Für Wachstumsmodelle werden häufig nur verbal beschriebene Behand­lungs­varianten parametrisiert. In diesem Schritt der Modellierung scheint es jedoch zu größeren Ungenauigkeiten bzw. Informations­verlusten zu kommen. Daher wurde nach einer Möglichkeit gesucht, optimale Behandlungsstrategien abzuleiten, ohne auf die parameterabhängigen Durchforstungsalgo­rithmen zurückgreifen zu müssen. Mit Hilfe heuristischer Verfahren gelangt man zu überzeugenden Ergebnissen.

Motivation

Mit Hilfe des für Brandenburg parametrisierten Wachs­tumssimulators BWINPro (Nagel et al. 2003, Degenhardt 2006) gelingt es, Auswirkungen verschiedenster Behandlungsweisen auf die Einzelbaum- und Bestan­desentwicklung aus waldwachstumskundlicher und betriebswirt­schaftlicher Sicht abzu­schätzen und Hinweise zu optimalen Behandlungsstrategien zu liefern.

Die im Modell verwendeten Durchforstungsalgorithmen sind jedoch zunächst so konzipiert, dass sie die in der Praxis üblichen Behandlungsvarianten wie Hochdurchforstung, Nieder­durchforstung oder Z-Baum-Freistellung abbilden. Die häufig nur verbal be­schriebenen und durch die subjektive Wahrnehmung zusätzlich beeinflussten Durchforstungsweisen werden dabei für das Modell in formale, parameterabhängige Algo­rithmen umgewandelt.

Bei der Beurteilung der Optimalität sollten zunächst die Kosten und Erlöse der Be­standesbehandlungen berücksichtigt werden. Als Maß zur Bewertung des betriebswirtschaftlichen Ergebnisses und damit als Zielfunktionswert im Sinne der mathematischen Optimierung dient das Maximum der durchschnittlichen jährlichen Wertleistung eines Bestandes.

Einsatz von Bestandessimulationsmodellen

Mit Hilfe der in einzelbaumorientierten abstandsabhängigen Bestandessimulationsmo­dellen integrierten parameterabhängigen Durchforstungsalgorithmen wird es mög­li­ch, Wachstumsreaktionen auf verschiedenste Durchforstungseingriffe zu analysieren und Hinweise auf optimale Behandlungsvarianten zu erhalten. Optimale Lösungen lassen sich durch iterative Veränderung der Parameter und den Vergleich der resultierenden Maxima der durchschnittlichen jährlichen Wertleistung finden (Degenhardt 2006a).

Ein heuristischer Verfahrensansatz

Bei der Durchforstung werden ausgewählte Bäume zu bestimmten Zeitpunkten entnommen, je nachdem, ob sie gefördert werden sollen oder als Bedränger anderer Bäume angesehen werden. Allen Bäumen lässt sich somit eindeutig ein Zeitpunkt der Entnahme bzw. der Status Z-Baum oder kein Z-Baum zuordnen. Damit sind die Behandlungsstrategien anhand der Entnahmezeitpunkte der Einzelbäume und der konkreten Auswahl von Z-Bäumen darstellbar. Aufbauend auf dieser Idee ergibt sich der folgende Optimierungsansatz: Gesucht sind eine Z-Baum-Auswahl und die Entnahmezeitpunkte für alle Einzelbäume so, dass das beste betriebswirtschaftliche Ergebnis, nämlich die maximale durchschnittliche jährliche Wertleistungen, erzielt wird.

Da die Parameterzahl bei diesem Ansatz durch die Anzahl der Einzelbäume be­stimmt wird und damit wesentlich höher als die Zahl der Parameter in den parameterabhängigen Durchforstungsalgorithmen in Bestandessimulationsmodellen ist, kann das Problem sinnvoll nur mit Hilfe mathematischer Optimierungsverfahren gelöst werden. Außerdem basieren Bestandessimulationsmodelle, insbesondere der für Brandenburg angepasste Wachs­tumssimulator BWINPro, auf sehr komplexen Algorithmen, so dass die Voraussetzungen für die Anwendung von Verfahren der Parameteroptimierung nicht erfüllt sind. Daher bieten sich für die Lösung des Problems heuristische Verfahren an.

Heuristische Verfahren sind Techniken zur Suche nach guten (nahezu optimalen) Lösungen für komplexe Optimierungsprobleme in möglichst kurzer Zeit. Prinzipiell sind dabei kaum Kenntnisse über das Verhalten des Systems erforderlich sowie keine Voraussetzungen wie Stetigkeit, Differenzierbarkeit, Konvexität zu erfüllen. Die Sucheverfahren gehen von einer zufälligen oder bekannten Lösung des Problems aus. Iterativ erhält man neue Lösungen, indem von der gerade betrachteten Lösung zufällig oder systematisch einzelne Komponenten des Parametervektors verändert werden. Liefert diese Lösung einen besseren Zielfunktionswert, wird sie akzeptiert. Um den Algorithmus nicht vorzeitig in einem lokalen Maximum enden zu lassen, kann die Lösung mit einer geringen Wahrscheinlichkeit auch bei einer Verschlechterung des Zielfunktionswertes übernommen werden (Simulated Annealing; Blum und Roli 2003). Die Suche endet, sobald keine Verbesserung gefunden werden kann.

Beispiele

Für drei Kiefernversuchsflächen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Bonität (Tab. 1) wurden mit Hilfe der heuristischen Optimierung optimale Behandlungsvarianten abgeleitet und mit den Ergebnissen aus den Bestandessimulationsmodell BWINPro für Brandenburg und den real beobachteten Beständen verglichen (Abb. 1).

Tabelle 1: Ertragskundliche Charakterisierung der Beispielbestände

Fläche Betrachtete TeilflächeStartalter (Jahr)HG zum StartalterAbsolute BonitätRelative Bonität
Peitz 10420 m x 20 m64 (1961)10,75 m15,4 m4,2
Finowtal 19810 m x 10 m41 (1981)11,53 m25,1 m1,7
Köpenick 18712 m x 12 m21 (1994)11,02 m31,6 m0,1

Ergebnisse

Die Ergebnisse der Suche nach optimalen Behandlungsvarianten mit Hilfe von heuristischen Verfahren zeigen, dass die gefundenen optimalen Lösungen teilweise mit den mit Hilfe des Bestandessimulationsmodells BWINPro und den in der Praxis beschriebenen Durchforstungsweisen übereinstimmen, es aber auch zu bedeutenden Abweichungen kommen kann.

Die Ergebnisse der heuristischen Optimierung liefern durchgehend bessere Zielfunktionswerte, (Maxima der durchschnittlichen jährlichen Wertleistung eines Bestandes) (Tab. 2).

Die größten Differenzen bei der Behandlung der Bestände ergeben sich bei der Auswahl und Pflege der Z-Bäume. Die Ergebnisse der heuristischen Optimierung weisen darauf hin, dass die Abstände zwischen den Z-Bäumen dichter als erwartet gewählt werden können (Abb. 2 a und b Finowtal 198). Außerdem ist auffällig, dass die Z-Bäume eher nur sehr gering freigestellt werden (Abb. 3 a und b Peitz 104 200 Z-Bäume 97 Jahre).

Tabelle 2: Maxima der durchschnittlichen jährlichen Wertleistung eines Bestandes

Fläche VerfahrenAnzahl Z-Bäume je haMaximum der durchschnittlichen jährlichen Wertleistung des Bestandes
Peitz 104BWINPro150115 EURO
Peitz 104BWINPro200111 EURO
Peitz 104Heuristik200155 EURO
    
Finowtal 198BWINPro100177 EURO
Finowtal 198BWINPro200170 EURO
Finowtal 198BWINPro300166 EURO
Finowtal 198Heuristik300250 EURO
    
Köpenick 187BWINPro500795 EURO
Köpenick 187Heuristik500865 EURO

Da sich die Auswahl auf meist vorherrschende Bäume beschränken sollte, werden diese auf Grund ihrer Dimension nur geringfügig von Nachbarbäumen bedrängt, wachsen daher fast unbeeinflusst und setzen sich im Bestand souverän durch. Deren Wuchskraft ist daher offensichtlich ausreichend, um den Erlösanteil in der Zielfunktion auch ohne besondere Freistellung positiv zu beeinflussen.

Besonders überraschend ist überdies, dass die Ergebnisse der heuristischen Optimierung häufig mehr Z-Bäume auswählen als die Untersuchungen mit BWINPro ergaben und auch der „Grüne Ordner“ (Waldbau-Richtlinien 2004) empfiehlt (Abb. 4 Köpenick 500 Z-Stämme). Offensichtlich lohnt es sich, jeden Baum bei geeigneter Qualität und unter Beachtung seiner Vitalität als Z-Baum auszuwählen, der in der erwarteten Umtriebszeit die Wertholzdimension erreicht.

Auffällig war aber auch, dass im Gegensatz zu den Empfehlungen des "Grünen Ordners", sehr schwache Bäume niederdurchforstungsartig relativ zeitig zu entnehmen sind. Diese Strategie resultiert hauptsächlich aus dem sehr ungünstigen Verhältnis zwischen Kosten und Erlösen und damit dem resultierenden negativen Einfluss auf die Zielfunktionswerte. Die stärkeren Bäume werden dagegen auch bei vermuteter gegenseitiger Konkurrenz auf Grund der zu erwartenden höheren Holzerlöse länger im Bestand belassen.

Fazit

Die hier mit Hilfe von heuristischen Optimierungsverfahren für drei Beispielbestände abgeleiteten Ergebnisse sind sehr schnell und einfach zu bestimmen. Es sind aber zunächst nur Modellrechnungen, damit eher theoretisch und in dieser Form sicherlich noch nicht geeignet, verallgemeinerbare Behandlungsempfehlungen für die Praxis abzu­leiten. Die erzielten Ergebnisse liefern jedoch sehr nützliche Anhaltspunkte für das Ver­ständnis des Systems "Wald" insbesondere den Ursache-Wirkungs-Beziehungen bei der Bewirtschaftung von Waldbeständen.

Zu berücksichtigen ist insbesondere auch, dass die iterativ ermittelten optimalen Behandlungsstrategien in der Praxis nicht in der Exaktheit umgesetzt werden können. Einerseits spielen zusätzliche, bisher nicht im Modell berücksichtigte Parameter wie Qualität, Vitalität oder Bestandesstabilität eine Rolle. Andererseits wirken teilweise unvorhersehbare äußere Einflüsse (Witterung, Sturm, Schädlingsbefall, Schneebruch) auf die Bestandesentwicklung zusätzlich ein. Die tatsächliche Entscheidung muss daher natürlich immer durch den Förster im Wald getroffen werden.