In den letzten Jahren ist in der Schweiz der Bedarf an zuverlässigen Informationen über den aktuellen Waldzustand und mögliche zukünftige Entwicklungen gewachsen. Die Eidgenössische Forschungsanstalt WSL deckt diesen Bedarf mit Daten, die auf verschiedenen zeitlichen und räumlichen Skalen erhoben oder modelliert werden - vom Stammwachstum der Bäume, das im 10-Minuten-Takt gemessen wird, bis zur regionalen Kronenfeuchte, die aus Satellitendaten abgeleitet wird. Auf einer neuen thematischen Webseite zu Waldfunktionen und Klimawandel des Schweizer National Center for Climate Services (NCCS) werden die Folgen des Klimawandels auf den Wald und seine Funktionen erläutert. Im Mittelpunkt der Webseite stehen zwei Apps. Zusätzlich vermittelt die NCCS-Website anhand fiktiver Erzählungen vier Kernaussagen zu Wald und Klimawandel (Abb. 1).
Waldfunktionen und Klimawandel
Der Klimawandel beeinflusst die Wälder ganz besonders, und zwar auf der gesamten Welt (Allen et al., 2010), führt zu erhöhter Baummortalität (Hartmann et al., 2018) und gefährdet somit zentrale Funktionen des Walds. Durch den Verlust von Waldfunktionen können die Ökosystemleistungen, welche die Wälder für die Gesellschaft erbringen, eingeschränkt werden. Wälder produzieren Holz aber regulieren auch das Klima (Bonan, 2008), schützen vor Naturgefahren (Rigling & Schaffer, 2015) und bieten Erholungs- und Lebensraum für Pflanzen, Tiere und Menschen (Foley et al., 2005; Bell et al., 2009). Ein Verlust oder auch nur eine Reduktion der Ökosystemleistungen unserer Wälder kann somit von finanziellen Einbußen für Waldbesitzer, einer verstärkten Gefährdung von Menschen und ihrer Infrastruktur durch Naturgefahren und bis hin zu Rückkopplungen auf das globale Klima führen.
Mit Hilfe zweier Apps können sowohl der aktuelle Zustand des Schweizer Waldes (teils in Echtzeit) als auch dessen langfristige Entwicklungen dargestellt werden.
FORTE: Aktueller Waldzustand
Die erste App genannt FORTE ermöglicht es zum Beispiel den aktuellen Wasserstress von Bäumen darzustellen und mit Informationen zur Bodentrockenheit zu kombinieren (Abb. 2). So können in heißen trockenen Sommern, wie sie in den letzten Jahren regelmäßig auftraten, die Auswirkungen von Niederschlagsdefiziten regional und national visualisiert werden. Dazu werden Daten aus bestehenden Projekten und Programmen zusammengeführt. Der aktuelle Wasserstress von Bäumen und deren Wachstum (Zweifel et al., 2021b) wird im Rahmen des Projektes TreeNet täglich neu berechnet. Dazu werden Daten von Punktdendrometern, die zeitlich hoch aufgelöst das Schwinden und Schwellen des Stammes messen, verwendet (Zweifel et al., 2021a). Die Bodentrockenheit wird im Rahmen der Forschungsprojekte zur Früherkennung von kritischer Trockenheit und Niedrigwasser in der Schweiz (www.drought.ch) erfasst. Ein weiterer baumbezogener Parameter, der mit der neuen App dargestellt werden kann, ist die Kronenverlichtung, eine Größe, die den generellen Gesundheitszustand eines Baumes anzeigt (Dobbertin & Brang, 2001).
Durch Klicken auf die Punkte, die in der Übersicht mehrere Bäume oder auch Bestände repräsentieren, können die Werte für Stress, Wachstum und Kronenverlichtung für einzelne Bäume angezeigt werden. Die Daten bilden verteilt auf die ganze Schweiz zwischen 400 (Wachstum, Trockenstress) und mehr als 1000 (Kronenverlichtung) Bäume ab. Weitere flächenbezogene Daten, welche als Hintergrund angezeigt werden können, sind die aus Satellitendaten abgeleitete Kronenfeuchtigkeit (Rigling et al., 2019), die ein weiterer Parameter für den Wasserstress von Bäumen ist, sowie die Anzahl Generationen des Buchdruckers, einem wichtigen Schädling der Fichte (modelliert im Rahmen des Projektes Modellieren des Borkenkäfer-Risikos): Je mehr Borkenkäfergenerationen in einem Jahr auftreten, desto grösser ist die Gefahr einer Schädigung von Fichtenbeständen.
In der App können zudem einzelne Baumarten ausgewählt werden, es können unterschiedliche Zeitpunkte dargestellt werden und es können so auch Jahre oder Zeitpunkte innerhalb eines Jahres in einem Split-Screen Modus verglichen werden. Den Nutzer:innen stehen damit viele Wege offen, mit Hilfe der App die aktuellen Daten zu Stress, Wachstum und Gesundheitszustand des Schweizer Waldes in Kombination mit Trockenheit oder Schädlingsaufkommen zu erkunden.
FORTE Future: zukünftige Waldprojektionen
Die zweite App, FORTE Future, zeigt für die verschiedenen Baumarten der Schweiz die prinzipielle Habitateignung und damit ihre potenzielle Verbreitung in der Gegenwart und in der mittel- oder langfristigen Zukunft (Abb. 3 am Beispiel der Fichte). Die potentielle Verbreitung wurde mit Hilfe von sogenannten Species Distribution Models (SDM) im Rahmen des Projektes PORTREE modelliert. Die Daten zur Veränderung der klimatischen Faktoren wie Niederschlag und Temperatur, welche die Verbreitung der Baumarten in Zukunft bestimmen, stammen vom EU Projekt ENSEMBLES und wurden entsprechend des A1B Emissions-Szenarios (ausgewogene Nutzung verschiedener Energiequellen bei raschem Wirtschaftswachstum und Einführung neuer und effizienter Technologien) modelliert.
Zusätzlich wird in der App die augenblickliche Temperatur- oder Niederschlagsverteilung in der Schweiz (für das ganze Jahr oder spezifisch für Winter, Frühling, Sommer oder Herbst), sowie die zukünftig zu erwartende Veränderung angezeigt. Nutzer:innen der App können so für über 30 Baumarten die augenblicklich und zukünftigen für das Vorkommen und Wachstum geeigneten Habitate visualisieren und diese den Klimaveränderungen gegenüberstellen. So wird klar ersichtlich, dass es bei den für die Zukunft prognostizierten höheren Temperaturen und weitgehend verringerten Sommerniederschlägen Verlierer (wie die in Abbildung 3 dargestellte Fichte) aber auch Gewinnerinnen (z.B. Trauben- und Stieleiche) gibt.
Abb. 3 – Screenshot der App FORTE-Future. Auf der linken Seite oben ist die augenblickliche Fläche, die als Habitat für die Fichte geeignet ist, dargestellt. Unten links die augenblickliche Jahresdurchschnittstemperatur (Mittel der Jahre 1981-2010). Auf der rechten Seite ist das für die Zukunft modellierte Verbreitungsgebiet der Fichte (oben) und die Jahrestemperaturabweichungen (2060 im Vergleich zu heute; unten) dargestellt.
FORTE Edu: Für Schülerinnen und Schüler
Die Web-App FORTE Edu zeigt dir nicht nur bunte Karten und Informationen, sondern fordert deinen direkten Einsatz. Gemeinsam mit der Waldökologin Noemie, dem Förster Jean und der Walbesitzerin Flurina kannst du spannende Fragen zum Thema Klimawandel und Waldgesundheit beantworten. Teste dein Wissen hier direkt selbst!
Das Wichtigste in Kürze:
- Durch den Klimawandel wird es immer wärmer und trockener.
- Eine Web-App erklärt, warum deshalb nicht mehr überall die gleichen Baumarten wachsen können wie heute.
- Anhand verschiedener Fragen kannst du dein Wissen direkt selbst testen.
- Die FORTE Edu App kommt beim Schulprogramm zur Ausstellung «Im Wald. Eine Kulturgeschichte» des Schweizerischen Landesmuseums zum Einsatz.
- FORTE Edu App
Begleitinformationen und Download
Für beide Apps können die angezeigten Daten als Zusammenfassung mit zusätzlichen Begleitinformationen gespeichert und heruntergeladen werden. Die thematische Webseite des NCCS zu den Folgen des Klimawandels auf die Waldfunktionen bietet in ihrer Gesamtschau einen Einstiegspunkt für interessierte Bürger:innen und soll zudem Multiplikator:innen wie Lehrern und Journalist:innen wissenschaftlich fundiertes Anschauungsmaterial zur Verfügung stellen. Zudem sind Entscheidungsträger in Behörden und Betrieben, die einen Bezug zum Wald und zur forstlichen Nutzung haben, angesprochen.
National Centre for Climate Services (NCCS)
Das Schweizer National Centre for Climate Services (NCCS) ist das Netzwerk des Bundes für Klimadienstleistungen. Klimadienstleistungen sind wissenschaftlich basierte Informationen und Daten über das vergangene, aktuelle und zukünftige Klima und seine Folgen auf Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft. Sie bilden die Grundlage für klimakompatible Entscheidungen.
Zitierte Literatur