Kaum eine forstliche Landnutzung wird weltweit so kontrovers diskutiert wie der Anbau von Baumarten der Gattung Eukalyptus in industriellen Plantagen. Ihre traurige Berühmtheit haben die Eukalypten mit Schlagzeilen wie "The Eucalypt Dilemma" (das Eukalyptus-Dilemma, FAO 1985) oder "Eucalypse Now" (Die Zeit, 1993) erlangt. Neben sozialen und gesellschaftspolitischen Problemen, die mit der Plantagenwirtschaft oft einhergehen, werden den Eukalypten bei dieser Bewirtschaftungsform vor allem katastrophale Folgen für die Umwelt zugeschrieben. Nichtsdestotrotz nehmen die in Plantagen angebauten Eukalypten heute weltweit eine Fläche von 20 Mio. ha ein. Davon stehen nach neusten Schätzungen etwa 3,4 Mio. ha in Brasilien, dem fünftgrössten Land der Erde.
Die Wälder Brasiliens nehmen mit einer Ausdehnung von 550 Mio. ha mehr als 50% der Landesfläche ein, auf die Gesamtwaldfläche der Erde bezogen sind es immerhin noch stolze 16%. Nur etwa 5,4 Mio. ha davon sind so genannte «industrielle Plantagen», die extrem produktiv für die industrielle Holznutzung bewirtschaftet werden. Mit einem Anteil an der Waldfläche von unter 1% tragen sie zu über 63% zur Versorgung der heimischen Holzindustrie bei. Der Forst- und Holzsektor ist neben dem Sojaanbau mittlerweile zur zweitwichtigsten Devisenquelle des Landes aufgestiegen.
Im Jahr 2004 wurde bereits ein Exportüberschuss von mehr als 6 Mia. USD erzielt. Die durchschnittliche jährliche Zuwachsrate des Forst- und Holzsektors Brasilien von über 10% im letzten Jahrzehnt wird in naher Zukunft vermutlich durch die nicht in gleichem Ausmass wachsende Rohstoffbasis deutlich gebremst. Produkte auf der Basis von Eukalyptus-Holz nehmen dabei eine bedeutende Stellung ein, die, wie an dem Expansions- und Investitionsverhalten grosser Konzerne abzusehen ist, in Zukunft aller Voraussicht nach noch wachsen wird.
Die Geschichte der Eukalypten in Brasilien
Abb. 2 - Holzverwendung der Eukalypten in Brasilien.
Die Eukalyptus-Plantagen bilden neben den ebenfalls grossflächig angebauten Kiefernarten das Rückgrat der brasilianischen Plantagenwirtschaft. Die um 1825 in Brasilien eingeführte Gattung Eukalyptus wurde erstmals durch die Eisenbahngesellschaften Brasiliens forstlich genutzt. Ab 1940 gewann die Holzkohleproduktion für die aufstrebende Stahlindustrie eine neue Bedeutung. Vor allem im Bundesstaat Minas Gerais wurden grössere Eukalyptus-Flächen angelegt und in Stockausschlagwirtschaft bewirtschaftet. Ende der 1950er-Jahre begannen die ersten Firmen mit dem Anbau von Eukalyptus für die Zellstoff- und Papierproduktion. Bis 1966 gab es in Brasilien schätzungsweise 400 bis 500'000 ha Eukalyptus-Plantagen. Durch ein staatliches Förderprogramm wurde diese Fläche in nur 30 Jahren auf 3 Mio. ha ausgeweitet.
Abb. 3 - Bundesstaaten mit bedeutendem Eukalyptus-Anbau in Brasilien.
Die Insel Marajó in der Amazonasmündung hat die Grösse der Schweiz.
Heute wird Eukalyptus auf dem nationalen Markt überwiegend für die Holzkohlegewinnung benötigt, der für das Land wirtschaftlich bedeutendere Exportsektor basiert auf der Produktion von Kurzfaserzellstoff und der Papierherstellung (Abb. 2). Andere Verwendungen wie für die Plattenindustrie und als Furnier- oder Sägeholz spielen derzeit noch eine untergeordnete Rolle, haben aber ein grosses Expansionspotenzial.
Die grössten Eukalyptus-Plantagenflächen finden sich heute im Bundesstaat Minas Gerais (Abb. 3). Das Holz wird überwiegend für die Holzkohlegewinnung zur Erzverhüttung eingesetzt. Die Zellstoff- und Papierindustrie hat sich aus logistischen Gründen und aufgrund der für das Wachstum vorteilhaften klimatischen Bedingungen weit gehend in Küstennähe angesiedelt, wo die direkte Verschiffung der Endprodukte zu den Märkten nach Nordamerika, Europa und Asien möglich ist.
Brasilien hat sich in den letzten Jahrzehnten zum bedeutendsten Produzenten von Kurzfaserzellstoff aus Eukalyptusholz entwickelt, das zunehmend zur Produktion hochwertiger Papiere benötigt wird. Qualität, Preis und Menge sind die Marktvorteile, die der brasilianischen Industrie Marktanteile sichern und zunehmend ausländische Investoren ins Land locken werden.
Äusserst hohe Produktivität
Abb. 4 - Dreieinhalb Jahre alte Eukalyptus-Plantage mit einem BHD von 18 cm und Höhen um 25 m. Das Volumen liegt bei 380 m³/ha, was einem durchschnittlichen Gesamtzuwachs von über 100 m³/ha pro Jahr entspricht.
Die Eukalyptus-Plantagen der Zellstoff- und Papierindustrie Brasiliens zählen zu den produktivsten weltweit. Zuwächse von über 50 m³/ha pro Jahr sind möglich und werden auch auf bedeutenden Flächen erreicht. Der Grund für das extreme Wachstum der Gattung Eukalyptus liegt zum einen in der guten Anpassungsfähigkeit an unterschiedlichste Wuchsbedingungen, zum anderen an der extrem effizienten Nutzung von Wasser, Nährstoffen und Licht. Ein weiterer Vorteil ist die natürliche Resistenz gegen alle Formen von Plagen, von denen grossflächige Monokulturen sonst gerne heimgesucht werden.
Diese Faktoren – gepaart mit einer intensiven und optimierten Bewirtschaftung – garantieren den grossen Erfolg. Ein weiterer Wettbewerbsvorteil der Zellstoff- und Papierproduzenten Brasiliens liegt in der überwiegend vertikal strukturierten Unternehmensform. Das heisst von der Produktion des Pflanzmaterials über den Waldbau, Holzernte und Transport bis hin zum Endprodukt Zellstoff und/oder Papier ist die gesamte Forst-Holz-Kette in der Hand eines Unternehmens. Daraus ergeben sich betriebliche Optimierungsmöglichkeiten, die in den europäischen Ländern so nicht realisierbar sind.
Abb. 5 - Ein sägefähiger zwölfjähriger Eukalyptus mit einem BHD von 56 cm. Die mittlere Dichte lag bei einer Holzfeuchte von 12% höher als bei einer Traubeneiche (0,8 g/cm³).
Die grossen brasilianischen Zellstoffproduzenten haben es in den letzten 30 Jahren geschafft, die Produktivität ihrer Eukalyptus-Plantagen von durchschnittlich 20 auf über 40 m³/ha und Jahr zu steigern, gleichzeitig stieg die Ausbeute an Zellstoff pro m³ Rundholz stetig an. Gezielte und langfristige Investition in Innovation und Forschung garantieren den Unternehmen einen Vorsprung auf dem Weltmarkt. In Umtriebszeiten von nur fünf bis zehn Jahren werden Volumina zwischen 300 und 500 m³/ha hochwertigen und homogenen Holzes für die Zellstoffproduktion erzeugt. Die nunmehr langjährige Erfahrung hat gezeigt, dass von einer Volumennachhaltigkeit ausgegangen werden kann.
Neuere Studien zur Produktion von sägefähigem Stammholz deuten zudem an, dass bei entsprechenden Durchforstungen in zehn Jahren Durchmesser von 40 cm und mehr erzielt werden können, wobei die Holzeigenschaften der Eukalypten denen vieler Tropenhölzer überlegen sind. Die weiten Pflanzverbände erlauben zudem einen hohen Mechanisierungsgrad in der Bestandespflege und der Holzernte.
Ökologische Probleme
Abb. 6 - Ehemals land- und viehwirtschaftliche Nutzfläche (oben) und nach der Bepflanzung der Plateaulagen mit Eukalypten und der Renaturierung der gewässernahen Steilzonen (unten).
Abb. 7 - Grossflächige Kahlschläge prägen die Plantagenwirtschaft. Ohne entsprechende Vorsorgemassnahmen kann es leicht zu flächiger Erosion kommen.
Die intensive Bewirtschaftung von Plantagen hat natürlich ihren Preis. Monokulturen mit extrem hoher Biomasseleistung bergen gewisse Nachteile und Risiken in sich. Da die wirtschaftliche Bedeutung der Forstplantagen zur Versorgung der Weltmärkte mit Produkten auf Holzbasis genauso wenig wegzuleugnen ist wie die negativen ökologischen Auswirkungen auf die Umwelt, wurden in den letzten Jahrzehnten grosse Anstrengungen unternommen, den Nachhaltigkeitsgedanken der Waldbewirtschaftung auch auf diese Form der Holzproduktion zu übertragen.
Brasilien hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte darin erzielt, auch die ökologischen und sozialen Grundpfeiler der Nachhaltigkeit in die Plantagenwirtschaft zu integrieren. Davon zeugt der grosse Anteil von zertifizierten Flächen gerade bei den Eukalyptus-Plantagen. Zertifizierungen der forstlichen Aktivitäten sowie der Produktion nach ISO, FSC oder dem brasilianischen Standard CERFLOR sorgen in dieser Hinsicht für positive Entwicklungen, da die Abnehmermärkte der Zellstoff- und Papierproduzenten den Nachweis der ökologisch und sozial nachhaltigen Bewirtschaftung verlangen und damit sicherstellen, dass nach den neusten technischen Standards und Kenntnissen produziert wird.
Ein am häufigsten mit den Eukalypten in Verbindung gebrachtes Argument ist das der Auslaugung der Böden und die Absenkung des Grundwasserspiegels. Die Firmen gehen schon im Interesse der Rohstoffsicherung schonend mit den Ressourcen Nährstoffe und Wasser um. In den Klimazonen, in denen derzeit Eukalypten angebaut werden (Abb. 2), sind negative Effekte auf den Wasserhaushalt durch die hohen Niederschläge weitgehend nicht zu befürchten, entzogene Nährstoffe werden durch Düngung ersetzt.
Die ehemals reichen Naturwälder, die früher gerade die heute mit EukalyptusPlantagen bestockten Flächen einnahmen, mussten schon im Laufe der letzten Jahrhunderte der land- und viehwirtschaftlichen Nutzung weichen. Das Holz der Naturwälder diente zur Deckung des Holzbedarfs der stark wachsenden Bevölkerung und vor allem zur Ausbeutung der reichen Bodenschätze im Bundesstaat Minas Gerais. o ist es zumindest für Brasilien nicht zutreffend, dass für den Anbau von Eukalypten grosse Naturwaldflächen abgeholzt wurden. Vielmehr handelte es sich grösstenteils um degradierte landwirtschaftliche Böden, die ohne entsprechend intensive und damit teure Bewirtschaftung nicht mehr produktiv nutzbar waren.
Eines der wichtigsten Argumente, die Erosionsgefahr, spielte jedoch in weiten Teilen Brasiliens lange Zeit eine wichtige Rolle. Die Bepflanzung von steilem Gelände und Bewirtschaftung im Kahlschlagverfahren mit einer Ganzbaumnutzung führten dazu, dass viele stehende und fliessende Gewässer durch flächige Erosion zusedimentierten. Aus diesen Fehlern hat man gelernt: Heute sind die Steillagen, insbesondere im Einzugsbereich von Gewässern, aus der Bewirtschaftung herausgenommen und teilweise sogar wieder renaturiert oder in Naturwaldkorridore umgewandelt (Abb. 1 und 6). Durch Belassen des Schlagabraums auf der Fläche wird zudem die Bodenerosion reduziert. Auch Forststrassen werden zunehmend nach dem neusten Stand der Kenntnisse angelegt, um negative Auswirkungen auf das Ökosystem zu reduzieren.
Bezüglich der Anfälligkeit von Monokulturen für Plagen und Waldbrände haben sich die in Brasilien angebauten Eukalypten als äusserst robust erwiesen. Es sind derzeit keine Schädlinge bekannt, die nicht mit einer biologischen Bekämpfung kontrolliert werden können. Dennoch liegt hier für die Zukunft ein erhebliches Risikopotenzial verborgen, das Umweltverbände immer wieder als Argument gegen eine Ausweitung der Plantagenflächen ins Feld führen. Grossflächige Waldbrände, wie sie auf der iberischen Halbinsel alljährlich auftreten, kommen in Brasilien nicht vor. Dies liegt zum einen daran, dass ausgeprägte Trockenzeiten in den meisten Eukalyptus-Anbaugebieten fehlen, zum anderen ist der Umgang der Bevölkerung mit Feuer wesentlich bewusster als in Spanien und Portugal.
Soziale Brennpunkte und Spannungen
Die land- und forstwirtschaftliche Nutzung in Brasilien war über Jahrhunderte hinweg von den kolonialen Strukturen des Landbesitzes geprägt. Wenige, aber politisch und gesellschaftlich sehr einflussreiche Personen, besassen einen Grossteil des Landes. Die Bevölkerung im ländlichen Raum, ohne Zugang zu Bildung, war von den Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft abhängig.
Mit der extremen Mechanisierung der Landwirtschaft in den letzten Jahrzehnten verlor ein Heer an Wanderarbeitern mitsamt ihren Familien die Lebensgrundlage. Dies schuf enormen sozialen Sprengstoff. Obwohl im letzten Jahrzehnt eine Fläche von der Grösse Frankreichs an die landlosen Familien verteilt wurde, kommt es immer wieder zu Landkonflikten zwischen Bevölkerung und grossen Plantagenbetrieben, da die landwirtschaftliche Produktion gegenüber der Waldwirtschaft als vorrangig angesehen wird.
Ein erheblicher Anteil an dem trotz grosser Anstrengungen immer noch schlechten Image der Plantagenbetriebe liegt in deren Vergangenheit begründet: Mangels Druck von Seiten der Gesetzgebung wurde weder auf die Belange der Bevölkerung noch die Auswirkungen der intensiven Bewirtschaftung auf die Umwelt Rücksicht genommen. Die Arbeitsbedingungen waren zum Teil verheerend. Kleinbauern wurden beim Landkauf oft betrogen, mussten in Städte abwandern und endeten dort in den Slums. Dies hat sich in den letzten Jahren – nicht zuletzt auch unter internationalem Druck – stark geändert. Arbeitssicherheit und soziale Verantwortung werden inzwischen sehr ernst genommen und dürften kurz- bis mittelfristig Wirkung zeigen.
Fazit und Ausblick
Die Eukalyptus-Plantagenwirtschaft und die angeschlossene Industrie sind ein für Brasilien nicht mehr wegzudenkender Wirtschaftsfaktor geworden. Die grossen Firmen haben ihre Bewirtschaftungsweise und die sozialen Standards der Produktion in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert, was nicht zuletzt auch auf Forderungen und Ansprüche der Abnehmermärkte zurückzuführen ist. Die günstigen klimatischen Bedingungen, die vorteilhaften Produktionskosten und die kontinuierlichen Investitionen in die Verbesserung der Produktionsgrundlage Wald haben das Land im Bereich der Eukalyptus-Kurzfaserzellstoffproduktion an die Weltspitze gebracht, was viele multinationale und nationale Konzerne ermutigt, in Brasilien zu investieren.
Bei konsequenter Umsetzung der heutigen Kenntnisse über die nachhaltige Waldbewirtschaftung sowie Berücksichtigung gesellschaftlicher und sozialer Belange bei der Holzproduktion kann die Eukalyptus-Plantagenwirtschaft in Brasilien nicht nur in erheblichem Umfang zu der Produktion erneuerbarer Rohstoffe beitragen, sondern auch für eine nachhaltige Entwicklung des Landes – gerade in strukturschwachen ländlichen Räumen – sorgen.