Die von der KOK AG Waldrecht erarbeiteten Sicherheits- und Haftungsfragen rund um den Wald beurteilen alle möglichen Fälle im Wald nach den Kriterien Sicherheit-/Risikobeurteilung, Sorgfaltspflicht/Kontrolle, Kostentragung und Haftungsfragen und ordnen sie ein.
Verschuldenshaftung
In der Waldgesetzgebung finden sich keine Haftungsbestimmungen. Grundsätzlich hat derjenige den Schaden zu tragen, der ihn erleidet, es sei denn, er könne den Schaden an einen Dritten überwälzen. Dabei gilt der sogenannte Gefahrensatz: Wer einen gefährlichen Zustand schafft oder unterhält, hat die nötigen Schutzmassnahmen zu ergreifen, um eine Schädigung Dritter zu vermeiden. Dabei kommt die Verschuldenshaftung nach Art. 41 des Obligationenrechts (OR) zur Anwendung. Art. 41 Abs. 1 OR lautet: "Wer einem anderen widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatz verpflichtet.
Drei relevante Kausalhaftungsarten
Im Wald sind drei Kausalhaftungsarten denkbar. Bei der Grundeigentümerhaftung nach Art. 697 des Zivilgesetzbuches (ZGB) wird ein Grundeigentümer haftpflichtig, wenn er sein Eigentumsrecht überschreitet. Den Begriff Überschreitung des Eigentumsrechts i. S. v. Art. 679 ZGB hat das Bundesgericht bereits definiert (BGE 93 II 230; Zusammenfassung der Rechtsprechung in BGE 143 III 242, E. 3).
Eine solche Überschreitung liegt nicht bereits vor, wenn ein für die Nachbarn gefährlicher Zustand des Grundstücks ausschliesslich infolge von natürlichen Phänomenen eingetreten ist. Erst wenn ein gefährlicher Zustand infolge der gegenwärtigen oder früheren Bewirtschaftung oder Benützung des Grundstücks besteht, kann geprüft werden, ob eine Eigentumsüberschreitung nach Art. 679 ZGB gegeben ist.
Der Geschäftsherr haftet nach Art. 55 OR für den Schaden, den seine Arbeitnehmenden oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotenen Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre. Das heisst insbesondere, bei Forstarbeiten ist besondere Sorgfalt bei der Auswahl, Instruktion und Beaufsichtigung der Arbeitnehmenden und Hilfspersonen anzuwenden.
Weiter kommt bei allen Bauten und Anlagen im Wald die Werkeigentümerhaftung nach Art. 58 Abs. 1 OR zum Zuge: "Der Eigentümer eines Gebäudes oder eines anderen Werkes hat den Schaden zu ersetzen, den diese infolge von fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder von mangelhafter Unterhaltung verursachen." Dabei geht der Verantwortungsbereich des Werkeigentümers über das eigentliche Werk hinaus und erstreckt sich auch auf die umliegenden Waldbäume (s. Rechtsgutachten und Kommentar in der Originalpublikation).
Freies Betretungsrecht
Im Wald gilt das freie Betretungsrecht nach Art. 699 ZGB. Dabei sind die Waldtypischen Gefahren zu berücksichtigen und als drittes Element kommt die fehlende Bewirtschaftungspflicht im Schweizer Wald hinzu. Die Waldeigentümerinnen und Waldeigentümer haben aus haftungsrechtlicher Sicht keine Garantenstellung, was die Unterlassung der Waldbewirtschaftung betrifft. Die gesetzliche Bewirtschaftungspflicht, oder eben die Garantenstellung bei Unterlassung dieser Pflicht, ist nur im Schutzwald oder beim Auftreten von erheblichen Waldschäden möglich, wo der Kanton entsprechende Bewirtschaftungsmassnahmen nach Gesetz angeordnet hat. Die generelle Bewirtschaftungspflichte im gesamten Schweizer Wald wurde zwar immer wieder diskutiert, mit Verweis auf drohende Haftungsprobleme aber nie eingeführt.
Übersicht "Sicherheits- und Haftungsfragen im und am Wald"
Die Übersicht zu den Kriterien findet sich auf der Webseite der KWL .
Sicherheits- und Risikobeurteilung
Die Sicherheits- und Risikobeurteilung erfolgt analog zu den Naturgefahren mit dem risikobasierten Ansatz und den Fragen: Was darf nicht passieren? Was ist zu tolerieren?
Im Waldbestand sind herabfallende Äste, einzelne dürre, abgestorbene oder geschädigte Bäume als waldtypische Gefahren im Rahmen des Betretungsrechtes zu tolerieren. Einzig bei Alt-/Totholzinseln und Habitatbäumen besteht die Empfehlung, diese abseits von Werken auszuscheiden bzw. vertraglich zu sichern. Ebenfalls sollen bestehende Werke in einem Naturwaldreservat nicht gefährdet werden.
Bei den Verkehrsträgern hat die Risikobeurteilung abgestuft nach der Fahrgeschwindigkeit, der Verkehrsfrequenz und der Lage des angrenzenden Waldes zu erfolgen.
Bei Holzarbeiten soll die Gefährdung von Menschenleben und Sachwerten unterbleiben. Im Bergwald sind dabei Querbäumen, Moderholz und geworfenen Wurzeltellern grössere Beachtung zu schenken. Diese müssen so verankert werden, dass sie später nicht abrutschen können.
Schliesslich besteht auch beim Biken im Wald bei der Risikobeurteilung ein risikobasierter Ansatz. Während beim Biken auf Waldstrassen die waldtypischen Gefahren und der bestimmungsgemässe Gebrauch der Waldstrasse ausschlaggebend sind, kann sich eine Bikerin, die einen Downhill Trail einer Bergbahn befährt, eher darauf verlassen, dass die Piste von der Betreiberin regelmässig auf Hindernisse kontrolliert wird.
Sorgfaltspflicht und Kontrollen
Wie bereits erwähnt, haben Waldeigentümerinnen und Waldeigentümer im Waldbestand keine Sorgfaltspflicht. Damit entfallen auch die damit zusammenhängenden Kontrollen.
Bei Naturwaldreservaten oder Streu- und Flächenschäden in der Agglomeration oder in stark frequentierten Tourismusgebieten kann ein allgemeiner Gefährdungshinweis für Klarheit sorgen.
Beim Werken im Wald ist eine terrestrische Kontrolle der umliegenden Bäume ein- bis zweimal im Jahr zu empfehlen. Gemäss der Rechtsprechung ist bei der Art und der Häufigkeit der Kontrollen die Verhältnismässigkeit und die Zumutbarkeit zu beachten. Es ist beispielsweise einer Waldeigentümerin nicht zuzumuten, monatlich jeden Walbaum im Umkreis einer Anlage oder Baute im Wald auf einen möglichen Schaden hin zu kontrollieren. Zudem müssen hier terrestrische Kontrollen genügen. Sind der Werkeigentümer und die Waldeigentümerin nicht identisch, ist die Kontrolltätigkeit und die Kostentragung vertraglich zu regeln. Schliesslich sind sämtliche Kontrollen gut zu dokumentieren.
Bei den Verkehrsträgern im Wald sind wegen der abgestuften Risikobeurteilung auch die Periodizität der Kontrollen sowie die Zuständigkeiten risikobasiert zu beurteilen. Während auf Kantonsstrassen der Kanton für laufende Kontrollen zuständig ist, kann es die Waldstrasseneigentümerin bei einer jährlichen Kontrolle und bei Kontrollen nach Ereignissen (Sturm, Nassschnee, Gewitter etc.) belassen. Handlungsbedarf besteht nur bei offensichtlich geschädigten und gefährlichen Einzelbäumen.
Die Holzerei gilt nach wie vor als eine der gefährlichsten Arbeitsgattungen. Deshalb ist hier bei der Sorgfaltspflicht ein hoher Massstab anzulegen. Für jeden Holzschlag sind die Arbeitskräfte entsprechend ihrem Ausbildungsstand und ihrer Erfahrung auszuwählen und einzusetzen. Ebenfalls gehört eine umfassende Schlagorganisation inklusive Notfallplanung, Absperrung und einer Öffentlichkeitsarbeit bei grösseren Holzschlägen dazu, um auch Drittschäden auszuschliessen. Schliesslich ist eine umfassende und konkrete Instruktion aller am Holzschlag Beteiligten vor Arbeitsbeginn unerlässlich.
Schlussbemerkung
Der Übersicht zu Sicherheits- und Haftungsfragen im und am Wald gingen zahlreiche Diskussionen in der Waldbranche voraus. Im Wissen, dass ein von der KOK veröffentlichtes Dokument auch vor Gerichten und bei Anwaltskanzleien Beachtung finden könnte, wurde es sehr offen formuliert. Es soll eine Übersicht für Waldeigentümerinnen und Waldeigentümer, die Forstbetriebe und die sie beratenden kantonalen Forstdienste sein.
Wichtig sind in diesem Zusammenhang die Grundprinzipien wie beispielsweise die vertragliche Abmachung, wer für die Kontrollen zuständig ist. Ebenfalls sollen die Kontrollen und der laufende Unterhalt von Werken gut dokumentiert werden. Wenn ein Schaden im Wald passiert, ist es schlimm genug. Es ist dann aber vorteilhaft, wenn man sich dank entsprechender Dokumentation oder dem Nachweis der korrekten Wahrnehmung der Sorgfaltspflicht von Haftungsansprüchen Dritter befreien kann.

Abb. 7. Waldweg freigegeben für Land- und Forstwirtschaft. Die Waldstrasseneigentümerin muss eine jährliche Kontrolle und sowie Kontrollen nach Ereignissen wie Sturm, Nassschnee oder Gewitter etc. durchführen. Akuter Handlungsbedarf besteht nur bei offensichtlich geschädigten und gefährlichen Einzelbäumen. Foto: Susi Schildknecht