Der Staatsbetrieb Sachsenforst, Kompetenzzentrum Wald und Forstwirtschaft entwickelte in Zusammenarbeit mit den Firmen Digitale Dienste Berlin und Luftbild Umwelt Planung (LUP GmbH) ein Verfahren zur semiautomatisierten Ableitung von Waldzustandsparametern aus Fernerkundungsdaten. Zwischen 2011 und 2021 wurden mit diesem Verfahren sukzessive die Auswertungen für die gesamte Waldfläche des Freistaates Sachsen vorgenommen. Während der Projektbearbeitungen erfolgte eine permanente Verfahrenserweiterung in Abhängigkeit von den jeweils verfügbaren Daten. Mit Hilfe der ermittelten Parameter werden Aussagen zum Waldzustand sowie zur Entwicklung und Verteilung bestimmter Strukturparameter auf der gesamten Fläche getroffen.
Die Fernerkundungsdaten und davon abgeleitete Produkte können beispielsweise für
- die Beratung und Betreuung von nicht staatlichen Waldbesitzern,
- die Rationalisierung der Forsteinrichtung im öffentlichen Wald,
- das Monitoring von Wald-Lebensraumtypen,
- die Ableitung von Parametern für die forstbetriebliche Steuerung,
- die Abschätzung waldschutzrelevanter Risiken und
- die Waldflächenerfassung
genutzt werden (vgl. Abb. 1).
Datengrundlagen
Die Grundlage der Auswertungen bildeten die vom Landesamt für Geobasisinformation Sachsen (GeoSN) für Sachsenforst kostenfrei zur Verfügung stehenden amtlichen Luftbilddaten, Digitale Orthobilddaten (DOP), Laserdaten, Daten Digitaler Geländemodelle (DGM) und Digitaler Oberflächenmodelle (DOM) sowie die daraus berechneten Vegetationshöhenmodelle (VHM). Abhängig vom Bearbeitungszeitpunkt wurden Daten der Jahre 2008 bis 2021 in die Auswertungen einbezogen. Aufgrund der ausgeprägten Schadereignisse seit dem Jahr 2017, insbesondere infolge von Borkenkäferbefall an Fichte und Kiefer, reichte die Aktualität der bislang aller 3 Jahre vom GeoSN bereitgestellten Daten nicht aus. Deshalb wurde das Verfahren durch die Einbindung von zeitlich hochaufgelösten Sentinel-2-Daten in die Auswerteprozesse erweitert, um im Ergebnis aktuelle und fachlich gesicherte Daten bereitstellen zu können.
Ferner standen Fachinformationen des Forstlichen GeoInformationssystems (z.B. Forstgrunddaten), die Daten des Waldinformationssystems (WIS) sowie aktuelle Forsteinrichtungsdaten der Landes- und Körperschaftswälder im gesamten Auswerteprozess als Referenzdaten zur Verfügung.
Waldflächenzugänge und Waldflächenabgänge
Für die Verdachtsflächenkartierung von Waldflächenabgängen und Waldflächenzugängen fand ein zweistufiges Verfahren Anwendung. Aus dem VHM wurden die potenziellen Verdachtsflächen automatisiert abgeleitet und in Regelwerken mit anderen Geodaten (z.B. Forstgrunddaten, Daten der Biotoptypenlandnutzungskartierung) verknüpft. Vor der Übergabe der Verdachtsflächen (vgl. Abb. 2) an die unteren Forstbehörden zur endgültigen Feststellung der Waldeigenschaft wurden diese visuell am Bildschirm kontrolliert und gegebenenfalls korrigiert.
Wuchsklassen, Baumhöhenklassen
Zur Kartierung der Wuchsklassen und Baumhöhenklassen wurden die VHM analysiert. An die Kategorisierung von lokalen Höhenmaxima des VHM schloss sich ein iterativer Flächenwachstumsprozess an. Ziel war die flächenscharfe Kartierung von homogenen Höhensegmenten, die über ein Regelwerk schrittweise zu forstwirtschaftlich relevanten Einheiten aggregiert wurden. Die nachgeschaltete Baumhöhenklassenkartierung (vgl. Abb. 4) diente der weiteren Feingliederung innerhalb der vorab abgegrenzten Wuchsklassen (vgl. Abb. 3). Für jedes Baumhöhenklassen-Segment wurde der arithmetische Mittelwert für die Werteverteilung der Höhen über dem Perzentil 80 berechnet.
Waldstrukturklassen
Zur besseren Beschreibung der Struktur der Bestände und insbesondere zur Unterstützung der Forsteinrichtung wurden auf der Grundlage der Vegetationshöhenmodelle Baumhöhenklassen in 3m-Stufen als Rasterdaten (Pixelgröße 5 x 5 m²) abgeleitet (vgl. Abb. 5).
Schichtung
Die Vegetationshöhendaten bildeten auch die Grundlage, um für Waldflächen der Wuchsklasse Baumholz die Baumhöhenklasse in Bestandeslücken bzw. Kronendachlücken zu beschreiben. Insbesondere in lückigen und stark aufgelichteten Beständen der Wuchsklasse Baumholz ist diese Differenzierung möglich. Die Daten geben gleichzeitig einen Hinweis auf die Struktur und Schichtigkeit des Bestandes (vgl. Abb. 6).
Überschirmung
Auf Basis der Laserdaten und DOP wurden beschirmte und unbeschirmte Bereiche von Beständen differenziert (vgl. Abb. 7). Die Projektion des Kronendaches des Oberstandes auf die Geländeoberfläche entspricht dabei der Beschirmung bzw. der Deckung. Bestandesteile mit maximalen Höhen von über 20 m werden dem Oberstand zugeordnet. Ein Altholzschirm muss einen Kronenschlussgrad von über 0,2 aufweisen. Unbeschirmte Bestandesteile sind demnach in Oberflächenmodellen nicht zwingend Bodenpunkte. Es wurde nicht zwischen Blößen und Anwuchsflächen sowie unbeschirmten Bestandesteilen differenziert.
Baumartenerfassung
Die Baumartenklassifizierung erfolgte mit Orthobilddaten (RGBI, 16 bit, räumliche Auflösung 20 cm). Mit einem objektbasierten Klassifizierungsansatz wurden zunächst Laub- und Nadelbäume automatisiert kartiert. Die nachträgliche manuelle Eliminierung von Erfassungsfehlern führte zu einer qualitativ hochwertigen Laub-Nadel-Waldmaske. Nachfolgend wurden insbesondere die Baumartengruppen Buche, Eiche und Birke sowie Fichte, Kiefer und Lärche über spektrale Merkmale klassifiziert. Ein erheblicher Informationsgewinn konnte durch die Verknüpfung der kartierten Baumhöhenklassen und Hauptbaumarten mit vorhandenen Daten des Waldinformationssystems (WIS) erzielt werden. Diese Daten weisen auch in Abhängigkeit von der Waldeigentumsart sehr unterschiedliche Aktualitätsgrade auf. In einem Regelwerk wurden ausgewählte Waldzustandsparameter einem Plausibilitätstest unterzogen und für alle Bestände die aktuellen, fernerkundungsbasiert ermittelten Baumhöhenklassen und Laubholzanteile mit den WIS-Einträgen verglichen. Bei plausiblen Ergebnissen erfolgte die Übernahme der „alten“ WIS-Daten. Es wurden zudem Waldflächen selektiert und lokalisiert, die vermutlich eine mehr oder weniger starke strukturelle Veränderung erfahren haben (z.B. Durchforstung, Schäden). In der Abb. 8 werden die Ergebnisse der Baumartengruppenkartierung dargestellt.
Überhälter
Für die Erfassung von Einzelbäumen und Baumgruppen (z.B. Überhälter, Altschirme und Restbestockungen) wurden wiederum VHM herangezogen. Das übergreifende Merkmal der zu kartierenden Objekte ist die Höhendifferenz zur Umgebung. Es wurden mehrere Merkmale in einem Regelwerk kombiniert und die Stratifizierung der Holzbodenflächen mit Hilfe der Baumhöhenklassen-Kartierung vorgenommen.
Verfügbarkeit der Daten für die forstliche Praxis
Zur Nutzung in der forstlichen Praxis wurden die im Raster- und Vektordatenformat vorliegenden Kartierungsergebnisse bedarfsgerecht aufbereitet und datenmodellkonform auf dem Geodatenserver in der Geschäftsleitung von Sachsenforst sowie auf den Forstbezirksservern gespeichert.
Zudem wurden die für den gesamten Freistaat Sachsen abgeleiteten Waldzustandsparameter in Kombination mit den Daten des Waldinformationssystems, Forsteinrichtungsdaten und Standortsdaten genutzt, um thematische Rasterdaten abzuleiten. Diese Waldstrukturinformationen bilden die Grundlage für das sachsenweite Rasterdatenset Gesamtwald_raster (47 Layer) mit einer Rasterzellengröße von 10 m x 10 m.
Die Kartierungsergebnisse werden auch als Web Map Services (WMS) bereitgestellt. Diese können von den Mitarbeitenden von Sachsenforst und auf den unteren Forstbehörden in Geodateninfrastrukturen, z.B. mit der Webapplikation FGIS_online, genutzt werden (vgl. Abb. 10).
Fazit
Sachsenforst, Digitale Dienste Berlin und LUP GmbH entwickelten gemeinsam ein Verfahren zur (semi)automatisierten Erfassung von flächenweisen Waldzustandsparametern und wendeten dieses auf die gesamte Fläche des Freistaates Sachsen an. Die Geodaten des GeoSN sind prinzipiell zur Erfassung der von der Praxis geforderten Parameter geeignet. Die Laserdaten haben sich vor allem bei der Abgrenzung von Wuchs- und Baumhöhenklassen sehr gut bewährt. Abstriche sind bei der Erfassung der Baumartengruppen aufgrund der radiometrischen Inhomogenitäten der digitalen Luftbilddaten zu berücksichtigen. Vergleiche der Auswertungsergebnisse von luftbild- und lasergenerierten Oberflächenmodellen zeigen, dass letztere derzeit erwartungsgemäß zu detaillierteren und flächenschärferen Ergebnissen führen. Die Validierung der Ergebnisse durch das Referat Privat- und Körperschaftswald von Sachsenforst hat die hohe Qualität und hinreichende Genauigkeit der Daten bestätigt.
Gegenwärtig arbeiten die Beteiligten an der Weiterentwicklung des Verfahrens. Unter Nutzung der im Rahmen der Erstbearbeitung erfassten sachsenweiten Waldzustandsdaten und eines multitemporalen Auswerteansatzes soll die Laufendhaltung der Daten künftig nach einem vereinfachten, effizienteren Verfahren erfolgen. Im Fokus der methodischen Weiterentwicklung stehen dabei die stärkere Nutzung der Daten im Rahmen der Forsteinrichtung sowie die Erfassung der Strukturvielfalt von Waldlebensräumen.