Mit der Mechanisierung der bäuerlichen Betriebe verschwanden auch im Landkreis Miesbach viele Feldgehölze, die für die dort typische Haglandschaft so bedeutungsvoll sind. Daher starteten die damaligen Forstämter Schliersee und Kreuth, das ehemalige Amt für Landwirtschaft Miesbach und die Untere Naturschutzbehörde des Landratsamtes Miesbach im Jahre 1980 die "Hagaktion". Auf der jährlichen Hagaktion werden kostenlos standortheimische Baum- und Strauchpflanzen für die Anlage und Ergänzung von Hecken an die Bauern abgegeben. Der Erfolg ist heute überall in der Flur sichtbar.
Die Kulturlandschaften Bayerns entstanden überwiegend durch bäuerliche Hand. Herausragende Beispiele sind unsere typischen Hag- und Heckenlandschaften z.B. in der Fränkischen Alb, im Bayerischen- und Oberpfälzer Wald, im Odenwald, im Spessart und in der Rhön. Eine Besonderheit bilden die Baumhecken (Hage) des voralpinen Hügel- und Moorlandes im Berchtesgadener Land, im Isartal bei Lenggries und im Miesbacher Oberland.
Entwicklung der Miesbacher Haglandschaft
Die Haglandschaft um Miesbach – auch Egartenlandschaft genannt (Egart = braches Land) – entwickelte sich über mehrere Jahrhunderte. Die Bedeutung des Wortes "Egart" ist vermutlich auf den hier früher üblichen Ackerbau zurückzuführen. Auf Grund des kühlfeuchten Klimas und der kurzen Vegetationsperiode fielen die Ernten jedoch recht mäßig aus. Auf den nur spärlich mit Stallmist gedüngten Äckern ließen die Erträge schnell nach. Man überließ sie daher für unbestimmte Zeit der Brache, damit sie sich erholen konnten. Bald danach wurden sie als Weide genutzt. Um zusätzliche Flächen im Oberland landwirtschaftlich nutzbar zu machen, mussten diese oft zunächst mühsam gerodet werden. Dabei ließen die Bauern oft an den Grenzen der Flurstücke Gehölze stehen. Diese entwickelten sich im Laufe der Zeit zu Hagen. Der Vorgang wurde dadurch begünstigt, dass die Landwirte sogenannte "Klaubsteine" aus ihren Feldern aufsammelten und an den Ackergrenzen ablegten. Schnell erkannten die Bauern die Vorteile der Gehölzbestände. Sie nutzten den Hag als Rohstoffreserve für Brenn-, Bau- und Werkholz. Zudem lieferten die Sträucher Wildfrüchte und bereicherten dadurch die wenig abwechslungsreiche Kost während das Laub als Winterfutter und Einstreu für den Stall diente.
Eine weitere wichtige Rolle bei der Entstehung der Miesbacher Egartenlandschaft spielte die klösterliche Landvergabe. Jeder Lehensträger war verpflichtet seine Besitztümer abzugrenzen. An diesen Einzäunungen entstanden so auf natürliche Weise "lebende Zäune" – die Hage. Sie wurden durch das Anpflanzen von Gehölzen zusätzlich gefördert. So entwickelte sich im Laufe von Generationen das oberbayerische Paradies, die "Miesbacher Haglandschaft".
Rückgang der Hage durch Technisierung
Im 19. und 20. Jahrhundert gingen nicht nur in Bayern die Feldgehölzbestände im Zuge der Mechanisierung der bäuerlichen Betriebe rapide zurück. Die landwirtschaftlichen Fahrzeuge nahmen an Größe zu und so standen die Hage und Feldgehölze einer modernen, großflächigen Bewirtschaftung im Wege und die ökologisch bedeutsamen Gehölzstrukturen verschwanden aus der Feldflur.
Da die Holzentnahme aus Hagen aufgrund der äußerst niedrigen Preise von Kohle und Öl stark rückläufig war, verlor der Hag auch seine Bedeutung als Energielieferant.
Neue Lebensräume durch die Hagaktion
Mit der alljährlichen Gemeinschaftsaktion "Hagaktion" wird nun seit 1980 in Miesbach durch partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den Bauern – statt mit Verboten – dieser für die Landschaft bedrohlichen Entwicklung entgegengewirkt. Seither werden laufend Lücken in den Hagen geschlossen und neue Hagen begründet und bis heute ist die Aktion ein voller Erfolg.
Heute gliedern und beleben wieder Hage und Hecken die bäuerliche Kulturlandschaft im Landkreis Miesbach. Die naturfördernde Aktion hat sich aufgrund der unkomplizierten Antragsstellung, der effizienten Organisation und Durchführung bestens bewährt und kann als Vorbild für andere Gegenden dienen.
Hagpflegeprogramm: Ergänzung zur Hagaktion
Das Hagpflegeprogramm wurde gemeinsam mit dem Umweltministerium, dem damaligen Amt für Landwirtschaft in Miesbach, den ehemaligen Bayerischen Forstämtern Schliersee und Kreuth sowie der Städtischen Forstverwaltung Gotzing im Jahre 1986 ins Leben gerufen.
Der Erfolg des Programms ist heute überall in der Flur sichtbar. Die Bauern erhalten einen finanziellen Ausgleich, wenn sie Hage in ökologisch wünschenswerter Weise pflegen.
- Zäunung der Hagen zum Schutz vor Weideviehverbiss
- Keine Dünge- und Pflanzenschutzmittel im eingezäunten Hag
- Schließen vorhandener Lücken mit standortheimischen Bäumen und Sträuchern
- Regelmäßige Pflege des Hages
Informationen bei der Unteren Naturschutzbehörde des Landratsamtes Miesbach; Tel.08025 -704-254 und -704-287.
Einfache Antragstellung – kostenloses Pflanzmaterial
Ein wichtiges Ziel der Hagaktion ist es, das Antragsverfahren so einfach wie möglich zu gestalten. Dem Grundstückseigentümer stehen kompetente Ansprechpartner beim Amt für Landwirtschaft und Forsten und die Fachreferenten für Naturschutz beratend zur Seite, über die die Pflanzmaßnahmen abgewickelt werden können. Sie sind den Bauern meist bekannt und genießen ihr vollstes Vertrauen.
Das benötigte Pflanzmaterial wird für die Hagaktion kostenlos zur Verfügung gestellt. Finanzierung und Zuschussabwicklung übernimmt die Untere Naturschutzbehörde. Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz, die Regierung von Oberbayern sowie die natur- und heimatverbundene Kreissparkasse Miesbach-Tegernsee unterstützen alljährlich finanziell die landschaftspflegerischen Maßnahmen. Die Haganträge werden am Amt für Landwirtschaft und Forsten oder beim Landratsamt Miesbach zusammengefasst. Die Pflanzenbestellung erfolgt vor der Pflanzperiode. Hierbei sind besonders die Qualität der Pflanzen sowie der einwandfreie Lieferservice der Baumschulen wichtig. Die Lieferung erfolgt für den Bauern kostenlos frei Haus. Für die Anpflanzung werden nur standortheimische Bäume und Sträucher verwendet, da „autochthone“ Gehölze an die rauen Klima- und Bodenverhältnisse des Oberlandes besonders gut angepasst sind.
Pflanzung
Die Neuanlage von Hagen war und ist eindeutiger Schwerpunkt der Hagaktion. Ergänzungen in lückenhaften Hagen sind, wenn diese durch Einzäunung vor Weidevieh geschützt sind und der Wildbestand nicht zu hoch ist, in der Regel nicht erforderlich. Die Grundstückseigentümer führen die Pflanzung in aller Regel selbst aus, erhalten aber bei Bedarf auch Unterstützung.
Komplizierte Pflanzpläne sind nicht erforderlich. Beim klassischen Grenzhag reichen einfachste Arbeitsanweisungen: Alle vier Meter ein Baum als Grundgerüst, dazwischen jeweils drei Sträucher oder Halbbäume. Aufsitzstangen im Hag helfen Knickschäden durch größere Vögel an jungen Bäumen und Sträuchern zu verhüten.
Die Anpflanzung von Hagen bietet sich besonders an:
- als Ergänzung vorhandener Hagbestände und zur netzförmigen Verbindung isolierter Feldgehölze und sonstiger Biotope,
- als Erstanpflanzung in ausgeräumten Landschaften,
- an Grundstücksgrenzen.
In den ersten Jahren nach der Pflanzung sehen die Junghage oftmals noch nicht sehr vielversprechend aus. Es kommt teilweise zu Ausfällen, Verbissschäden durch Mäuse, Weidevieh und heimisches Wild. Für den Fortbestand der Hage ist eine geschlossene Strauchschicht von zentraler Bedeutung. Die Einzäunung der jungen Feldgehölze ist deshalb die Grundvoraussetzung, um diese Biotope langfristig zu erhalten und um auf teure Nachpflanzungen verzichten zu können.
Vielfältige Lebensbedingungen auf engstem Raum
Wie kaum ein anderer Lebensraum bieten Hage eine Vielfalt verschiedenster Lebensbedingungen auf engstem Raum. Vom Haginneren bis zum Rand sind alle Übergangszonen von dunkel zu hell, von feucht zu trocken und von kühl zu warm auf wenigen Metern anzutreffen. Das belaubte Dach ist besonnt, oft windig und meist trocken. Stark besonnt sind meist auch die stockwerkartig aufgebauten Hagseiten, der sog. Mantel. Das blattarme Zentrum ist dunkel und windstill. Im Halbschatten liegt der bodennahe Bereich der Hecke, der Saum. Feucht und nass hingegen ist der Trauf, da hier das Regenwasser abtropft.
Rund 90 verschiedene Gehölze, darunter allein zehn Wildrosenarten, wurden in unseren Hagen gefunden. An typischen Laubbäumen kommen Stieleiche, Sommer- und Winterlinde, Bergahorn, Esche, Wild- und Traubenkirsche und Eberesche vor.
Der Krautsaum am Rand der Hagen weist je nach den lokalen standörtlichen Bedingungen unterschiedliche Artenzusammensetzungen auf. An trocken-warmen Standorten finden wir u. a. Wilden Majoran, Echtes Johanniskraut, Männertreu, Schwalbenwurz, Wund- und Hornschotenklee, Natternkopf und Echte Schlüsselblume. Feuchtere Standorte bevorzugen z. B. Frühlingsknotenblume, Sterndolde, Frühlingskrokus, Taubnessel, Gundelrebe, Kuckuckslichtnelke und Scharbockskraut.
Aufgrund dieses Strukturreichtums, der vielfältigen Standort- und Klimabedingungen sowie des Nahrungsangebotes zählen Hage und Hecken zu den arten- und individuenreichsten Lebensräumen unserer Kulturlandschaft.
Der Hag als Finanz- und Energiequelle
Gepflegte Hage sind auch wirtschaftlich interessant und liefern wertvolles Stammholz. Der finanzielle Wert aus einem Hag entnommener Ahorne oder Linden ist nicht zu unterschätzen, man denk nur an den "Riegelahorn" für Furnierzwecke. Das Holz dient z.B. für die Anfertigung eines Ahorntisches oder für das Schreinern von Möbeln. Seit langem wird ferner Bergahornholz im Musikinstrumentenbau verwendet. Hier werden Spitzenpreise erzielt. Besonders gefragt ist neben Ahorn- auch Lindenholz, das in der Bildhauerei oder in der Stilmöbelanfertigung verwendet wird.
Und da Erdöl immer teurer wird, besinnen sich die Menschen zunehmend wieder auf alternative Energiequellen. Neben der Wärmeerzeugung durch den Küchen- und Kachelofen werden vermehrt Hackschnitzel- und Pelletheizungen in bäuerlichen Betrieben installiert. Als klimafreundlicher und nachhaltig nachwachsender Brennstoff ist Holz daher besonders zur Energiegewinnung zu empfehlen.
Eine gezielte Hagpflege, bei der Bäume aus dem Bestand entnommen und als wertvolles Stamm- bzw. Brennholz genutzt werden, dient daher sowohl den Eigentümern als auch der Natur.
Die Hage, Hecken und Feldgehölze im Landkreis Miesbach haben aufgrund ihrer landeskulturellen Funktion eine landesweite Bedeutung. Sie umgrenzen die Wiesen, gliedern und beleben die Landschaft. Neben dem Nutzen für Natur und Menschen bieten sie einen optimalen Windschutz und stellen außerordentlich wertvolle Rückzugsgebiete für viele von der Zivilisation bedrohte Tiere und Pflanzen dar. Sie vernetzen Wälder, Wiesen, Hochmoore, Streuwiesen, Fließgewässer und Trockenlebensräume miteinander und verschönern das Landschaftsbild zu jeder Jahreszeit.
Schließlich profitiert auch der Tourismus, denn in einer Bilderbuchlandschaft fühlt sich jeder Gast wohl. Unsere Aufgabe ist es, gemeinsam dieses ökologisch bedeutsame Naturerbe zu erhalten, zu pflegen und zu entwickeln.