Die naturnahe Waldwirtschaft ist eine Mehrzweckforstwirtschaft, die auf großer Fläche multifunktionalen Aufgaben gerecht werden soll (MLR 1992). In Regionen, wie dem Südschwarzwald, wo große Teile des Waldbesitzes mit landwirtschaftlichen Flächen verbunden sind, bekommt der Gedanke der Mehrzweckforstwirtschaft eine weitere Dimension. Die Forderung nach waldbaulicher Nachhaltigkeit muss zwangsläufig soziale Kriterien miteinbeziehen. "Naturnahe Waldbewirtschaftung" steht hier in der Verantwortung zum Erhalt land- und forstwirtschaftlicher Betriebe beizutragen.
Dabei spielt die Einkommensgrundlage gemischter land- und forstwirtschaftlicher Betriebe und damit die Existenzgrundlage eines großen Teils der ländlichen Bevölkerung eine zentrale Rolle. Als flächenbewirtschaftenden "Unternehmen im ländlichen Raum" (AID 1998), die viele Ziele auf der selben Fläche verfolgen, kommt ihnen die Aufgabe zu, sektorale Ansprüche an einen Landschaftsraum einer ganzheitlichen Lösung zuzuführen.
Fünf Fragen
Die Betrachtung der "Funktion des bäuerlichen Waldbesitzes aus gesellschaftspolitischer Sicht" und die Überprüfung der Hypothese "Strukturerhalt durch naturnahe Waldbewirtschaftung!?" bauen auf folgenden fünf Fragen auf:
- Wie und von wem werden die Flächen im Südschwarzwald genutzt?
- Was hat Agrarstrukturwandel mit Waldbesitz zu tun?
- Warum ist bäuerlicher Waldbesitz so wichtig für den ländlichen Raum?
- Welchen Nutzen ziehen die Volkswirtschaft und die Gesellschaft daraus?
- Trägt naturnahe Waldbewirtschaftung Mitverantwortung für die Entwicklung einer Region?
Die Ansprüche, die der Wald im ländlichen Raum erfüllen muss, gehen über die Waldfunktionen im herkömmlichen Sinne hinaus. Die Kulturlandschaft Südschwarzwald wird von gemischten land- und forstwirtschaftlichen Betrieben erhalten und gepflegt. Das Einkommen aus der Waldbewirtschaftung der Betriebe liefert einen wichtigen Bestandteil zum gesamten Familieneinkommen und wirkt einer Betriebsaufgabe entgegen.
Abb. 2:Viele Ziele auf derselben Fläche und wenig Zielkonflikte.
Methodik
In diesem Beitrag werden die Wechselwirkungen zwischen Waldbewirtschaftung und Strukturerhalt sowie Nichtbewirtschaftung und Strukturwandel dargestellt. Die mit regional erzeugtem Holz und der Landschaftsqualität in Verbindung stehenden Arbeitsplätze werden charakterisiert und, soweit möglich, auf die Region hochgerechnet. Auf der Grundlage betrieblicher Daten (Testbetriebsnetz Kleinprivatwald, Agrarstatistik) wird die Wertschöpfung durch bewirtschafteten Waldbesitz für das Untersuchungsgebiet Naturpark Südschwarzwald dargestellt. In Kombination mit geschätzten Durchschnitts-Geldwerten für die Infrastrukturleistungen des Waldes entstehen Szenarien, die die Folgen von Bewirtschaftung und Nichtbewirtschaftung des Kleinprivatwaldes aufzeigen.
Abschließend wird diskutiert, ob der Begriff "naturnahe" Waldbewirtschaftung im ländlichen Raum über die Waldfunktionen aus konventioneller Sicht hinausgehen muss und zu einem ganzheitlichen Ansatz, der Menschen sowie Wald und andere Landschaftselemente integriert, erweitert werden sollte. Dadurch entsteht ein neu definiertes Modell des gemischten land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, der viele Ziele auf einer Fläche verfolgt. So scheint es möglich, Zielkonflikten im ländlichen Raum zu begegnen und gesellschaftspolitisch wünschenswerte Entwicklungen aufzugreifen.
Zusammenfassend lässt sich sagen:
Das Einkommen aus Kleinprivatwaldbewirtschaftung hat positive Auswirkungen auf die Siedlungsstruktur und die Erwerbswirtschaft, der volkswirtschaftliche Produktionswert ist beachtlich und der Wert der nichtmonetären Leistungen für die Gesellschaft ist von existentieller Bedeutung. Er kann zwar auf Grundlage vorsichtiger Schätzungen hochgerechnet werden, im Grunde aber bleibt er unbezahlbar.
Daraus wird deutlich, wie wichtig es ist, dass die privaten Waldbesitzer motiviert werden und in der Lage dazu bleiben oder in diese versetzt werden, Holz einzuschlagen.
Naturnahe Waldbewirtschaftung im umfassenden Sinne trägt dafür Mitverantwortung. Die Forderung nach Naturnähe darf die Einkommensfunktion privater Waldbetriebe nicht einschränken. Stabile, struktur- und baumartenreiche Bestände sichern langfristig das Einkommen aus dem Wald. Damit verstärken sie die betriebs- und die strukturerhaltende Funktion bäuerlichen Waldbesitzes.
In der Umbauphase können jedoch verminderte Erträge und erhöhte Aufwendungen entstehen. Um zu verhindern, dass dies zu finanziellen Engpässen bei Waldbesitzern führt, müssen entsprechende Maßnahmen zur Einkommenssicherung getroffen werden. Der Waldumbau soll schließlich nicht dazu führen, dass der Betrieb mangels Liquidität nicht an die nächste Generation übergeben werden kann.
In die Naturnähe-Betrachtung sollte neben dem naturalen, waldbaulichen Aspekt die Entwicklung eines Landschaftsraumes, der vielen Anforderungen gerecht werden muss Eingang finden. Um sektorale Ansprüche an einen Landschaftsraum einer ganzheitlichen Lösung zuzuführen, erscheint das Modell des "Unternehmens im ländlichen Raum", das viele Ziele auf einer Fläche verfolgt geeignet.
Die ausführliche Version dieses Artikels enthält weiterführende Kapitel
- zur Flächennutzung im Naturpark Südschwarzwald
- zum Agrarstrukturwandel und Waldbesitz
- zum Waldbesitz als Rückgrat des ländlichen Raumes &
- zur Wertentstehung für Volkswirtschaft und Gesellschaft
- zur Bedeutung der Naturnahen Waldbewirtschaftung im bäuerlichen Waldbesitz