Der Forststraße entlang des Rindbaches, die Wandersleute in Richtung Almtal oder Gasslhöhe führt, merkt man nichts an. Mal kommt man an einem Bauwerk mitten im Flusslauf vorbei, das dazu dient, das Dorf zu schützen. Dann passiert man Instrumente, die an einer Felswand angebracht sind. Weiter oben ist eine Wetterstation mit einem Wildzaun gegen neugierige junge Rehböcke geschützt. Sonst deutet nicht viel darauf hin, dass dieses Tal, dieser Wald, dieser Bach, etwas Besonderes für die Naturgefahrenforschung sind.
Modellgebiet für andere Regionen
Es ist die Normalität, durch die sich das Einzugsgebiet des Rindbachs als überdimensionales Naturraumlabor eignet. Der Schutzwald wächst hier auf seicht- bis mittelgründigen Carbonatstandorten. Das bedeutet, dass über dem kalkhaltigen Gestein nicht viel Erde und Humus vorhanden ist, wo ein Baum wurzeln kann. So wie hier sieht es auch auf vielen anderen Schutzwaldstandorten in den österreichischen Bergen aus. Und Probleme mit Stürmen und Hochwässern sind hierzulande ebenfalls ein wiederkehrendes Thema. Daher wurde heuer im Rahmen des Schutzwaldzentrums ein Projekt gestartet, in dem man mehr über den Einfluss des Waldes auf die Dynamik von Wildbächen erforschen möchte, um die Erkenntnisse an anderen Standorten sinnvoll einsetzen zu können.
Zurück im Rindbachgraben. Von Ebensee am südlichen Ufer des Traunsees sind wir den Schildern in Richtung Ortsteil Rindbach gefolgt. Hier hat das Hochwasser 2013 massive
Schäden angerichtet. Nach diesem Ereignis wurden von der WLV Maßnahmen zum Schutz des Dorfes durchgeführt. Nun ragt ein riesiger Wildholzrechen, etwa einen Kilometer bevor der Bach in die Ortschaft fließt, aus dem Flussbett heraus. „Dieser soll verhindern, dass mitgeschwemmte große Äste und Baumstämme – wir nennen es Un- oder Wildholz – Schäden an Brücken und Gebäuden im Ort anrichten. In dem etwa 23 Quadratkilometer großen Einzugsgebiet des Rindbaches können sehr große Wassermengen zusammenkommen. Mehrere Gräben entwässern in den Bach, die Hänge sind steil und an vielen Stellen lawinengefährdet”, fasst der BFW-Experte Gerhard Markart aus Innsbruck zusammen.
Das Einzugsgebiet, also all jene Flächen von denen Regenwasser und schmelzender Schnee in den Rindbach rinnt, ist vollständig bewaldet. Die Bäume, die hier wachsen, haben es aber auf diesem flachgründigen Boden nicht einfach. Schwere Stürme verursachen daher große Schäden, wie zum Beispiel Kyrill, Emma und Paula, die Mitte der 2000er-Jahre ganze Berghänge entwaldet haben. Wenn der Wald weg ist, ist aber auch der Schutz weg. Daher haben sich die Eigentümer, die Österreichischen Bundesforste (ÖBf), zum Ziel gesetzt, ihre Wälder gegen künftige Schäden zu rüsten.
5 Ziele & 1 Strategie
Inzwischen haben wir schon einige Kilometer bergauf hinter uns gelassen. Fichten, Lärchen, Buchen und Ahorne säumen die Forststraße. Der Weg führt vorbei an kleinen Gräben, in denen an diesem kühlen Herbsttag Wasser herunterplätschert. Hie und da kommen wir an schroffen Felsen vorbei, auf deren oberem Rand die Wurzeln der darauf wachsenden Bäume hervorblitzen und auf die Flachgründigkeit des Standortes hinweisen. Neben den Felsen tut sich eine Rinne mit vielen kleinen Bäumen auf. Die Bundesforste arbeiten fast ausschließlich mit Naturverjüngung zur Wiederbewaldung und pflanzen dort, wo es passt, Lärche oder Ahorn.
Dies ist eines von fünf Zielen ihrer Schutzwaldstrategie. Weiters sollen ein ökologisch tragbarer Wildstand, ein Biomasse-Entzugsverbot und der Verzicht auf Kahlhiebe den Wald in Zukunft stabiler gegen Stürme und andere Schäden machen.
Wissen für die Praxis
Die Straße führt uns weiter auf ein kleines Plateau. Hier steht geschützt von einem Wildzaun eine Wetterstation mit Windmesser, Regenmesser und Solarpanel. Es ist eine von zwei Wetterstationen im Naturraumlabor Rindbach. Außer diesen technischen Einrichtungen gibt es noch weitere Messanlagen wie etwa zur Abfluss- oder Fließgeschwindigkeitsmessung oder eine Kamera zur Lawinenbeobachtung.
Noch bis Ende 2024 werden am Rindbach Daten gesammelt, um Grundlagen für nachfolgende Forschungsprojekte und langfristige Beobachtungen zu schaffen. „Das Modell-Einzugsgebiet Rindbach ist für Forschung und Praxis eine einzigartige Chance, um gemeinsam und langfristig die Wechselwirkungen zwischen Waldvegetation und Naturgefahren untersuchen zu können. Diese Langfristigkeit ist besonders wichtig. Wald wächst langsam und die Auswirkungen von Klimawandel, natürlichen Störungen oder angepassten Bewirtschaftungsstrategien auf die Schutzwirkung des Waldes lassen sich so am besten erforschen”, sagt Michaela Teich.
Das Wissen über die Naturgefahrenprozesse, den Zustand und die Dynamik der Vegetation, die standörtlichen Bedingungen und die Bewirtschaftung der Schutzwälder wird in der Praxis und der Ausbildung angewandt, um zu vermitteln, welche Einflüsse einen Wildbach zum reißenden Fluss machen und wie Vorbeugung und Schutz vor den Wassermassen verbessert und nachhaltig bereitgestellt werden können.
Schutzwald Awareness
Das Modellgebiet Rindbach, das am Schutzwaldzentrum mit Sitz am WALDCAMPUS an der forstlichen Ausbildungsstätte (FAST) Traunkirchen beheimatet ist, ist ein Kooperationsprojekt zwischen Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft (BML), vertreten durch die Wildbach- und Lawinenverbauung (WLV), den Österreichischen Bundesforsten (ÖBf), der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) und dem Bundesforschungszentrum für Wald (BFW).
Aufgaben: Aus- und Weiterbildung, Beratung, Bewusstseinsbildung, Wissens- und Technologietransfer