Bei der Baumpflege und bei Forstarbeiten in der Nähe von elektrischen Freileitungen herrschen besondere Gefahren. Oft sind die Äste der Bäume schon sehr nahe an die Leitungen herangewachsen, weil der Rückschnitt der Baumkronen zu lange hinausgezögert wurde. Der Leitungsbetreiber hätte zwar dafür zu sorgen, dass es gar nicht erst so weit kommt, aber die Realität sieht häufig anders aus. Baumpfleger müssen dann diese Missstände beseitigen.
Schon die blosse Nähe zu Freileitungen bedeutet Lebensgefahr. Die Unfallstatistik der Deutschen Gartenbau-Berufsgenossenschaft zeigt bei Unfällen mit Strom eine fatale Entwicklung. In den Jahren 2000 bis 2005 sind in Deutschland 24 Unfälle bei Baumarbeiten in Zusammenhang mit elektrischen Freileitungen gemeldet worden. Fünf dieser Unfälle – das sind mehr als 20% – endeten tödlich. Aber auch bei den verbleibenden Unfällen war zumeist ein stationärer Krankenhausaufenthalt notwendig, um die vielfältigen, oft erst mit etwas Zeitabstand erkennbaren Folgen des Kontaktes mit bis zu 110'000 Volt Stromstärke zu beheben. Dabei ist in aller Regel das Herz betroffen, aber auch Nerven und die Haut.
Sicherheitsabstände einhalten
Wenn man die Ursachen solcher Unfälle betrachtet, so ist zunächst klar, dass der Sicherheitsabstand zu den Leitungen unterschritten wurde. Die Sicherheitsabstände hängen von der Stromstärke ab und sind so festgelegt, dass ein gefahrloses Arbeiten möglich ist. Bei Nebel oder Regen sind diese Sicherheitsabstände besonders wichtig, denn bei nasser Witterung ist die Gefahr gross, dass der Strom auch ohne Berührung auf den Menschen übergreift (Lichtbogenübertritt). Schon der Aufenthalt in der Gefahrenzone einer Leitung kann unter diesen Voraussetzungen dem Berühren gleichkommen.
Nennspannung | Sicherheitsabstand |
bis 1000 V über 1 kV bis 110 kV über 110 kV bis 220 kV über 220 kV bis 380 kV bei unbekannter Nennspannung | 1,0 m 3,0 m 4,0 m 5,0 m 5,0 m |
Das menschliche Auge hat Probleme, vor dem Hintergrund eines blauen oder bedeckten Himmels den Abstand zum dünnen Leitungsdraht zu beurteilen. Deshalb ist es oft schwierig, den Sicherheitsabstand konkret einzuhalten. Tragisch endete dies als zwei Personen in einer Hubarbeitsbühne bei klarem Himmel die Trasse einer 110-kV-Hochspannungsleitung freischneiden sollten und mit dem Korb zu an die Leitung heranfuhren. Durch den Lichtbogenübertritt erlitt einer der beiden tödliche Stromschläge, der andere blieb körperlich nahezu unverletzt, musste aber wegen eines massiven Schocks lange behandelt werden. An der Hubarbeitsbühne entstand durch den starken Strom Totalschaden (Abb. 2).
Abb. 2 - Die Kraft des Stromstosses ist eindrücklich: Führerhaus einer Hubarbeitsbühne nach Kontakt des Korbes mit einer 110-kV-Freileitung. Foto: Uwe Böckmann
Gefahr durch Stangensägen und Äste
Die bei der Arbeit eingesetzten Werkzeuge beeinflussen die Gefährdung massgeblich. Insbesondere Stangensägen und Hochentaster bergen Gefahren, weil sie den Abstand vom Anwender zur Stromquelle stark verkürzen. Bei einem Viertel der in Deutschland gemeldeten Stromunfälle bei Baumarbeiten war der Kontakt zur Freileitung denn auch über eine Stangensäge hergestellt worden. Drei Unfälle dieser Art endeten tödlich, wie der Fall eines Arbeiters, der seine Stangensäge nah am Sägeblatt fasste, um einen Ast abzusägen. Dabei vergass er allerdings, dass der Teleskopstiel seiner Säge hinter ihm gefährlich nahe an eine 20-kV-Freileitung heranragte und diese dann auch tatsächlich berührte. Das löste den tödlichen Stromschlag aus.
Der häufigste Grund für die gemeldeten Stromunfälle war allerdings der Kontakt eines abgesägten Astes oder Baumes mit einer Freileitung, über den dann der Baumpfleger verletzt wurde. So ist bei einem Seilklettertechnik-Einsatz ein Arbeiter ums Leben gekommen, weil die Baumkronen, die er in der Nähe einer 110-kV-Bahnleitung zurückschneiden sollte, schon in den Sicherheitsbereich der Leitung hineinragten und ein abgesägter Ast auf einen spannungsführenden Draht fiel.
Abb. 3 - Das Resultat eines Stromdurchflusses durch eine Stangensäge. Foto: Uwe Böckmann
Stomleitungen frühzeitig freistellen
Der Netzbetreiber ist dafür verantwortlich, die Einhaltung der Sicherheitsabstände des Baumbestands zu den Stromleitungen seiner Trassen zu überwachen und die dafür nötigen Arbeiten rechtzeitig selbst oder durch den jeweiligen Besitzer der Bäume zu veranlassen. Daneben gibt es Regelungen für Auftraggeber von gefährlichen Arbeiten, die sie verpflichten, den Auftragnehmer bei der Planung, Organisation und Durchführung zu beraten. Gemeinsames Ziel muss sein, die Zahl der Unfälle durch Stromschläge zu minimieren.
(TR)