Lichtung: Sie haben in Barcelona gelebt. Wie kümmern sich spanische Städte um ihre Bäume?
Cecil Konijnendijk: In spanischen Städten müssen sich die Menschen schon seit vielen Jahren mit höheren Temperaturen und Trockenheit auseinandersetzen. Sie sind ziemlich gut darin, die richtigen Baumarten auszuwählen und sich auf den Klimawandel einzustellen. Interessanterweise schneiden sie meiner Meinung nach besser ab als Vancouver oder Zeist (Niederlande), Orte, an denen ich ebenfalls gelebt habe. Dort haben wir mehr Probleme mit dem Klimawandel. In Vancouver zum Beispiel gab es in den letzten Jahren sehr heiße Sommer, was dazu führte, dass viele Bäume abstarben, weil man die falschen Baumarten ausgewählt hatte. In gewisser Weise sind die mediterranen Städte mehr an die Hitze gewöhnt und sind vielleicht besser an die Verwendung der richtigen Baumarten angepasst.
Die USA und Kanada haben eine lange Geschichte im Bereich Urban Forestry, länger als in Europa, wo in diesem Kontext der Begriff Stadtwald kursiert. Könnten Sie die Unterschiede mit ein paar Stichworten erklären?
Wenn wir in Europa von städtischer Forstwirtschaft sprechen, dann denken die Leute immer noch an Wälder. In Nordamerika begann es mit Straßenbäumen, man nannte sie auch Schattenbäume. Das ist ein anderer Ansatzpunkt. Jetzt verschmelzen diese beiden Traditionen, und wenn wir von Urban Forestry sprechen, meinen wir alle Bäume in städtischen Gebieten, einschließlich des Wienerwaldes zum Beispiel. Es geht also im Grunde um das gesamte Waldsystem einer Stadt. Sie kamen aus unterschiedlichen Bereichen, heute sind wir uns aber bereits näher gekommen.
Es gibt oft Lücken oder Missverständnisse zwischen städtischen Förstern (Mikroklima, Erholung) und klassischen Förstern (Holzproduktion). Was könnten sie voneinander lernen? Was könnte die Empathie fördern?
Ich bin ausgebildeter Förster, und als ich in der städtischen Forstwirtschaft anfing, hielten mich viele Fachkundige für ein bisschen komisch. Heute ist Urban Forestry besser akzeptiert. Die städtische Forstwirtschaft könnte sich von der Forstwirtschaft die Nachhaltigkeitsperspektive abschauen, das langfristige Denken. Eben nicht nur in vier oder fünf Jahren zu denken, sondern in 100 Jahren. Die Forstwirtschaft verfügt über sehr detaillierte Inventarisierungs- und Ressourcenmanagementansätze, und ich denke, dass dies für die städtische Forstwirtschaft sehr nützlich sein könnte.
Die Forstwirtschaft kann aber auch von der städtischen Forstwirtschaft lernen. Städtische Normen und Werte sind so wichtig, dass sie die Forstwirtschaft beeinflussen. Es gibt mehr Anforderungen an die Freizeitgestaltung und an die Klimaanpassung. Ich denke, die Forstwirtschaft kann davon lernen. In den Städten ist es bereits wärmer. Viele Probleme im Zusammenhang mit dem Klimawandel und den Auswirkungen auf die Bäume treten bereits jetzt in der Stadt auf. Später wird das auch die Wälder in ländlichen Gebieten betreffen. Aus diesem Grund sind Städte eine Art Testfeld für die Forstwirtschaft im Allgemeinen.
Sie haben die 3-30-300-Regel entwickelt. Welches sind die drei Haupthindernisse bei der Umsetzung dieser Regel?
Auf Grün zu blicken, in Grün zu leben und Grün zu nutzen, das ist der Grundgedanke. Er basiert auf Forschungsergebnissen. Wir wissen also, dass hinsichtlich der Gesundheitsförderung insbesondere die Regeln "30 % Baumbestand in jedem Viertel" und "300 Meter bis zur nächsten Grünfläche" durch Forschungsergebnisse unterstützt werden.
Wir wissen, dass der Gesundheitszustand der Bevölkerung besser und die Klimaanpassung erfolgreicher wäre. Ich habe sie auch eingeführt, um die disziplinären Barrieren zu durchbrechen und Wissenschaft, Politik, Praxis und die Öffentlichkeit miteinander zu verbinden. Es macht Menschen aus Politik, Planung, Architektur, Ingenieurwesen, aber auch Gemeinden, Bürgern und Bürgerinnen die Bedeutung von Bäumen und Grünflächen in der Stadt deutlich. Und ich glaube wirklich, dass es dort erfolgreich ist. Viele Menschen wissen jetzt Bescheid und sprechen darüber.
Aber es gibt aber auch Hindernisse, wie Sie sagen. In den Städten ist es schwierig, genügend Platz für Bäume zu finden. Es gibt keinen Raum über, aber auch keinen unter der Erde, weil es so viele Kabel, Abwassersysteme und Infrastrukturen gibt. Das zweite Problem ist, dass Stadtbäume oft in einem sehr jungen Alter absterben. Wenn wir einen Baum in einer Stadt pflanzen, lebt er nur 20 oder 30 Jahre. Viele der Ökosystemleistungen kommen aber erst nach 30, 40, 50 Jahren zum Tragen.
Wir müssen uns also besser um die Pflege der Bäume kümmern. Das dritte Hindernis, das Sie bereits erwähnt haben, ist die Politik. Bäume sind oft nicht die erste Priorität. Stattdessen stehen die wirtschaftliche Entwicklung, der Bausektor und der Wohnungsbau ganz oben auf der Tagesordnung. Deshalb denke ich, dass wir die Prioritäten ändern müssen, wenn wir sagen, dass wir Natur in der Stadt brauchen. Wir brauchen Bäume. Sie sind genauso wichtig wie Wohnungen, Straßen oder Geschäfte.
Haben Sie in Ihrer Forschungsarbeit einen Zusammenhang zwischen Wohlstand und der Bereitschaft, Städte und Landschaften grüner zu gestalten, feststellen können?
Das ist ein wirklich wichtiger Punkt. Wir wissen im Allgemeinen, dass wohlhabendere Menschen eher bereit sind, sich um Grünflächen zu kümmern und mehr Bäume zu pflanzen. In vielen Städten findet man die meisten Bäume und die besten Parks in den reichen Gegenden. Die Menschen kümmern sich mehr um sie. Sie betreiben Lobbyarbeit in der Politik.
Die armen Menschen haben es wirklich nötig, aber sie haben oft nicht den gleichen Zugang dazu. Das ist also auch eine Motivation für die 3-30-300-Regel, dass jeder Zugang zu Grünflächen erhalten sollte. Es ist auch ein demokratisches Instrument. Jede Grundversorgung sollte Grün und Bäume bereitstellen, das ist gut für unsere Gesundheit, für das Klima, und jeder sollte Zugang dazu haben. Nicht nur die Leute, die viel Geld haben.
Können Sie uns zwei Best-Practice-Modelle für innovative städtische Forstwirtschaft nennen, eines in Europa und eines weltweit?
Ich denke, das beste Modell, das ich kenne, stammt aus Singapur. Dort hat man die Begrünung der städtischen Wälder im Grunde in jeden Politikbereich integriert. Jedes Gebäude muss jetzt grün sein. Sie haben all diese großen Gärten. Sie denken an den Tourismus, sie denken an die wirtschaftliche Entwicklung. Sie haben die städtische Forstwirtschaft wirklich in die Planung und Entwicklung der Stadt integriert. Viele Leute halten Singapur für das weltweit beste Modell, denn natürlich haben sie viel Geld.
Berlin hat ebenso interessante Dinge getan. Sie verfolgen einen Ansatz einer wilden Natur. Das heißt, sie lassen die Natur wilder werden, sie managen nicht immer alles. Und die Leute akzeptieren das. Es gibt Gebiete wie den Naturpark Südgelände, das Tempelhofer Feld, das sind Naturgebiete, die die Natur in die Stadt bringen. Die Menschen sind es also gewohnt, wilde Natur in ihrer Nähe zu haben. Für mich ist das sehr innovativ.
Grünflächen fördern den Frieden in der Gesellschaft, da sie ein Erholungsgebiet sind, in dem sich Menschen vom Stress erholen können. Allerdings werden Parks oft als unsichere Räume wahrgenommen, insbesondere für Frauen. Wie kann eine geschlechtersensible Gestaltung von Stadtwäldern dabei helfen?
Einerseits ist es, wie Sie sagen, großartig, die Natur zurückzubringen, andererseits gibt es Probleme, wenn man sich unsicher fühlt. Die Forschung zeigt, dass es wirklich wichtig ist, eine gute Verwaltung im Park zu haben. Ihre Anwesenheit führt zu einer Art sozialer Kontrolle, die Gewalt und Kriminalität verhindert. Es ist wichtig, Grünflächen gemeinsam mit der Bevölkerung zu gestalten, zum Beispiel mit Frauen, ethnischen Minderheiten und Kindern. Arbeiten in Barcelona und Malmö haben mich sehr inspiriert. Sie nennen es feministische Planung. Dabei handelt es sich um ein Kollektiv von Planerinnen, die tatsächlich gestalten.
Bisher wurden Städte hauptsächlich von Männern für Männer geplant, und ich denke, wir müssen das ändern. Wir müssen darüber nachdenken, wie sich Frauen in der Stadt bewegen. Wie können sich zum Beispiel Mädchen im Teenageralter sicher fühlen und sich deshalb in öffentlichen Grünanlagen treffen, gemeinsam Spaß haben, sich entspannen, Sport treiben, lernen und sich mit der Natur verbinden? Es gibt jetzt neue Ansätze für die Gestaltung, wir müssen uns wirklich von dieser männlich dominierten Perspektive bei der Planung von Städten und Grünflächen lösen.
Abb. 2: Acer platanoides (Spitzahorn) ist zurzeit die häufigste Baumart in Wien. Foto: BFW
In Wien haben wir eine Art Superpflanze in der städtischen Forstwirtschaft: der Europäische Zürgelbaum (Celtis australis). Acer platanoides (Spitzahorn) ist zurzeit die häufigste Baumart. Haben Sie eine Art Superpflanze, mit der Sie viel arbeiten?
Der Zürgelbaum ist auch in Barcelona sehr beliebt. Er hat einen großen Anteil an den Straßenbäumen, daher kenne ich ihn gut. Was eine Art zu einer Superpflanze macht, hängt davon ab, wo man sich befindet. Die Londoner Platane (Platanus hispanica) ist immer noch sehr beliebt. Viele Städte verwenden sie. Sie ist sehr resistent gegen Umweltverschmutzung. Auch der Ginkgobaum ist sehr beliebt, weil er sehr widerstandsfähig ist und schöne Farben hat. Ich glaube, die Menschen suchen nach neuen Straßenbäumen, wie zum Beispiel der Zelkova. Es gibt also mit Sicherheit ein paar tolle Bäume. Acer platanoides ist ein Baum, den man überall sehen kann, der aber manchmal ein bisschen zu aggressiv ist.
Das führt direkt zur nächsten Frage, wie es um die biologische Vielfalt in den Städten steht und wie sie mit der städtischen Forstwirtschaft zusammen hängt?
Das ist wirklich wichtig. Generell gilt: Je größer die biologische Vielfalt, desto widerstandsfähiger ist der Wald, desto resistenter ist er gegen Schädlinge und Krankheiten. Es gibt einen Leitfaden, der vor einigen Jahrzehnten in den Vereinigten Staaten von Dr. Frank Santamour entwickelt wurde und der lautet: 10-20-30. Es sollten nicht mehr als 10 Prozent der gleichen Art, nicht mehr als 20 Prozent der gleichen Gattung und nicht mehr als 30 Prozent der gleichen Baumfamilie angehören. In diesem Sinne wird die Artenvielfalt gefördert. Ich persönlich mag die Artenvielfalt in ein- und derselben Straße. Ich habe die Durchmischung in Berlin und in anderen Städten gesehen, wo es zwei oder drei Arten in einer Straße gibt, statt nur einer Art.
Wie stark sollte die Öffentlichkeit in die Pflege von Stadtbäumen einbezogen werden?
Ich denke, eine App könnte praktisch sein, um Menschen einzubeziehen. Wenn es im Sommer richtig heiß wird, könnten die Bewohner und Bewohnerinnen der Straße beim Gießen der Bäume helfen. Sie könnten auch bei der Erkennung von Schädlingen und Krankheiten mitwirken. Wenn ein neuer Schädling auftaucht, könnten sie helfen und einen Blick darauf werfen, ob es den Bäumen gut geht.
Wie haben Sie erkannt, dass die Natur für uns wichtig ist, und was ist Ihre Lieblingsbaumart?
Ich komme aus einem kleinen Dorf im Südwesten der Niederlande, in der Nähe von Rotterdam. Ich bin auf dem Land aufgewachsen, in einer offenen Gegend mit nicht allzu vielen Bäumen. Aber meine Eltern nahmen mich und meine Brüder sonntags mit in die Wälder an der Küste. In den Ferien fuhren wir oft in die Wälder im Zentrum der Niederlande, nach Deutschland oder Belgien. Dadurch wurde das Interesse geweckt und vielleicht auch das Verständnis für die Notwendigkeit der Natur in unserem Leben.
Meine Brüder machen jetzt mit ihren Familien das Gleiche. Es ist eine Art Familientradition. Was meine Lieblingslandschaft angeht - ich mag den Wald, sowohl geschlossene als auch offene Wälder, aber ich mag auch das offene Land mit dem weiten Himmel und das Meer, weil ich in dessen Nähe aufgewachsen bin. Meine persönlichen Lieblingsbaumarten sind die Eiche wegen ihrer Größe und ihrer langen Lebensdauer sowie der Ginkgo (männlich), der wegen seiner Widerstandsfähigkeit ein wirklich guter Stadtbaum ist.
Abb. 3: Cecil Konijendijk bei einem Vortrag. Foto: Yosr Hmam Spit
Zur Person: Cecil Konijnendijk studierte Forstwirtschaft in den Niederlanden. Nach 25 Jahren wissenschaftlicher Forschung in Finnland, Dänemark, Schweden, Hongkong, Vancouver und Barcelona ist er vor kurzem in die Niederlande zurückgekehrt. Über seine Arbeit wurde in führenden Medien wie CNBC und in internationalen Dokumentarfilmen berichtet. Cecil war Mitbegründer der Fachzeitschrift Urban Forestry & Urban Greening und Herausgeber von Lehrbüchern wie The Routledge Handbook of Urban Forestry. Er ist Chefredakteur von Arboriculture and Urban Forestry, der wissenschaftlichen Zeitschrift der International Society of Arboriculture.