Allgemeines
Die Erfahrungen mit den Sturmereignissen der letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass in der Folge immer mit Waldschutzproblemen – dabei meist Borkenkäferkalamitäten – zu rechnen ist. Auf die Gradation von Rindenbrütern folgt in der Regel auch eine starke Vermehrung holzbrütender Insektenarten. Sturmfolgeschäden lassen sich zwar nicht ganz vermeiden, aber immerhin deutlich beeinflussen.
Gemäß Landeswaldgesetz Baden-Württemberg [§ 14 (1), Nr. 5] und Pflanzenschutzgesetz [§ 2a (1)] ist das Vorgehen bei Waldschutzproblemen nach den Richtlinien des "Integrierten Waldschutzes" gesetzlich vorgeschrieben. Nach dem Landeswaldgesetz Rheinland-Pfalz [§ 5(1) Nr. 7] ist auf Pflanzenschutzmittel grundsätzlich zu verzichten.
Grundprinzipien des integrierten Waldschutzes
- Schwerpunkt in der Vorbeugung
- Kombination aus waldbaulichen, biologischen, mechanisch/technischen und chemischen Maßnahmen
- Ausnutzung aller ökologischen Wirkungen
- Reduktion des Pflanzenschutzmittelbedarf (Insektizide) auf ein Mindestmaß durch Ausschöpfen aller nichtchemischen Methoden.
Ein Einsatz von Insektiziden ist nur dann vorgesehen, wenn alle anderen Möglichkeiten zur Abwendung von Schäden abgewogen und ausgenutzt wurden und dennoch erhebliche Schäden für den Waldbesitzer zu erwarten sind (ein Insektizideinsatz ist bei zertifizierter Waldfläche u. U. sogar ausgeschlossen). Im integrierten Waldschutz werden grundsätzlich drei verschiedene Unterziele verfolgt, die bei der Maßnahmenplanung eindeutig unterschieden werden müssen:
- Vorbeugung (Prophylaxe): Maßnahmen, mit denen die Entstehung eines Schadens verhindert werden soll (z. B. saubere Waldwirtschaft, naturnaher Waldbau). Im konkreten Fall nach dem Sturm betrifft dies die Aufarbeitungsstrategie bzw. die Aufarbeitungsreihenfolge des Sturmholzes.
- Bekämpfung: Offensive Maßnahmen, die einen akut auftretenden Schaden verringern und unmittelbar drohende Folgeschäden am verbleibenden Bestand vermeiden sollen (z. B. rasche Aufarbeitung und Entrindung von Stehendbefall). Die Bekämpfung zielt auf eine schnelle Absenkung der örtlichen Populationen der Käfer und damit auf eine Vermeidung weiterer Schäden hin.
- Objektschutz: Defensive Maßnahmen, die einen akut bevorstehenden Schaden von einem schützenswerten Gut (z. B. Lagerholz, Bestandesrand) abwenden sollen (z. B. massiver Einsatz von Lockstofffallen in einem Käfernest, Polterbehandlung mit Pflanzenschutzmitteln).
Die Wahl der Waldschutzmaßnahme und deren Intensität muss stets am Ziel orientiert sein. Objektschutz und Bekämpfung sind unterschiedliche Zielsetzungen. Insektizide werden als ultima ratio ausschließlich nur im unmittelbaren Bedarfsfall als Objektschutz angewendet.
Der erfolgreiche Kampf gegen holz- und rindenbrütende Insekten hängt neben den oben beschriebenen Aktivitäten auch ganz entscheidend von den herrschenden Rahmenbedingungen ab.
Es gibt in Mitteleuropa grundsätzlich keinen Witterungsverlauf, durch den allein eine Massenvermehrung nach großen Sturmereignissen verhindert werden könnte. Nach einem regional bedeutsamen Sturmereignis kommt es bei Fichte stets zu einer Massenvermehrung des Buchdruckers.
Folgende Faktoren bestimmen, ob es zu einer größeren Gefährdung von ganzen Regionen kommen kann:
- Zeitpunkt des Sturmereignisses (Jahreszeit)
- Sturmholzanfall
- Baumartenverteilung in den Beständen und Anteil am Sturmholz
- Populationsdichte der Schädlinge
- Witterungsverlauf v.a. nach dem Schadereignis
- Allgemeiner Gesundheitszustand des Waldes
Rahmenbedingungen zugunsten von Forstbetrieben
- "früher" Sturmzeitpunkt, bei Winterstürmen bis ca. Mitte Januar
- insgesamt "geringe" Sturmholzmenge (z.B. bis zu der Höhe eines normalen Jahreseinschlags)
- bei Borkenkäfer an Nadelhölzern: geringer Anteil an Fichte sowohl in der Sturmholzmenge als auch in den verbleibenden Beständen
- Niedrige Populationsdichte von holz- und rindenbrütenden Insekten zum Zeitpunkt des Sturmes
- Kühle Temperaturen und viel Niederschlag in den Monaten April bis September in den Sturmfolgejahren (bedingen schlechtere Entwicklungschancen für holzzerstörende Insekten)
- Sturmschadensschwerpunkte in höheren Lagen (bedingen schlechtere Entwicklungschancen für holzzerstörende Insekten)
- Ebene Lagen zur einfachen Kontrolle auf Käferbesatz und Bringung befallenen Holzes
Auswirkungen der Massenvermehrungen von holz- und rindenbrütenden Insekten
Das Gefüge der wirtschaftlichen Einbußen infolge von Massenvermehrungen rinden- und holzbrütender Käferarten ist sehr komplex. Allein der unmittelbare Schaden am Produkt Rundholz durch den Buchdrucker muss mit mindestens 20 – 25 Euro/Efm Käferholz beziffert werden.
Zu Beginn einer Massenvermehrung müssen bereits alle Möglichkeiten des integrierten Waldschutzes zur Eindämmung der Borkenkäfergefahr konsequent ausgenutzt werden, da in dieser Phase die Bekämpfungsmaßnahmen besonders effektiv sind. Viele nicht oder zu spät erkannten und beseitigten Schäden potenzieren sich im Verlauf der Massenvermehrung um ein Vielfaches. Deshalb wirkt sich der Waldschutzaufwand insbesondere in den ersten Jahren, selbst wenn er zunächst nicht im Verhältnis zum unmittelbaren Nutzen zu stehen erscheint, auf Grund seiner prophylaktischen Wirkung in der Gesamtbilanz positiv aus.
kurzfristig | mittelfristig | langfristig |
Preisverfall durch die Überlastung von Holzmarkt- und Lagerkapazitäten | Erhöhter Waldschutzaufwand (z.B. verstärktes Monitoring, Verbrennen von befallenem Material, Entrindung, Pflanzenschutzmitteleinsatz etc.) | Einschränkungen in der Baumartenwahl (z. B. Vermeidung der Wirtsbaumart), etc. |
Technische Schäden und Verfärbungen durch Insekten und Pilzbefall am befallenen Holz -> Preisverfall | Vor- und Freihalten von Arbeits- und Maschinenkapazitäten | Massen- und Wertzuwachsverluste |
Verlust von Schutzfunktionen (z. B. Erosionsschutz, Windschutz etc.) | Erhöhter Organisationsaufwand (z. B. Aktualisierung der Einschlagsplanung, Beschaffung von Arbeitskapazitäten, Urlaubsplanung, Rechtfertigung des Betriebsergebnisses etc.) | Gefährdung der Nachhaltigkeit (je kleiner der Betrieb, desto gravierender) |
Erhöhter Ernte- und Bringungsaufwand durch zerstreuten Hiebsanfall zur Unzeit (z. B. erhöhte Rüst- und Verteilzeiten, Schäden am verbleibenden Bestand etc.) | Bereitstellungsaufwand für die notwendige Infrastruktur (z. B. Erschließung, Maschinen, Ausbildung etc.) |
Übersicht: Folgen von Insektenkalamitäten. |
Ratgeber Forstliches Krisenmanagement
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