Die großflächigen Störungen von Waldökosystemen der letzten Jahre führten zu einem steigenden Bedarf an aktuellen und hinreichend genauen Informationen zur Veränderung des Waldzustandes.

Fernerkundungsdaten mit hohen zeitlichen Auflösungen und großflächigen Abdeckungen bieten hier eine naheliegende Lösung, um den erheblichen Einfluss von Sturmereignissen, gefolgt von der aktuellen, weiter anhaltenden Massenvermehrung von Borkenkäfern auf den Waldzustand und die potenzielle Waldentwicklung zu erfassen. Mit der Verfügbarkeit von Satellitendaten, die der von den Nutzern geforderten hohen zeitlichen und räumlichen Auflösung entsprechen, wird das in der Forstwirtschaft traditionelle Luftbild zunehmend ersetzt. 

Monitoring mit Sentinel-2-Daten

Die Sentinel-2-Satellitendaten gestatten aufgrund ihrer zeitlichen, räumlichen und spektralen Auflösung die Kartierung von Störungsflächen, die durch Einwirkungen von abiotischen und biotischen Faktoren entstanden sind, und Flächen mit Vitalitätsänderungen. Die Grundlage der Auswertungen bilden die für Vegetationsanalysen relevanten Spektralkanäle im Wellenlängenbereich von 440-2190 nm (Grün, Rot, RedEdge, nahes und kurzwelliges Infrarot) und die aus den Reflexionswerten berechneten Vegetationsindizes. Mit deren Hilfe sind die Differenzierungen von vitaler, gestresster und abgestorbener Vegetation möglich. Die vorliegenden Auswertungen fokussieren vorrangig auf Unterbrechungen der horizontalen Waldstruktur, den Verlust von Blattmasse und Schädigungen des Chlorophylls. Ziel ist es, die infolge von Sturm, Schnee, Borkenkäferbefall, Trockenheit und anderen Schadeinflüssen entstandenen Störungsflächen gesichert geometrisch abzugrenzen und digital zu erfassen. Die Auswertungen wurden im Auftrag des Staatsbetriebs Sachsenforst durch die Firma Luftbild, Umwelt Planung (LUP GmbH Potsdam) durchgeführt.

Veränderungskartierung

Die Abbildung 2 gibt einen Überblick des Gesamtprozesses der Datenauswertung beginnend von den notwendigen umfangreichen Datenvorverarbeitungen über die Indizesberechnungen, die Modellerstellung, die Ergebnisvalidierung im Rahmen des Qualitätsmanagements bis zur Kartenausgabe.

Die erfassten Waldflächenveränderungen werden dabei in 4 Klassen differenziert:

  • Freifläche / Störungsfläche (Ursache unbekannt)
  • Freifläche / Störungsfläche mit Jungwuchs und/oder Strauchvegetation (z.B. Brombeeren)
  • Fläche mit Vitalitätsveränderung, voraussichtlich absterbend (Ursache unbekannt)
  • Fläche mit Vitalitätsveränderung, mittlerer Vitalitätsverlust (Ursache unbekannt).

Um den physiologischen Entwicklungsprozeß besser beurteilen und Aussagen zu langfristigen Waldschutzprognosen treffen zu können, sind Zeitreihenbetrachtungen und Trendanalysen erforderlich. Zur Unterscheidung von temporären Vitalitätsverlusten aufgrund von forstlichen Maßnahmen und bspw. durch Insektenfraß eingetretenen Vitalitätsverlusten wurden umfangreiche Zeitreihenuntersuchungen unter Einbeziehung eines harmonischen Modells durchgeführt. 

Dazu werden phänologische Sollkurven aus den Beobachtungsdaten der Vergangenheit erstellt. Diese dienen als Referenz für Vitalitätsveränderungen. Pixelbasiert wird jeder Baum gegenüber seiner eigenen Vergangenheit gemessen. Die verwendeten Algorithmen berücksichtigen sowohl saisonale Schwankungen (z.B. Schwankungen des Reflexionsverlaufes innerhalb des Jahres in Abhängigkeit von der Pflanzenphysiologie, Topographie, Sonnenwinkel) als auch die zwischenjährlichen Variationen des saisonalen Musters z.B. aufgrund von Temperaturveränderungen (PUHM et.al. 2020). 

Der Ansatz des "harmonischen Mittels“ soll dabei verhindern, dass Flächen, die nur temporär einen Unterschied im Reflexionssignal aufweisen, großflächig in die Schadkategorien eingeordnet werden. Deshalb wurde die Regel eingeführt, dass alle Pixel, die als Schadkategorie detektiert werden, auch im harmonischen Modell als Anomalie detektiert werden müssen.

Die Auswertungen erfolgten auf der Basis von Zeitreihenanalysen. Demzufolge können die Flächen von einer Schadkategorie zu einer anderen Schadkategorie im nächsten Zeitschnitt wechseln. D.h., eine im Jahr 2017 als Freifläche/Störungsfläche ausgewiesene Fläche kann in den Folgejahren als Freifläche/Störfläche mit Jungwuchs/Strauchvegetation ausgewiesen werden. Eine als “Fläche mit Vitalitätsänderung, absterbend“ kategorisierte Fläche wird in den Folgejahren nach dem Einbruch der Vegetationsstruktur (Störung) als Freifläche/Störungsfläche ausgewiesen. Eine als ”Fläche mit Vitalitätsveränderung, mittlerer Nadelverlust“ separierte Fläche kann aus der Schadkategorie wieder herausfallen, wenn sie sich regeneriert hat. Damit werden der physiologische Entwicklungsprozeß und das vorhandene Entwicklungspotential der ausgewiesenen Waldfläche berücksichtigt.

Ergebnisse

In der Abbildung 3 ist die Entwicklung für alle mittels Sentinel-2-Monitoring detektierten Flächen ab einer Flächengröße von 0,1 ha von Herbst 2017 bis Herbst 2023 dargestellt. Die Freiflächen nehmen kontinuierlich zu. Bei den Flächen mit verändertem Reflexionsverhalten ist ein großer Sprung vom Herbst 2020 zum Frühjahr 2021 zu verzeichnen. Dieser hatte seine Ursachen im intensiven Übergang von Flächen mit Vitalitätsveränderung zu Störungsflächen zwischen Herbst 2020 und Frühjahr 2021. Zudem führte die lange Trockenheit der Jahre 2018 bis 2020 und erneut 2022 zu großflächigen Beeinträchtigungen der Vitalität. Im Laufe des überdurchschnittlich feuchten Jahres 2021 konnten sich viele Flächen wieder erholen. Als "regenerationsfähig“ eingestufte Flächen verließen diese Kategorie wieder und führen zur abgebildeten Variabilität in der Flächenverteilung. Die Einbeziehung eines harmonischen Modells führte gerade bei dieser Klasse zu einer Verbesserung der Erfassungsgenauigkeit. Im Jahr 2023 gab es insgesamt nur geringe Zunahmen in den Kategorien 1 bis 4.

Validierung der Ergebnisse

Die automatisiert detektierten Flächen mit Vitalitätsveränderung und Störungsflächen werden im Rahmen des Qualitätsmanagements unter Verwendung eines systematischen Stichprobenrasters manuell geprüft und gegebenenfalls nachkartiert. Dafür wird das Gitternetz der Bundeswaldinventur (BWI) genutzt. Um jeden BWI-Stichprobenpunkt wird ein Quadrat mit einer Seitenlänge von 1x1 km² aufgespannt und ausgewertet. Zur Validierung werden die Digitalen Orthobilddaten des Landesamtes für Geobasisinformation Sachsen (GeoSN), Google-Earth-Daten und hochaufgelöste Satellitendaten (z. B. SkySAT, WorldView) verwendet. Exemplarisch werden hier die Ergebnisse der Validierung des Zeitschnittes Herbst 2022 in Abbildung 4 dargestellt.

Datenverfügbarkeit

Die erfassten Frei-/Störungsflächen und Flächen mit Vitalitätsveränderungen werden den Nutzern via Kartendienst und auch dateibasiert (Shapefiles) zur Verfügung gestellt. Dazu werden die Daten vom Geodatenserver der Geschäftsleitung von Sachsenforst automatisiert auf die Forstbezirksserver und die Revier-PCs entsprechend vordefinierten Synchronisationszyklen synchronysiert. Zusätzlich werden die Daten den unteren Forstbehörden der Landkreise bereitgestellt.

Die Ergebnisse des Sentinel-2-Monitorings sind auch als WMS im Intranet und Internet verfügbar und können so beispielsweise mit unserem Web-GIS FGIS_online (vgl. Abb. 6) oder auch von Privatwaldbesitzern in dem Geoportal Sachsenatlas (vgl. Abbildung 5) genutzt werden.

Fazit

Die Ursachen von Veränderungen der Waldstruktur reichen von planmäßig durchgeführten Erntenutzungs- und Verjüngungsmaßnahmen, bei denen die veränderten ökophysiologischen Bedingungen zu temporärem Stress führen können, bis zu den durch endogene biotische oder exogene, abiotische Faktoren ausgelösten Störungen. Eine Unterscheidung zwischen einer Fläche, wo eine bewirtschaftungsbedingte Veränderung der Waldstruktur zu temporären ökophysiologischen Reaktionen führt und der eigentlichen Schadfläche, ist nur auf der Grundlage der gesamten Zeitreihe von Veränderungen der Waldstruktur und des Vitalitätsstatus möglich. Grundsätzlich sind mit Methoden der Fernerkundung erhobene Informationen unspezifisch und können keiner konkreten Ursache zugeordnet werden. Die Ergebnisse liefern für die Abschätzung der Waldentwicklung und die Unterstützung von forstbetrieblichen und forstbehördlichen Steuerungsprozessen ausreichende Informationen. 

Die Detektion der infolge von klimatischen Ereignissen und Borkenkäferbefall entstandenen Störungsflächen nach Größe, räumlicher Verteilung, Struktur der Störung (Freifläche / Fläche mit mehr oder weniger stark ausgeprägter Unterbrechung des horizontalen Kronenschlusses / Vorhandensein von Aufwuchs / Regenerationspotential) sind für die Verteilung von forstbetrieblichen Ressourcen nutzbar.

Literatur: Puhm, M., Deutscher, J., Hirschmugl, M., Wimmer, A.; Schmidt, U., Schardt, M. (2020): A near real-time method for forest change detection based on a structural time series model and the Kalman filter. Remote Sensing 12 (19): 3135.