Abb. 1. Zur kommerziellen Baumbestattung eignen sich insbesondere "schöne" Laub- oder Mischwälder. Parkmöglichkeiten in der Nähe sind ebenfalls wichtig. Fotos: Christoph Schwyzer, Thomas Reich (WSL)
Zwei fiktive Fälle verdeutlichen, warum Bestattungen in einem Wald sich wachsender Beliebtheit erfreuen:
Als Leo im Alter von 29 Jahren unerwartet an einem Herzversagen starb, war für seine Freundin Barbara klar, dass es keine konventionelle Trauerfeier in der Kirche mit Gottesdienst und anschliessender Beisetzung auf dem Friedhof geben sollte. Ihr Freund war zwar katholisch erzogen worden, doch als Erwachsener pflegte er keinen Bezug mehr zur Kirche. Vielmehr war er am Wochenende oft in der Natur unterwegs, vor allem im Wald. So kam Barbara auf die Idee, die Asche ihres Freundes irgendwo im Freien, wenn möglich unter einem Baum, auszustreuen.
Der 67-jährige Herr Meier hingegen, noch gesund und unternehmenslustig, nahm vor kurzem mit einer Waldbestattungsfirma Kontakt auf und suchte sich seinen Baum selbst aus. Er wählte die Baumbestattung in erster Linie aus ganz praktischen Gründen: Zum einen müssen sich seine Angehörigen auf diese Weise nie um die Pflege eines Grabes kümmern, zum anderen kann er eine Menge Geld sparen und, da er einen Vertrag für einen "Familienbaum" abgeschlossen hat, kann auch die Asche seiner Frau, seiner drei Kinder und des Labradors unter diesem Baum bestattet werden.
Pietät und Qualität
Abb. 2. Gewisse Baumbestattungsfirmen bieten auch die Möglichkeit an, entlang von Waldrändern, auf Waldlichtungen oder Alpweiden einen eigenen Bestattungsbaum zu pflanzen. Die Jungbaum auf dem Bild steht auf einer Weide unterhalb eines Bestattungswaldes auf dem Bürgenstock (NW). Foto: Christoph Schwyzer
Sucht man im Internet nach Unternehmen, die Naturbestattungen anbieten und beispielsweise in einem dafür ausgeschiedenen Wald für eine gewisse Zeit einen Baum zur Verfügung stellen, so wird man schnell fündig. Sie nennen sich "FriedWald", "Oase der Ewigkeit", "Ruhwald Voralp", "Bergwald GmbH", "Seelenfrieden" oder "Waldesruh".
Fritz A. Staible, Geschäftsführer der Firma "Waldesruh, Baum- und Naturbestattungen" in Frauenfeld, erklärt, dass es in zirka 95% der Fälle nicht die Angehörigen seien, die sich für eine Waldbestattung entscheiden würden, sondern seine Kunden sich ihren Baum häufig selbst aussuchten. "Oft sind es noch kerngesunde Menschen im Alter zwischen 60 bis 80 Jahren, die mit mir Kontakt aufnehmen. Sie erhalten eine Liste mit den möglichen Bestattungsorten, wählen ihren Lieblingsort aus und gemeinsam machen wir dann eine Waldbegehung."
Die Firma "Waldesruh" hat in der Schweiz über 40 ein bis zwei Hektaren grosse Waldgebiete unter Vertrag, die im Grundbuch der jeweiligen Gemeinde eingetragen sind und offiziell als Waldesruh-Platz genutzt werden dürfen. "Pietät und Qualität stehen bei uns im Zentrum", betont Fritz A. Staible. Leider sei dies in seinem Gewerbe nicht überall der Fall. "Es gibt Firmen, die gehen mit dem Preis mal rauf, mal runter und kippen, wenn es jemand möglichst billig haben will, den Grossvater auch für Fr. 200.– irgendwo in den Wald."
Das Jahr 2009 sei allerdings nicht erfreulich gewesen. "Für Dinge, die nicht unbedingt benötigt werden, und hierzu gehört natürlich auch ein fast Fr. 5000.– teurer Bestattungsbaum, wollten die Leute kaum Geld ausgeben." Und übrigens: Auf der Suche nach weiteren, schönen Bestattungs-Wäldern hatte Fritz A. Staible vor einigen Jahren in der Zeitschrift "Wald und Holz" ein Inserat geschaltet, mit Angabe der Verdienstmöglichkeiten (siehe Kasten). Das Resultat war ernüchternd: "Kein einziger Waldbesitzer hat sich damals bei mir gemeldet."
Für 99 Jahre geschützt
Abb. 3. Die grosse Mehrheit der Verstorbenen wird auf Friedhöfen beigesetzt. Im Gegensatz zum Wald, wo bloss ein kleines Schildchen erlaubt ist, erhält ein Friedhof sein Gesicht von der Vielfalt an Grabsteinen und Grabschmuck. Genauso wie der Wald ist der Friedhof ein wichtiger Ort der Ruhe. Fotos: Joujou /pixelio.de, Christoph Schwyzer
In der Schweiz dürfen die Angehörigen nach einer Kremation über die Asche des Verstorbenen frei verfügen. Sie können beispielsweise die Urne mit nach Hause nehmen und auf die Wohnwand stellen; sie können die Asche, ohne dafür eine Spezialbewilligung einholen zu müssen, selber in einen Fluss oder zu den Wurzeln eines Baumes schütten. Oder aber sie ziehen einen offiziellen Naturbestatter wie die Firma "Waldesruh" bei, deren Wälder im Grundbuch eingetragen sind und daher jeder Baum, um dessen Wurzeln der Verstorbene bestattet wurde, für 99 Jahre vom Waldbesitzer nicht gefällt werden darf.
In Deutschland, Österreich oder Italien besteht hingegen ein Friedhofszwang. Dieser schreibt vor, dass eine Beerdigung ausserhalb eines Friedhofsgeländes nicht zulässig ist. Die Bestimmungen werden allerdings seit einigen Jahren gelockert. So ist zum Beispiel in Deutschland die Seebestattung und die Baumbestattung in einem Friedwald gestattet. Auch in Österreich gibt es Diskussionen über eine Lockerung der Gesetze.
Kantonale Unterschiede
Welche Bedingungen für den Betrieb einer letzten Ruhestätte im Wald erfüllt werden müssen, ist in der Schweiz Sache des jeweiligen Kantonsforstamtes. Fritz A. Staible hat sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht. "In einem Innerschweizer Kanton ging alles sehr schnell. Ich handelte mit dem Waldbesitzer einen sogenannten Personaldienstbarkeits-Vertrag aus, schickte die Unterlagen an das Grundbuchamt und nur wenige Tage später erhielt ich die Bestätigung, dass das Waldstück im Grundbuch eingetragen sei und als Waldesruhe-Platz genutzt werden dürfe."
In anderen Kantonen brauche es hingegen etwas mehr Geduld: In seinem Heimatkanton St. Gallen finde jedes Mal ein langwieriges Bewilligungsverfahren statt, in dem sowohl das Bauamt der jeweiligen Gemeinde, das kantonale Amt für Raumentwicklung und das Kantonsforstamt involviert seien. Christof Gantner vom Kantonsforstamt St. Gallen bestätig, dass es in jedem Fall eine forstrechtliche Zustimmung brauche. "Die Umnutzung muss im Einklang mit den Waldfunktionen sein. Auch darf beispielsweise ein Waldfriedhof das Grundwasser und die Jagd nicht beeinträchtigen oder an einem Ort entstehen, wo es weit und breit keine Parkplätze und Fusswege gibt."
Im Kanton Wallis geht man noch einen Schritt weiter und verbietet die Entstehung von Bestattungswäldern. Der bestimmende Gesetzesartikel findet sich im Gesundheitsgesetz vom 14. Februar 2008, Artikel 129 Absatz 4: "Ausserhalb der Friedhöfe und der dafür von der Gemeindebehörde vorgesehenen Orte ist es kantonsweit verboten, die Asche verstorbener Menschen gewerbsmässig aufzubewahren oder zu verstreuen." Trotz dieses Verbots kann jedoch der Forstdienst eine entsprechende Bewilligung in Form eines Servitutes (bei Kleinanlagen) oder dann einer Rodung (grössere Anlagen) erlassen.
Nachteilige Nutzung
Abb. 4. Informationstafel beim Friedwald Fallerenhölzli, Rüttenen (SO), der von der Bürgergemeinde der Stadt Solothurn gepflegt wird. Foto: Christoph Schwyzer
Abb. 5. Plakette mit den Initialen des Verstorbenen am Bestattungsbaum. Foto: Christoph Schwyzer
Die Kantonsoberförsterkonferenz (KOK) hat im Juli 2005 ein Mitteilungsblatt veröffentlicht, welches "mögliche Wege aufzeigen soll, wie kantonale Bewilligungsbehörden die Behandlung von Gesuchen für letzte Ruhestätten im Wald rechtlich einordnen können". Grundbedingung für eine Bestattung im Wald ist die Kremation. Sargbestattungen sind rechtlich ausgeschlossen. Obwohl es in seltenen Fällen vorkommt, dass Angehörige die Asche eines Verstorbenen auf eigene Faust im Wald oder auf einer Wiese ausbringen und obwohl dadurch in der Regel keine Probleme für den Grundbesitzer entstehen, begrüsst die KOK die Bestattung in einem geregelten Rahmen über einen gewerbsmässigen Anbieter.
Da es sich bei der Ausbringung der Asche bei den Wurzeln eines Baumes gemäss KOK-Mitteilung um eine dauerhafte Bestattungsart handelt und mit einer teilweisen Neunutzung des Waldbodens verbunden ist, braucht der Anbieter von Baumbestattungen im Grunde genommen eine Bewilligung. Meistens wird ein Baumbestattungswald als nachteilige Nutzung nach Artikel 16 des Waldgesetzes bewilligt. Voraussetzung ist, dass der Wald weiterhin für jedermann frei zugänglich bleibt. Bauliche Eingriffe wie zusätzliche Wege, Sitzbänke, Hinweisschilder, Unterstände oder sonstige waldfremde Anlagen sind in der Regel untersagt.
Die eigentliche Bestattungsstätte – also der Ort, wo die Asche ausgebracht oder die Holz-Urne vergraben wird – darf nicht auffällig gekennzeichnet sein. Verboten sind unter anderem Grabsteine, Kreuze, Blumen, Fotos, Kränze oder sonstiger Schmuck. Um den Baum identifizieren zu können, ist in den meisten Kantonen das Anbringen einer Plakette oder eines Schildes mit einer Nummer oder den Initialen des Verstorbenen im Mass von max. 100 cm2 möglich. Wird für die Bestattung eine Jungpflanze gesetzt, sind standortgerechte Baumarten zu wählen.
Otmar Wüest, Geschäftsführer der KOK, sagt, dass es seit der Veröffentlichung des Mitteilungsblattes bei der Umsetzung der Bewilligungsverfahren eigentlich nie Probleme gegeben habe. Es sei ihm nicht bekannt, dass je bei einem Kanton eine Aufsichtsbeschwerde eingereicht worden sei. "Das Blatt bildet eine gute Grundlage, doch im Einzelfall gibt es dennoch von Kanton zu Kanton relativ grosse Unterschiede."
Als eigentlicher Erfinder der Idee, die Asche von Verstorbenen im Wald bei den Wurzeln eines Baumes zu bestatten, gilt Ueli Sauter aus Mammern (TG). Sein patentiertes Geschäftsmodell mit dem Namen "FriedWald" betreibt er seit 15 Jahren und hat es auch erfolgreich nach Deutschland exportiert.
In der Schweiz umfasst sein Angebot 62 verschiedene Wälder, die eine Fläche von einer bis maximal fünf Hektaren umfassen. Als grösster Anbieter in der Schweiz verkauft er pro Jahr bis zu 130 Bäume zu einem Einheitspreis von Fr. 4900.–. "Bei speziell schönen Bäumen kann der Preis allerdings Fr. 1000.– bis 2000.– höher sein", sagt Ueli Sauter. Der Waldbesitzer bekommt pro Baum Fr. 1500.–. "Einzelnen Waldbesitzern habe ich schon über Fr. 100'000.– überwiesen. Ein gutes Geschäft also; aber nur, wenn man Geduld hat." Ueli Sauter ist an weiteren Waldparzellen interessiert. Er betont, dass schön gelegene Mischwälder am meisten Erfolg haben. "Wichtig ist für mich aber nicht nur ein schöner Wald, sondern ich erwarte auch, dass der Waldbesitzer mit Herzblut hinter meiner Idee steht", so Ueli Sauter. Ein weiteres wichtiges Kriterium sind Parkplätze in der Nähe des Waldstücks.
Bei der Firma "Waldesruh" von Fritz A. Staible bewegen sich die Preise in ähnlichem Rahmen: Für einen Baum bezahlt man Fr. 4850.–. Wobei die Baumart und der Stammdurchmesser keinen Einfluss auf den Preis haben; auch für einen Baum, der neu gepflanzt wird, ändert sich der Preis nicht. Wie viele Bäume er pro Jahr vermittelt, will Fritz A. Staible nicht bekannt geben. Jedoch macht er kein Geheimnis daraus, wie viel der Waldbesitzer pro Baum erhält. "In der Regel sind es zwischen Fr. 1250.– bis 1480.–. Erfolg haben nur diejenigen Waldbesitzer, die einen speziell schönen Laub- oder Mischwald anbieten können. Beispielsweise mit Blick auf einen See oder in die Alpen."