusammenhängende Flächen).

Voraussetzungen und Maßnahmen zur Vorbereitung der Flüge:

  • Damit Mitarbeiter der Forstämter/ unteren Forstbehörden die Möglichkeit einer zeitnahen Befliegung erhalten, sollte nicht nur auf Amtshilfe anderer Behörden (z.B. Polizei etc.) zurückgegriffen, sondern Flüge auch bei privaten Anbietern gechartert werden.
  • Notwendig ist ein ausreichend großes Zeitfenster, damit der Forstbezirk/ Landkreise bzw. die Schadflächen oder Reviere abgeflogen und einzelne Bereiche näher in Augenschein genommen werden können.
  • Die Flüge sollten von den Forstamtsmitarbeitern unbedingt vorbereitet werden. Die Flugzeit lässt sich effektiver nutzen, wenn die gewünschten Flugroute bereits im Vorfeld festgelegt wird. Die wertvolle Flugzeit kann somit für eine genauere Betrachtung wichtiger Flächen genutzt werden.
  • Photoapparat und/ oder Videokamera sollten zur Dokumen­tation der Sturmwurf­flächen mitgeführt werden. Die Er­fahrungen haben gezeigt, dass Photos oder Filme, die nach dem Flug in Ruhe angesehen und ausgewertet werden konnten, sehr hilfreich für das weitere Vorgehen waren.
  • Zur ersten Orientierung sind Revierkarten-Leerdrucke im Maßstab 1:25.000 (Schwarzdrucke) oder ältere Luftbildaufnahmen hilfreich. In diese können – wenn das vom Ablauf des Fluges her möglich ist – Sturmflächen direkt eingezeichnet werden.

Für eine genaue Kartierung oder Schaderhebung sind die Flüge allerdings nur mit Einschränkungen geeignet (wenig Zeit für eine genaue Orientierung; schwierige Abgrenzung der Flächen auf der Karte; Einzelwürfe sind aus der Luft nicht oder nur schwer zu erkennen etc.).

Eine Befliegung kann terrestrische Begehungen nicht ersetzen, sondern nur ergänzen. Der psychologische bzw. emotionale Effekt der Flüge ist gut, und wer keine Möglichkeit hat, in den Wald zu gelangen, kann sich aus der Luft einen guten Überblick verschaffen. Wenn die schnelle Erfassung mithilfe von Fernerkundungsdaten (s.u.) nicht möglich ist, können die Flüge entsprechende Informationsdefizite überbrücken.

Fernerkundung

Ergebnisse des Projektes "Sturmmon" der Universität Freiburg, Abteilung Fernerkundung und Landschaftsinformationssysteme (Stand 2003):

 

Sturmereignis im Winter

Sturmereignis im Sommer

Ausgangslage
  • Niedriger Sonnenstand, d.h. größere Schattenbereiche, v. a. in geographisch stark bewegtem Gelände (v.a. Schwarzwaldhoch­lagen, Schwäbische Alb, Pfälzerwald)
  • Gebiete mit Schnee (Mittelgebirge)
  • Längere Schlechtwetterperioden nach dem Sturmereignis, was den Einsatz von passiven Fernerkundungssensoren erschwert
  • Hohes Verwechslungspotential von Laubwald mit möglichen Sturmflächen
  • Höherer Sonnenstand, besser für die Erfassung geeignet
  • Kein Schnee
  • Schlechtwetterperioden nicht ganz so ausgeprägt wie im Winter
  • Der Laubwald ist in belaubtem Zustand, das Verwechslungspotential mit Sturmflächen wird dadurch erheblich gesenkt
Schnelle Erfassung der SchädenGegenwart:
  • flugzeuggetragene Radarbefliegung (X-, L-Band) mit der Aufzeichnung von Kohärenzdaten. Sehr hohe räumliche Auflösung (min. 1-2 m). Aufnahme sog. "Hot Spots" (punktuelle Aufnahme wichtiger Bereiche).

Zukunft:

  • Auswertung satellitengestützter Radardaten (TerraSAR, Radarsat-2).
Gegenwart:
  • Hochbefliegung Luftbild, Befliegungsmaßstab ca. 1:40.000, wenn möglich Farbinfrarotfilm. Essentiell: Eine unverzügliche Beauftragung der Befliegung und eine schnelle Besserung der Wetterlage.
  • flugzeuggetragene Radarbefliegung (X-, L-Band). Aufzeichnung von Kohärenzdaten. Sehr hohe räumliche Auflösung (min. 1-2 m). Punkt­uelle Aufnahme wichtiger Bereiche.
  • Eingeschränkt (Zeitbedarf): Kombination aus Landsat TM multispektral und IRS-1C pan­chromatisch
  • SPOT 5 multispektral (für Kartierung auch Pan-Daten). Eine unverzügliche Bestellung ist erforderlich, um schnell Daten zu erhalten.

Zukunft:

  • Auswertung satellitengestützter Radardaten (TerraSAR, Radarsat-2)
  • RapidEye
Kartierung der SchaderfassungGegenwart:
  • Hochbefliegung Luftbild, Befliegungsmaßstab ca. 1:40.000, wenn möglich Farbinfrarotfilm.
  • Kombination multispektraler SPOT 5 Daten mit SPOT 5 panchromatisch; Daten mit einer räumlichen Auflösung von 5 x 5 m, besser 2,5 x 2,5 m)

Zukunft:

  • SPOT 5, s.o.
  • RapidEye
Gegenwart:
  • Hochbefliegung Luftbild, Befliegungsmaßstab ca. 1:40.000, wenn möglich Farbinfrarotfilm.
  • Kombination multispektraler SPOT 5 Daten mit SPOT 5 panchromatisch; Daten mit einer räumlichen Auflösung von 5 x 5 m, (besser 2,5 x 2,5 m) Eine unverzügliche Bestellung der Daten ist erforderlich.

Zukunft:

  • SPOT 5 multispektral und panchromatisch (s.o.)
  • RapidEye

Literatur

  • Landesforstverwaltung Baden-Württemberg (Hrsg.): Schriftenreihe der Landesforstverwaltung, Baden-Württemberg Bd. 83: Orkan "Lothar" – Bewältigung der Sturmschäden in den Wäldern Baden-Württembergs, S. 113-123.
  • Steinmeier, C.; Schwarz, M.; Holecz, F.; Stebler, O.; Wagner, S., (2002): Evaluation moderner Fernerkundungsmethoden zur Sturmschadenerkennung im Wald. Birmensdorf, Eidg. Forschungsanstalt WSL. 194 S.

Ratgeber Forstliches Krisenmanagement

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