Beim Fällen und Aufarbeiten geschädigter Bäume ist es unerlässlich, dass alle geltenden Sicherheitsstandards eingehalten und passende Arbeitsverfahren gewählt werden. Rund 20 % aller Waldarbeitsunfälle in Bayern stehen in direktem Zusammenhang mit der Fällung von Bäumen. Als kritischste Faktoren haben sich dabei herabfallende Äste oder Kronenteile bei vorgeschädigten Bäumen erwiesen. Bei der Fällung können sich diese leichter lösen als bei gesunden Bäumen und die darunter befindlichen Personen gefährden.
Die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) empfiehlt deshalb in geschädigten Waldbeständen vorzugsweise mit Forstmaschinen zu arbeiten, weil das Bedienpersonal dann in einer Sicherheitskabine geschützt ist und sich weiter entfernt vom Gefahrenort befindet.
Was aber tun, wenn keine Maschine verfügbar ist oder die Waldfläche mit Maschinen nicht erreichbar ist? Die LWF hat diese Frage aufgegriffen und mögliche Arbeitsverfahren und Hilfsmittel in einem neuen Merkblatt zusammengefasst. Darin erhalten Waldbesitzende, Forstunternehmen und Interessierte einen Überblick, welche technischen Hilfsmittel für die sichere Fällarbeit im Schadholz zur Verfügung stehen und wie diese eingesetzt werden können.
TOP: Technische, Organisatorische und Personelle Maßnahmen
Das TOP Prinzip ist eine Maßnahmenhierarchie im Arbeitsschutz. Sie definiert die Reihenfolge der anzuwendenden Sicherheitsmaßnahmen.
Ergibt sich aus der Gefährdungsbeurteilung, dass Gefährdungen durch technische Schutzmaßnahmen nach dem Stand der Technik nicht oder nur unzureichend vermieden werden können, hat der Arbeitgeber geeignete organisatorische und personenbezogene Schutzmaßnahmen zu treffen. Technische Schutzmaßnahmen haben Vorrang vor organisatorischen, diese haben wiederum Vorrang vor personenbezogenen Schutzmaßnahmen (vgl. BetrSichV §4 - Absatz 2).
Gefährdungsbeurteilung
Vor jeder Maßnahme muss zuerst eine Gefährdungsbeurteilung des Bestandes und anschließend des zu fällenden Einzelbaums erfolgen. Bei dieser "Baumansprache" sollten unter anderem folgende Merkmale beurteilt werden: Baumhöhe, Baumkrone, Äste, Stammverlauf, Gesundheitszustand, Stammdurchmesser, Nachbarbäume und Umfeld. Es reicht dabei nicht aus, den Baum nur von einer Position aus anzusehen. Die Situation muss von allen Seiten eingeschätzt werden, um sich ein umfassendes Bild zu verschaffen. Erst danach kann entschieden werden, ob
- der betreffende Baum als Biotopbaum erhalten bleiben soll,
- welche Fällmethode angewendet wird oder ob
- eine Fällung mit den zur Verfügung stehenden Arbeitsmitteln überhaupt möglich ist.
Auswahl des Arbeitsverfahrens
Bei der Holzernte von stehendem Schadholz – vor allem bei Laubschadholz und anbrüchigem Nadelholz – ist es wichtig, möglichst erschütterungsfrei zu arbeiten. Bei der motormanuellen Fällung mit Einsatz von herkömmlichen Schlagkeilen entstehen starke Schwingungen im Baum, die dazu führen können, dass sich während des Fällvorgangs Äste aus der Krone lösen und herabfallen. Das Umkeilen des Baums mit Schlagkeilen hat bei der motormanuellen Fällung von Schadholz daher zu unterbleiben!
Die sicherste Variante zur Fällung von Schadholz ist die vollmechanisierte Fällung mit Harvester, Bagger oder Fällkran.
Seilwindenunterstützte Fällung
Seilwindenunterstütztes Fällen ermöglicht das erschütterungsfreie Zufallbringen des Baums aus sicherer Entfernung. Winde, Seile und Anschlagmittel müssen aufeinander abgestimmt und in technisch einwandfreiem Zustand sein. Die verwendeten Seilwinden, Seile und Anschlagmittel sind regelmäßig zu prüfen. Die Einbauhöhe, in der das Baumzugseil am Baum angeschlagen werden muss, wird im Wesentlichen durch die Baumdimension und den Rückhang bestimmt. Auch die Baumart und die Jahreszeit (mit oder ohne Laub) haben einen großen Einfluss. Als Hilfestellung zur Auswahl der benötigten Anschlaghöhe in Abhängigkeit von der verfügbaren Windenzugkraft steht die Calmbacher Tabelle (siehe Merkblatt) zur Verfügung.
- Seileinbau: Königsbronner Anschlagtechnik (KAT) – Ast in gewünschter Anschlaghöhe vorhanden; geeignet für Anschlaghöhen von 5–6 m
- Seileinbau: Königsbronner Anschlagtechnik (KAT) – Baum ohne Äste bis zur gewünschten Anschlaghöhe; geeignet für Anschlaghöhen von 5–6 m:
- Seileinbau: Darmstädter Seilzugtechnik (DST); geeignet bis zu einer maximalen Anschlaghöhe von ca. 15 m:
Abb. 6d: Das Baumzugseil kann nun eingezogen und mittels Schäkel mit beiden Enden am Seilwindenseil befestigt werden. Wird ein Baumzugseil aus Stahl verwendet, kann ein vorheriges Einziehen eines Arbeitsseils mit der Wurfleine erforderlich sein. Die Einbauhöhe im Baum richtet sich nach dem zur Verfügung stehenden Baumzugseil sowie der Wuchsform und dem Zustand des zu fällenden Baums. Fotos: Tobias Hase
Aufstellung und Einbau der Seilwinde
Grundsätzlich gibt es bei der Aufstellung von Seilwinden (Forstseilwinden am Schlepper oder Spillwinde) zwei Varianten:
Variante 1: Baum mithilfe einer Umlenkrolle vom Schlepper/der Seilwinde wegziehen (umgelenkter Zug bzw. Sicherheitsaufstellung): Der Gefahrenbereich wird durch die Absicherung mittels Seilwinde auf einen Halbkreis um den zu fällenden Baum reduziert. Allerdings gilt es, den Innenwinkel der Umlenkung als zusätzlichen Gefahrenbereich zu beachten.
Fälltechnik bei Seilunterstützung
Die Fällung erfolgt analog zur herkömmlichen Sicherheitsfälltechnik. Allerdings wird die Bruchstufe negativ, also unterhalb der Fallkerbsohle ausgeführt. Dies verhindert zu große Krafteinwirkungen auf die Bruchleiste. Das Sicherheitsband wird versetzt unter bzw. über dem Fällschnitt durchtrennt. Die verbleibenden stehenden Fasern halten den Baum in Position und werden durch die Seilwinde abgerissen, sobald alle Akteure den Gefahrenbereich verlassen haben.
Ferngesteuerte Fällkeile
Bei der Fällung mit technischen Fällkeilen treten geringe bis keine Schwingungen im Baum auf. Es dürfen damit jedoch nur Bäume gefällt werden, die im Bereich des Fällschnitts keine Stammfäule aufweisen und die hinsichtlich ihres Rückhangs auch noch mit herkömmlichen Schlagkeilen zu Fall gebracht werden könnten! Man unterscheidet mechanische Fällkeile, die per Spindel von einem Schlagschrauber angetrieben werden (Abb. 8) und hydraulische Fällkeile (Abb. 9) mit Vorschub durch Hydraulikzylinder.
Die Fällung läuft dabei folgendermaßen ab:
- Der Forstwirt/die Forstwirtin legt den Fallkerb an und prüft, ob der Fallkerb Anzeichen für Fäule aufweist. Bei starker Fäule im Stamm darf der ferngesteuerte Fällkeil nicht verwendet werden, da die Fasern dann nicht ausreichend belastbar sind und der Keil sich in das geschädigte Holz drückt, ohne den Baum anzuheben. In diesem Fall ist unbedingt vollmechanisiert oder seilwindenunterstützt zu fällen!
- Wurzelanläufe erst nach Anlage des Fallkerbs und bei ausschließlich gesundem Holz beischneiden.
- Der Fällschnitt wird als Sicherheitsfälltechnik ausgeführt, jedoch das Sicherheitsband seitlich versetzt um ein ungehindertes Einsetzen der Fällhilfe zu ermöglichen.
- Zur Absicherung des Fällschnitts werden ein bis zwei herkömmliche Schlagkeile gesetzt. Bei geschädigten Bäumen dürfen die Keile nicht stark eingeschlagen werden, um unnötige Erschütterungen zu vermeiden.
- Mechanische und hydraulische Fällkeile sind im Vergleich zu herkömmlichen Fällkeilen weniger spitz ausgeformt. Bevor sie in den Fällschnitt eingesetzt werden können, muss der Fällschnitt mit einem sogenannten "Schnabelschnitt" erweitert werden (Abb. 10).
- Der ferngesteuerte Fällkeil wird nun im Schnabelschnitt angesetzt und auf leichte Vorspannung gebracht, bis er im Fällschnitt zuverlässig sitzt, sodass er sich bei der Vorschubbewegung nicht selbst aus dem Fällschnitt drückt.
- Das Sicherheitsband (Stützband) wird geringfügig versetzt zum Fällschnitt durchtrennt, um einen Kontakt der Sägekette mit der Fällhilfe zu vermeiden. Der Forstwirt, die Forstwirtin begibt sich danach zum Rückweichplatz, der sich in sicherer Entfernung zum Baum, außerhalb des Kronenraums, befindet.
- Mit Sicht auf den Fallbereich und den ferngesteuerten Fällkeil wird nun per Fernbedienung die Vorschubbewegung des Keils aktiviert und der Baum zu Fall gebracht.