Die Einbindung von unterschiedlichen Fernerkundungsdaten in die österreichische Waldinventur (ÖWI) ist kein neues Thema. Das Institut für Waldinventur am BFW befasst sich bereits seit über zehn Jahren mit der Ableitung waldspezifischer Informationen aus Infrarotluftbildern und Orthofotos. Ein großer Fortschritt ist aber in den letzten Jahren bei der Auswertung von Satellitenbildern gelungen, die es ermöglichen, zeitlich hochauflösende Information über Veränderungen im Wald zu generieren.
Die wesentliche Grundlage dafür ist das sogenannte Phänologie-Modell. Die Sentinel 2-Satelliten senden uns seit 2016 optische Informationen aus dem All, die für die Berechnung von unterschiedlichen Vegetationsindizes verwendet werden. Damit können spektrale Veränderungen der Vegetation über das Jahr gut dargestellt werden: Je grüner, desto vitaler ist die Vegetation. Im Frühjahr baut sich das Blattgrün verstärkt auf, im Herbst verändert sich die Färbung Richtung gelb und rot (Abb. 1).
Hinter dieser Darstellung stehen rund 400 Millionen Waldpixel und für jedes 10 x 10 m Pixel werden Vegetationsindizes berechnet. Mittlerweile liefert das Satellitentandem theoretisch alle fünf Tage Bilder, die wir in unseren Modellen verarbeiten können. Um brauchbare Satellitenbilder für die weitere Prozessierung zu erhalten, sind möglichst störungsfreie Witterungsbedingungen erforderlich. Wolken verhindern den direkten Blick auf die Erdoberfläche, damit sind diese Bilder für die weitere Bearbeitung nicht brauchbar. Je mehr störungsfreie Bilder vorhanden sind, desto stabiler und verlässlicher wird auch das Modell.
Abbildung 2 zeigt einen typischen Verlauf eines immergrünen Waldpixels zwischen 2016 und 2022. Die weißen Punkte sind die verwertbaren Satellitenbilder. Zwischen 2016 und Ende 2021 zeigt sich ein sehr gleichmäßiger Verlauf des Vegetationsindex. Wenn es dann zu einer Störung kommt, passiert genau das, was am Ende des Verlaufes (2022) sichtbar wird: Der Vegetationsindex bricht ein, wodurch eine klare Differenz zur normalen Modellinie ersichtlich wird.
Das Ausmaß des Schadens wird durch die Größe der entstehenden Differenzfläche charakterisiert, also wie stark der reduzierte Vegetationsindex vom Normalzustand abweicht. Außerdem kann der Beginn als Schadeintrittsdatum erfasst werden. Derart abrupte Veränderungen werden durch den Algorithmus des BFW vollautomatisch für jedes Pixel erkannt.
Einsatzgebiete Osttirol und Oberkärnten
Nach dem Borkenkäfer-Hauptschadensgebiet Mühl- und Waldviertel in den Jahren 2017 bis 2020 wurde das Phänologie- und Störungsmodell zunächst in Osttirol angewendet und auch validiert. Dabei kamen auch Infrarot-Orthofotos zum Einsatz. Die Luftbildbefliegungen werden serienmäßig alle drei Jahre durchgeführt und sind für die Validierung gut geeignet. Für eine rasche Schadensauswertung sind sie jedoch meist recht spät verfügbar.
Vergleicht man Luftbilder vom Sommer 2018 mit jenen aus dem Sommer 2021 (Abb. 3), zeigt sich klar das Ausmaß der Katastrophe, das mit Vaia im Herbst 2018 begonnen hat. Ganze Wälder auf Berghängen fielen dem Sturm zum Opfer. Daran anschließend haben zusätzlich zahlreiche Schneebrüche ideale Bedingungen für den Buchdrucker geschaffen, der sich prompt in Folgenjahren massenhaft vermehren konnte. Es war für die Waldbesitzer:innen und Behörden eine nahezu unlösbare Herausforderung die Aufarbeitungen zeitgerecht durchzuführen, da zum einen die betroffenen Flächen schwer zugänglich waren, zum anderen die Logistik an ihre Grenzen stieß: Die Kapazitäten bei den Holzschlägerungs- und Seilbringungsunternehmen waren natürlich begrenzt.
Die Spuren von Vaia lassen sich aus den Satellitenbildern zeitlich differenzierter ableiten (Abb. 4): Die Flächen des Sturmschadens 2018 sind blau gekennzeichnet. Auf den Sturm folgten Schneebrüche im Jahr 2019 und 2020, das sind die gelb und orange gefärbten Flächen. In der Folge dieser Schäden hat sich dann auch der Borkenkäfer deutlich verbreiten können, diese Flächen sind blassrosa eingezeichnet.
Genau die gleiche Methode hat das BFW für Kärnten angewendet. Legt man noch die Hinweiskarte Schutzwald darüber, erhält man die Informationen für den Objektschutzwald (die färbigen Gebiete in Abb. 5). Die weißen Flächen sind Objektschutzwälder, die keine Störung aufweisen. Die beiden Bezirksforstinspektionen Hermagor und Spittal an der Drau waren sehr stark betroffen. Die Gesamtwaldfläche beide Bezirke beträgt 183.400 Hektar, davon sind 39.400 Hektar Objektschutzwald. Von den rund 25.000 Hektar, die von Borkenkäfern und Windwurf betroffen sind, liegen 6.700 Hektar im Objektschutzwald.
Blick in die Zukunft
Das Fernerkundungsteam des BFW kann nicht nur die Schadflächen abgrenzen, sondern auch Vorratskarten berechnen, die sich aus hochauflösenden Luftbildern ableiten lassen. Die Verknüpfung mit zeitlich höher auflösenden Satellitenbildern und die automatisierte Abgrenzung verschiedener Schadereignisse steht aber derzeit noch im Entwicklungsstadium. Weitere Informationen können mit den Ergebnissen verknüpft werden, wie zum Beispiel mit der Baumartenkarte, die auch in den vergangenen Jahren aus Satellitenbildern erarbeitet wurde.
Hinter diesen einfach erscheinenden Kartendarstellungen stehen Prozesse, die sehr komplex sind. Dafür wird das sogenannte "Deep Learning" genutzt. Eine Vielfalt an Daten fließt in die Berechnungen ein, um beispielsweise Baumarten und Baumartenmischungen abgrenzen zu können.
Nutzen für die Forstpraxis
Das Institut für Waldinventur des BFW hat viele positive Rückmeldungen von den Behörden aus Tirol und Kärnten zu den Auswertungen erhalten. Mit dieser Methode ist es erstmals möglich, relativ rasch und kosteneffizient großflächige Schadereignissen und deren Folgeschäden abschätzen zu können. Natürlich gibt es auch Skeptiker:innen, die den Ergebnissen kritischer gegenüber stehen, denn jedes Modell hat auch Fehler. Aus unseren bisherigen Erfahrungen wissen wir aber, dass sich diese Fehler in einem relativ kleinen Rahmen halten. Waldbesitzer:innen, die regelmäßig in ihrem Wald die Borkenkäfersituation beurteilen, werden aktuellere Informationen haben und können dann auch entsprechend zeitgerecht handeln und Maßnahmen setzen. Wenn es sich jedoch um schwer zugängliche Lagen handelt, können regelmäßige Auswertungen eines Gebietes auch für diese Nutzergruppe sehr hilfreich sein. Das BFW wird in Zukunft jedenfalls jährlich und in Hotspot-Gebieten auch unter dem Jahr Informationen bereitstellen können.