Klimawandel, Artenverlust, volatile Holzpreise, gesellschaftliche Ansprüche, neue Gesetze – die Herausforderungen für diejenigen, die Wald besitzen und bewirtschaften, sind immens und innovatives Handeln ist gefragt. 

Im Mittelpunkt des Projektes FOREST4EU stehen sogenannte Operationelle Gruppen (OG), die aus Mitteln der Gemeinsamen Agrarpolitik und Landesmitteln finanziert werden. Mittlerweile gibt es gut 3.500 solcher innovativer Praxisprojekte, die für konkrete Fragen vor Ort innovative Lösungen finden und diese umsetzen. Die Anzahl der forstlichen OGs ist noch gering, aber wachsend – so auch in Deutschland. Eine der ersten Forst-OGs hierzulande ist der “Bienenwald Hessen”. Kleinprivatwaldbesitzende haben sich mit Imkern zusammengetan, um ein neues Bewirtschaftungskonzept für ihre Schadholzflächen zu entwickeln und umzusetzen. Die OG Zukunftsfähiger Bienenwald wird durch die EU im Rahmen der Europäischen Innovationspartnerschaft (EIP-Agri) und den Entwicklungsplan für den ländlichen Raum des Landes Hessen 2014 - 2020 (EPLR) gefördert. Das Projekt wird wissenschaftlich begleitet. Neben der Holzproduktion soll der neu begründete Bienenwald auch Einkommensmöglichkeiten für Nicht-Holz Waldprodukte wie etwa Honig schaffen. Eine im Februar 2024 an der Universität Göttingen abgeschlossene Masterarbeit liefert nun erste Erkenntnisse über die Geschäftsfeldentwicklung mit Honig.

Nicht-Holz Waldprodukte

Honig zählt neben Pilzen, Beeren, Nüssen und Harz zu den sogenannten Nicht-Holz Waldprodukten. Laut Definition der Internationalen Welternährungsorganisation (FAO) handelt es sich bei Nicht-Holz Waldprodukten um Güter bzw. Produkte aus dem Wald mit biologischem Ursprung: “… goods derived from forests that are tangible and physical objects of biological origin other that wood.” Hierzulande gilt für Wälder das freie Betretungsrecht. Hobbysammler dürfen für den eigenen Gebrauch und in geringen Mengen Pilze und Beeren sammeln. Auch trifft man bei Waldbesuchen gelegentlich auf Bienenstöcke, die Imkerinnen und Imker nach Abstimmung mit den betroffenen Waldbesitzenden dort aufstellen.

Die Erwirtschaftung von Erträgen aus diesen Nicht-Holz Waldprodukten ist in Deutschland jedoch unüblich. So erwirtschaften zum Beispiel private Forstbetriebe mit über 200 ha Wald nahezu 100 % ihrer Einnahmen aus dem Verkauf von Holz, für kommunale Forstbetriebe sind es über 90 %. Für die Vermarktung von Nicht-Holz Waldprodukten gibt es kaum Vertriebswege.

Potenziale von Nicht-Holz Waldprodukten als Geschäftsfeld

Das innovative Praxisprojekt “Zukunftsfähiger Bienenwald Hessen”, das für die Dauer von 3 Jahren aus Mitteln der Gemeinsamen Agrarpolitik finanziert wird (2022-2025), tritt den Beweis an, dass sich die Geschäftsentwicklung für Honig und Nüsse lohnen könnte. Dies legt eine im Februar 2024 abgeschlossene Masterarbeit der Universität Göttingen nahe, in der Marcus Ziegler “die Rentabilität einer auf Nebennutzung ausgerichteten naturnahen Waldwirtschaft” untersucht hat.

Das Projekt "Zukunftsfähiger Bienenwald" in Hessen

Hessen gehört zu den waldreichsten Bundesländern in Deutschland. Die mit Fichten dominierten Wälder waren in den letzten Jahren jedoch von den Auswirkungen des Klimawandels (Hitze, Trockenheit, Sturm) und sich daran anschließendem Borkenkäferbefall stark betroffen. Abgestorbene und kahle Waldflächen prägen in weiten Teilen das Landschaftsbild in Hessen. Zwei landwirtschaftliche Betriebe haben sich deshalb mit Imkern und Bienenspezialisten zusammengetan, um eine neue Richtung einzuschlagen. Sie gründeten die Operationelle Gruppe “Zukunftsfähiger Bienenwald Hessen.” Dieser Wald soll vielfältiger Lebensraum für bestäubende Insekten und nicht-bestäubende Insekten sein, viel CO₂ speichern können und Holzproduktion ermöglichen. Das Konzept verbindet den Naturschutz und den Schutz von Bienen und anderen Bestäubern mit der Forstwirtschaft und der Produktion von Nichtholzprodukten aus dem Wald.

“Wir wollten einen Wald gestalten, der für Honigbienen und andere bestäubende Insekten Lebensräume mit klimaresistenten Baumarten bietet. Auch die Erhöhung der Artenvielfalt im Ökosystem Wald war uns wichtig. Gleichzeitig muss der Wald für die Waldbesitzenden finanziell rentabel sein …” Judith Treis, Koordinatorin des Projekts “Zukunftsfähiger Bienenwald”

Nicht-Holz Waldprodukte bieten veritable Einkommensmöglichkeiten

Eine Möglichkeit, die Rentabilität von forstlichen Investitionen einzuschätzen, ist die Kapitalwertmethode. Bei dieser Methode wird die Aufforstung einer Fläche mit einem bestimmten forstlichen Produktionssystem als Investition betrachtet. Insgesamt wurden 5 Varianten solcher Produktionssysteme untersucht. Dem Fichtenreinbestand mit dem Ziel einer reinen Holzproduktion wurden zwei Varianten von Buchen-Douglasien-Mischbeständen (mit und ohne Honigproduktion) sowie zwei Varianten mit unterschiedlichen Edellaubgehölzen gegenübergestellt, die sich in der Bandbreite der Nicht-Holz-Waldprodukte (Honig, Nüsse, Himbeeren) voneinander unterscheiden.

Marcus Ziegler zeigt, dass sich mit Nicht-Holz Waldprodukten neue Einkommensmöglichkeiten für Waldbesitzende erschließen lassen. “Eindeutig ist” – so das zentrale Ergebnis seiner Masterarbeit – “dass zusätzliche Flächennutzung [mit Gehölzen für Honig und Nüsse] den Kapitalwert weit über ein Niveau von Flächen mit reiner Holzproduktion anheben kann.” Mit Honig kann die nach einer Aufforstung noch offene Waldgesellschaft eines Buchen-Douglasien-Mischbestandes schnell ökonomisch genutzt werden. Eine höhere Rentabilität verspricht der Anbau eines Kirschen-Wertholzbestandes mit Esskastanie (Wertholzgewinnung und Maronennutzung) und Honigproduktion.

Die Untersuchung hat außerdem die staatliche Förderung von einzelnen Baumarten und Maßnahmen wie die Einzäunung von aufgeforsteten Flächen als “signifikanten Einflussfaktor auf die Vorteilhaftigkeit und Amortisationszeiträume der Investitionen” aufgezeigt. Die Fördervorgaben von Forstverwaltungen können somit nicht nur Anreize für die Anpflanzung und Pflege von insektenfreundlichen Wäldern, sondern auch für die Etablierung neuer Einkommensmöglichkeiten für Waldbesitzende schaffen.

Geschäftsentwicklung für Waldhonig braucht gute Rahmenbedingungen

Das Europäische Forstinstitut (EFI) und die FAO haben zuletzt verstärkt auf das Potenzial von Nicht-Holz Waldprodukten hingewiesen. In dem kürzlich erschienenen Bericht “Non-wood forest products for people, nature and the green economy. Recommendations for policy priorities in Europe” kommt das Autorenteam zu dem Schluss, dass vier Faktoren erfüllt sein sollten. Das Projekt “Zukunftsfähiger Bienenwald” zeigt, wie der erste (1) Faktor "Sicherung und Schutz eines nachhaltigen Angebots von Nicht-Holzprodukten" realisiert werden kann. Hinzu kommen drei weitere Faktoren: (2) Aufbau von wettbewerbsfähigen und fairen Wertschöpfungsketten, (3) Transparenz und Rückverfolgbarkeit von Nicht-Holz Waldprodukten und (4) Koordinierung relevanter Politikfelder (Forstwirtschaft, Naturschutz, Ernährung, Ländliche Entwicklung) und Investitionsförderung.

Im Projekt “Zukunftsfähiger Bienenwald” arbeiten Landwirte und Imker regional zusammen. Bestehende Vermarktungswege für Honig werden genutzt, um neue Produkte zu etablieren. Damit ist ein wichtiger Schritt für ein neues Geschäftsfeld gesetzt. Das Beispiel Bienenwald zeigt, dass mit Honig relativ schnell Einnahmen auf aufgeforsteten Flächen realisiert werden können. Für den flächigen Ausbau wäre wesentlich, analog zur Forst-Holz Wertschöpfungskette neue Vertriebswege zu etablieren und eine Koordinierung mit der Ernährungswirtschaft anzustreben.

Im Projekt FOREST4EU – Europäisches Partnernetzwerk zur Förderung von Operationellen Gruppen in der Forstwirtschaft und für Agroforstsysteme – arbeiten 16 Partner aus neun Mitgliedstaaten zusammen, um die Innovationstätigkeit im Forstsektor zu erhöhen. Das Projekt wird von der Universität Florenz koordiniert und hat eine Laufzeit von 3 Jahren (01.01.2023–31.12.2025). Bisher gibt es in Bayern und anderen Teilen Mitteleuropas noch wenige OG im Forstbereich, aber das Interesse wächst. Die LWF ist in FOREST4EU für das Arbeitspaket »Politik lernen aus Innovationspraxis « verantwortlich und leitet die sozial-empirischen Untersuchungen.