Dank der Smartphone-Applikation MOTI (mobile timber cruise) lassen sich wesentliche Kennzahlen einer Waldinventur mit wenigen Klicks ermitteln. Dazu gehören der Holzvorrat, die Grundfläche, die Stammzahl und der Zuwachs pro Hektare sowie die Baumhöhe.
Die App richtet sich an Waldfachleute, die auf einfache und schnelle Weise die wesentlichen dendrometrischen Grössen kostengünstig und zuverlässig ermitteln möchten. Die Kerngrössen können einzeln oder auch kombiniert auf einer Probefläche erhoben werden; auf Ebene einer Bestandesinventur sogar mit automatischer Berechnung des Schätzfehlerbereichs.
Schauen Sie sich die Abbildung 2 an und versuchen Sie, den Holzvorrat, die Baumhöhe, den Zuwachs pro Hektar oder die Baumhöhe zu schätzen, indem Sie die Person in der Mitte des Bildes als Referenz nehmen.
Wenn man nicht über grosse Erfahrung verfügt, ist eine solche Schätzung alles andere als einfach. Eines der Hauptziele von MOTI besteht darin, durch die Möglichkeit der raschen und einfachen Messung das eigene Beurteilungsvermögen zu trainieren und das Auge zu schulen. Gleichzeitig soll die App aber auch eine objektive und sofortige Entscheidungshilfe vor Ort liefern, zum Beispiel bei Anzeichnungen oder für die Planung waldbaulicher Eingriffe.
Mit MOTI kann man einzelne Probeflächen aufnehmen oder auch lokale Inventuren (z. B. eine Stichprobe alle 100 m) durchführen, wobei der statistische Fehlerbereich laufend berechnet wird. Die App umfasst zudem ein Wachstumsmodell, das die mittelfristige Entwicklung des untersuchten Bestandes simuliert. Die erfassten Messdaten werden auf einem Server gespeichert und lassen sich später im Büro im Excel-Format herunterladen.
Abb. 2 - Fichtenbestand, in dem zwei Studenten eine Bestandsaufnahme durchführen.
Foto: Ch. Aechlimann und F. Hiltebrand (HAFL)
Grundfläche, Stammzahl und Baumhöhe einfach bestimmen
Zur Bestimmung der Grundfläche pro ha (G) verwendet MOTI die Winkelzählprobe nach Bitterlich. Daneben lässt sich mit dieser App die Stammzahl pro ha (N) in kreisförmigen Aufnahmeflächen (Festkreisprobe) erfassen oder die Baumhöhe (h) ermitteln. Im Menü "Einstellungen", das durch einen Schraubenschlüssel symbolisiert wird (Abb. 3), kann der Nutzer den Zählfaktor (k) zur Bestimmung von G, die Grösse der Probefläche zur Bestimmung von N sowie die Höhe der Jalon-Markierungen zur Messung von N und h frei wählen.
Die Messungen sind relativ einfach, wie die folgenden kurzen Anleitungen zeigen:
- Bestimmung der Grundfläche pro ha mit MOTI
- Bestimmung der Stammzahl pro ha mit MOTI
- Bestimmung der Baumhöhe mit MOTI
Es braucht allerdings ein bis zwei Stunden Übung, bis man das Bestimmen von G, N und h beherrscht. Um gute Ergebnisse zu erzielen, muss das Smartphone zudem vorgängig kalibriert sein. Der integrierte Assistent führt den Nutzer durch den Kalibrierungs-Vorgang, der etwa 15 Minuten in Anspruch nimmt und nur einmal durchgeführt werden muss.
Direkte Auswertung im Wald
Abbildung 4 zeigt die Auswertung der Messungen, die mit MOTI in genau jenem Bestand vorgenommen wurden, der in Abbildung 2 abgebildet ist. Die App liefert einerseits das Resultat der Messungen sowie zusätzliche Informationen zum Holzvorrat und zum Durchmesser des Grundflächenmittelstammes (dg). Wer mehrere Aufnahmen im gleichen Bestand durchgeführt hat, sieht auch den statistischen Fehlerbereich. Die GPS-Funktion des Handys ermöglicht zudem die Erfassung der Koordinaten des Messstandorts.
Ebenfalls in die App integriert ist SiWaWa: ein einfaches und praxistaugliches Simulationsmodell, das Auskunft über das Waldwachstum gibt. Dieses Modell erfordert als Eingabedaten nur gerade die mit MOTI erfassten Werte – das heisst also G, N und hdom (Oberhöhe) –, um in Sekundenbruchteilen die Entwicklung der betroffenen Waldfläche zu simulieren. SiWaWa liefert Informationen über den Zuwachs, die Vorratsentwicklung, die Mortalität oder auch die Stammzahlverteilung nach BHD-Klasse. Aktuell ist diese Funktion allerdings auf gleichförmige und reine Buchen-, Fichten-, Esche- und Ahornbestände beschränkt (Mindestanteil der Hauptbaumart 85%).
Vergleich mit herkömmlichen Messgeräten
MOTI schneidet im Vergleich zu herkömmlichen Messgeräten wie dem Spiegelrelaskop gut ab. Ein Grund dafür sind sicherlich die Vorteile, die ein modernes Smartphone bietet: eine verhältnismässig lichtstarke Optik, ein heller Bildschirm, die Zoom-Funktion oder die automatische Berücksichtigung der Hangneigung dank integrierten Sensoren.
Eine intuitive grafische Benutzeroberfläche macht es zudem möglich, den Messvorgang zu vereinfachenund das Ergebnis sofort auszuwerten. So verhindert die App beispielsweise, dass man bei der Stammzählung die Übersicht verliert, vor allem, wenn dabei zwischen den vorhandenen Baumarten unterschieden wird. Ebenso fällt eine manuelle Übertragung der gemessenen Daten auf den Computer weg, da diese online mit einem Server synchronisiert werden.
Tests, die im Rahmen des MOTI-Forschungs- und Entwicklungsprojekts durchgeführt wurden, haben ergeben, dass die App verglichen mit dem Spiegelrelaskop von Bitterlich ebenso gute, wenn nicht gar bessere Messergebnisse zur Grundfläche liefert. Bei diesen Tests wurde die Grundfläche G sowohl mit MOTI als auch mit dem Spiegelrelaskop von Bitterlich 96 Mal in vier verschiedenen Beständen (Laub- und Nadelholz, Stangenholz und Baumholz) erfasst. Bei der Bestimmung der Baumhöhe ist MOTI zwar nicht so präzise wie ein Vertex-Baumhöhenmesser, wobei die App nicht weit davon entfernt ist: Die Abweichung betrug in drei Vierteln aller getesteten Fälle weniger als 6%. Für MOTI spricht auch, dass es keine grossen materiellen Investitionen erfordert. Es braucht lediglich ein Smartphone und ein Jalon.
Eine Studie, die in einem Berggebiet im Kanton Wallis durchgeführt wurde, stellte folgende Schwächen fest: schlecht lesbarer Bildschirm bei direkter Sonneneinstrahlung oder sehr kontrastreichen Lichtverhältnissen; schwierige Fokussierung auf einen Baum, wenn das Unterholz dicht ist und einen Grossteil des Vordergrundes ausmacht; schwierige Messung der Baumhöhe, wenn der Stammfuss nicht sichtbar ist.
Die eingeschränkte Lesbarkeit bei direkter Sonneneinstrahlung hängt stark vom jeweiligen Smartphone-Modell ab. Bei vielen neuen Modellen ist dieses Problem behoben.
Wo bekomme ich MOTI?
MOTI können Sie über Google Play (Android), im App Store (iPhone) oder auf www.moti.ch gratis herunterladen. Auf der Projektwebsite sind auch eine Hilfe-Rubrik sowie diverse beschreibende Dokumente vorhanden. Die App steht in Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch zur Verfügung.
Wer steht hinter MOTI?
MOTI ist das Ergebnis eines Forschungs- und Entwicklungsprojekts, das von der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) in Zusammenarbeit mit dem Departement Technik und Informatik der Berner Fachhochschule (BFH) durchgeführt wurde. Finanziert und unterstützt wurde das Projekt durch den Wald- und Holzforschungsfonds, durch das Bundesamt für Umwelt (BAFU), sowie durch die folgenden Kantone der Schweiz: ZH, LU, FR, SO, BS, BL, SG, GR, TI, VD, VS und GE.
Weiterentwicklung
MOTI wird zur Zeit im Rahmen des EU-Projekts FOCUS weiterentwickelt. Insbesondere entsteht eine neue Version fürs Tablet und es gibt neue Inventurmethoden.
Der Artikel war ursprünglich in der Zeitschrift Forêt Entreprise erschienen.
(TR)