Aus dem aktuellen Befallsgeschehen von Borkenkäfern in Nordamerika lassen sich Erkenntnisse und Lehren für den Umgang mit Massenvermehrungen von Borkenkäfern in Mitteleuropa gewinnen.

Bei der Suche nach möglichen Lehren aus dem Auftreten von Borkenkäfern in Nordamerika für den Umgang mit Borkenkäfern in Mitteleuropa gilt es neben vielen Gemeinsamkeiten auch die teilweise recht deutlichen Unterschiede der Verhältnisse zu berücksichtigen. Die unseres Erachtens wichtigsten Erkenntnisse und Folgerungen sind dabei im folgenden kurz skiziiert.

Grundlegende Unterschiede im Artenspektrum der "Baumtöter"

Der wohl augenfälligste Unterschied zwischen Nordamerika und Mitteleuropa betrifft sicherlich das Artenspektrum der Borkenkäfer, durch deren Stehendbefall es zum Absterben von Bäumen in wirtschaftlich bedeutsamem Ausmaß kommen kann. In Nordamerika gehören nahezu alle wichtigen "Baumtöter" der Gattung Dendroctonus an (die Gattungsbezeichnung Dendroctonus bedeutet sinngemäß übersetzt tatsächlich "Töter von Bäumen"). Dagegen stammen in Mitteleuropa die gefährlichen Rindenbrüter mit dem größten Potential zum aggressiven Stehendbefall mit Ausnahme des Kupferstechers (Pityogenes chalcographus) vorwiegend aus der Gattung Ips, wie beispielsweise die beiden Buchdruckerarten an Fichte, der Große Buchdrucker (Ips typographus) und der Lärchenborkenkäfer (Ips cembrae).

Im natürlichen Verbreitungsgebiet einer Baumart besteht kein prinzipieller Schutz

Auch hinsichtlich der Verbreitung der Schadgebiete gibt es einen grundlegenden Unterschied zwischen Nordamerika und Mitteleuropa, aus dem sich bereits eine erste Lehre gewinnen lässt. Aufgrund der waldgeschichtlichen Entwicklung betrifft Buchdruckerbefall in Mitteleuropa schwerpunktmäßig Fichtenvorkommen auf Standorten außerhalb des natürlichen Verbreitungsgebietes dieser Baumart. Die Verhältnisse in Nordamerika machen allerdings nachdrücklich klar, dass Autochthonie einer Baumart oder Vorkommen im natürlichen Verbreitungsgebiet keinesfalls einen prinzipiellen Schutz gegen Borkenkäferbefall zur Folge haben. In Nordamerika sind nämlich aktuelle und natürliche Verbreitungsgebiete der Wirtsbaumarten noch weitestgehend deckungsgleich und die zum Teil enormen Borkenkäferschäden betreffen daher regelmäßig besonders auch die natürlichen Verbreitungsgebiete der Bäume.

Mit der Stärke der Bäume nimmt das Risiko zu

Bei der Einschätzung der gefährdungsrelevanten Faktoren findet sich bei allen aggressiven Dendroctonus-Arten in Nordamerika klare Hinweise darauf, dass das Gefährdungspotential der Wälder mit dem Anteil reiferer Entwicklungsphasen und/oder dem Anteil stärker dimensionierter Bäume zunimmt. Der Grund dürfte vor allem darin liegen, dass diese relativ großen Borkenkäferarten nur in Bäume mit relativ dicken Bast- und Borkenlagen Brutsubstrate für eine optimale Entwicklung finden (Fettig und Hilszczanski 2015). Vergleichbare Beobachtungen gelten übrigens auch für – die ebenfalls relative großen – Buchdrucker. Auch hier werden ganz offensichtlich bevorzugt stärker dimensionierte Fichten besiedelt, während schwächer dimensionierte Bäume meistens nur ein vergleichsweise geringeres Gefährdungspotential für aggressiven Stehendbefall aufweisen (Vité 1984).

Wärme und Trockenheit erhöhen das Risiko

Insbesondere am Beispiel vom Southern pine beetle (Dentroctonus frontalis) zeigt sich eindrücklich, dass die Entwicklung der Käfer und die Dynamik der Befallsausbreitung in warmen Klimaten erwartungsgemäß grundsätzlich rascher verläuft als in kühleren Klimaten (s. Southern pine beetle in den USA – ein schlafender Vulkan?). Warme Jahre bedingen daher grundsätzlich eine Erhöhung der Gefährdung. Zumal in solchen Jahren regelmäßig auch Perioden mit angespannten Verhältnissen bei der Wasserversorgung der Bäume auftreten. Bei Nadelbäumen korrespondiert eine angespannte Wasserversorgung unmittelbar mit einem reduzierten Harzungsvermögen. Zusätzlich zum infolge steigender Populationsdichten erhöhten Befallsdruck ist dann gleichzeitig die Widerstandskraft der Bäume gegen Borkenkäferbefall beeinträchtigt. Eine ausgesprochen gefährliche Kombination.

Diese grundsätzlichen Zusammenhänge lassen die Erwartung plausibel erscheinen, dass Erwärmungstendenzen grundsätzlich mit einer Erhöhung des Borkenkäferrisikos verbunden sein dürften. Dies kann anhand von Beispielen sowohl in Nordamerika (s. Die gefährlichsten Borkenkäfer in den USA) als auch in Mitteleuropa gezeigt werden. Im Fall vom Pinyon Ips (Ips confusus) wird dabei deutlich, dass in extremen Warmjahren die Kombination "angeheizter" Käferreproduktion und reduziertem Wirtswiderstand sogar so kritisch werden kann, dass dann selbst grundsätzlich eher sekundäre Borkenkäferarten zu erfolgreichem Stehendbefall übergehen und umfangreiche Mortalität auslösen können.

Kühles Klima bietet keine Sicherheiten

Grundsätzlich laufen Borkenkäfer-Massenvermehrungen unter kühlen Klimabedingungen zwar langsamer ab. Kühle Klimate bieten jedoch trotzdem keinen prinzipiellen Schutz. Anschaulich wird dies an den Beispielen Mountain pine beetle (Dendroctonus ponderosae) beziehungsweise Spruce beetle (Dendroctonus rufipennis). Die von diesen beiden Borkenkäferarten verursachten Schäden treten zwar in Bereichen mit relativ kühlen beziehungsweise ausgesprochen kalten Klimaten auf. Trotzdem entwickeln sich auch hier Schadflächen gewaltigen Ausmaßes. Es geht lediglich etwas langsamer und dauert daher etwas länger.

Der Dynamik von Borkenkäferbefall in kühleren Klimaten mangelt es daher keinesfalls am Schadpotential. Den Käferpopulationen scheint hier lediglich das jähe Eruptionspotential abzugehen, mit dem sich bei manche Borkenkäferarten wie beispielsweise Dendroctonus frontalis in ausgesprochen warmen Klimaten aus der Latenz nahezu übergangslos Massenvermehrungen entwickeln können. Eine Erkenntnis, die auch in Mitteleuropa so neu nicht zu sein scheint, wie beispielsweise ein Bericht zu den leidvollen Erfahrungen im Zusammenhang mit einer Buchdrucker Massenvermehrung in den Hochlagen des Bayerischen Waldes bereits Ende des 19. Jahrhunderts zeigt: "Dann mag noch mitgewirkt haben, daß man in diesen hohen und rauhen Lagen des bayrischen Waldes eine gewisse Immunität gegen den Borkenkäfer zu haben glaubte, so versicherten mir wenigstens mehrere Forstmänner, und in Folge dessen die Vorsichtsmaßregeln nicht in einer Weise und Ausdehnung traf, wie es nöthig gewesen wäre." (Schwappach 1875).

Rechtzeitig und energisch: die Knackpunkte wirkungsvoller Gegenmaßnahmen

Weitestgehend unbestritten ist, dass es keine Möglichkeiten gibt, durch Gegenmaßnahmen einen durch günstige Umweltkonstellationen bedingten Ausbruch einer Borkenkäfer-Massenvermehrungen zu verhindern beziehungsweise eine solche wirkungsvoll zu beenden. Massenvermehrungen enden regelmäßig durch für die Käfer ungünstige Witterungsentwicklungen und/oder durch Verknappung bruttauglichen Materials beziehungsweise der Wirtsbäume. Nicht selten besteht zwar aus naheliegenden Gründen die Vermutung, dass auch biologische Gegenspieler eine Massenvermehrung ungeachtet der genannten Faktoren beenden könnten. Bei Borkenkäfern fehlt solchen Erwartungen jedoch weitgehend die faktische Grundlage. Während beispielsweise bei Schmetterlingen nicht selten zu beobachten ist, dass biologische Gegenspieler den Zusammenbruch von Gradationen auslösen, scheinen diese jedoch für die Beendigung großräumiger Massenvermehrungen von Borkenkäfern keine nennenswerte Rolle zu spielen. Jedenfalls sind uns bisher weder aus Nordamerika noch aus Europa entsprechende Fallbeispiele bekannt.

Gegenmaßnahmen beeinflussen jedoch sehr wohl die Intensität des Befallsgeschehens. Dabei zeigt vor allem das Fallbeispiel von Dendroctonus frontalis (s. Southern pine beetle in den USA – ein schlafender Vulkan?), dass die Wirksamkeit ganz entscheidend davon abhängt, dass die Maßnahmen möglichst frühzeitig und konsequent begonnen werden müssen. Zögerliches Agieren insbesondere zu Beginn einer Massenvermehrung führt durch ungebremsten Populationsanstieg zur raschen Potenzierung des Befallsdrucks und lässt sich daher in der Wirkung durch spätere Maßnahmen nicht mehr vollumfänglich kompensieren.

Sicherlich ist nicht jeder im Randbereich unbewirtschafteter Wälder auftretende Neubefall durch Borkenkäfer darauf zurückzuführen, dass Käfer aus aktiven Befallsherden in benachbarte vorher unbefallene Waldgebiete "überspringen". Trotzdem wird vor allem am Beispiel von Dendroctonus frontalis sehr deutlich, dass ungebremste Massenvermehrungen in solchen unbewirtschafteten Gebiete das Befallsrisiko für benachbarte Wälder ganz offensichtlich in nennenswertem Umfang erhöhen. Dies gilt es daher beispielsweise bei der Gestaltung von Schutzgebieten mit hohen Anteilen potentiell befallsgeeigneter Wirtsbäume durch geeignete Konzeptionen strategisch zu berücksichtigen.

Ein Vergleich der Verhältnisse in Nordamerika und Mitteleuropa weist auch darauf hin, dass nur eine ausreichende Erschließung der Waldbestände sowie in angemessenem Umfang verfügbare Aufarbeitungs- und Abfuhrkapazitäten gewährleisten können, dass die zur Erhaltung des Waldes entscheidenden Maßnahmen rechtzeitig und effektiv ergriffen werden können. Dies trifft auch für das zeitnahe und fortlaufende Monitoring zu, um eine wesentliche Grundlagen für richtige Terminierung und den gezielten Arbeitseinsatz bieten zu können.

Besteht die Gefahr der Einschleppung nordamerikanischer Borkenkäfer?

Diese Fragestellung ist wohl vor allem in Bezug auf den Douglas-fir beetle (Dendroctonus pseudotsugae) besonders interessant, da die Douglasie (Pseudotsuga menziesii) auch in Mitteleuropa weit verbreitet ist. Ihr wird hier besonders auf trockenen Standorten aufgrund ihrer Wuchsleistungen und dem im Zusammenhang mit dem prognostizierten Klimawandel erwarteten guten Anpassungspotenzial eine große Bedeutung zugemessen. Ein weiterer Vorteil wird darin gesehen, dass die in Mitteleuropa angebaute Douglasie im Gegensatz zur Fichte (Picea abies) gegenwärtig nicht wesentlich durch rindenbrütende Borkenkäfer gefährdet ist. Im natürlichen Verbreitungsgebiet der Douglasie treten allerdings regelmäßig Massenvermehrungen des Douglas-fir beetle auf (s. Die gefährlichsten Borkenkäfer in den USA), bei denen es durch den vergleichsweise wirtsspezifischen Käfer zu aggressivem Primärbefall kommt.

Grundsätzlich erscheint eine Verschleppung nach Europa allerdings nur zusammen mit Holzmaterial denkbar, dem noch die Rinde anhaftet. Im allgemeinen kann daher die Gefahr der Einschleppung bei Einhaltung der bestehenden phytosanitären Maßnahmen und des marginalen Umfangs an in Rinde aus Nordamerika verbrachten Douglasienholzes als vergleichsweise gering eingeschätzt werden. In Europa konnte der Douglas-fir beetle bisher jedenfalls noch nicht nachgewiesen werden. Allerdings weist die Tatsache, dass der Käfer in China an aus Nordamerika importiertem Holz bereits abgefangen wurde (EPPO 2015) darauf hin, dass eine Einschleppung auch in Europa nicht prinzipiell unmöglich ist. In Anbetracht des steigenden Welthandels ist daher die Einhaltung phytosanitärer Maßnahmen und von Quarantäne-Bestimmungen ausgesprochen wichtig.

Literatur

  • Fettig, C.J., Hilszczanski, J. (2015): Management strategies for bark beetles in conifer forests. In: F.E. Vega, R.W. Hofstetter (Hrsg.) Bark beetles: Biology and ecology of native and invasive species. Springer, London, S. 555-584.
  • Schwappach, A. (1875): Der Borkenkäfer im bayrischen Walde. Monatsschrift für das Forst- und Jagdwesen, S. 156-168.
  • Vité, J.P. (1984): Erfahrungen und Erkenntnisse zur akuten Gefährdung des mitteleuropäischen Fichtenwaldes durch Käferbefall. AFZ-Der Wald, 39, S. 249-252.