Im Jahre 2004 wurde die Idee geboren, Forschungsmethoden und -ergebnisse zum Klimaschutz einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Als Forschungsgegenstand des Klimaschutzes bietet sich die Waldzustandsforschung an. Bäume spiegeln in ihrem Gesundheitszustand unterschiedliche Einflüsse wider. Bestimmte Methoden eignen sich, um z.B. Witterungsverläufe, Klimaveränderungen, Schadstoffeintrag verständlich zu erklären.
Häufig wird Fachwissen in Bildungsveranstaltungen erklärt und die Teilnehmer können an Modellen die Praxis ausprobieren. Diese Modelle haben aber in der Regel nichts mit realen Forschungen und noch weniger mit dem "Leben" und "Erleben" der Teilnehmer zu tun. "Echte" Praxis, die die Teilnehmer verstehen und die sie betrifft, ist einfach besser - und was Spaß macht, bleibt den Besuchern länger im Bewusstsein. Denn: Emotionen und Affekte bestimmen den Aufmerksamkeitsfokus und sind "Klebstoff" für kognitive Elemente.
Forschung trifft auf Pädagogik
Das Projekt "Umweltmonitoring in der Waldpädagogik" ist auf die gemeinsame Initiative der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF), dem Zentrum für Familie, Umwelt und Kultur im Kloster Roggenburg und dem Walderlebniszentrum Roggenburg zurückzuführen. Die drei Einrichtungen bilden den idealen Rahmen, um fachspezifische Forschung zielgerichtet einer breiten Öffentlichkeit nahe zu bringen. An der LWF sind Fachwissen und Forschungsergebnisse vorhanden. Roggenburg bietet pädagogisches Wissen der Bildung zur nachhaltigen Entwicklung, die Infrastruktur des Bildungszentrums und des Walderlebniszentrums sowie einen entsprechenden Bekanntheitsgrad.
Nach zunächst kleinen Schritten und einigen Testläufen entwickelte sich das Vorhaben zu einem Großprojekt. Im Dezember 2005 fand dazu in Freising ein Workshop "Forstliches Umweltmonitoring meets Waldpädagogik" statt. Roggenburg war mit zwei Mitarbeitern des Walderlebniszentrums sowie der Umweltbildungsreferentin vertreten. Von der LWF waren Mitarbeiter der Waldpädagogik und des forstlichen Umweltmonitorings anwesend. Verschiedene Forschungs- und Monitoringmethoden wurden nach Schwierigkeitsgrad und Aussagekraft hinsichtlich der Anwendung bewertet, damit die pädagogische Seite anschließend zielgruppengerechte Maßnahmenpakete konzipieren kann.
Aus dem Roggenburger Jahresprogramm zum Öko-Projekttag: "Was Bäume über unser Leben erzählen"
"Die Wälder schweigen. Doch sie sind nicht stumm..." schreibt Erich Kästner in einem Gedicht - wir wollen von den Bäumen erfahren, wie es ihnen mit dem Leben der Menschen geht.
Glauben Sie, dass ein Baum etwas über das Leben der Menschen erzählen kann? Die Waldforschung strebt danach, zu erforschen, inwieweit das Handeln der Menschen Wälder beeinflusst. Das wiederum lässt sich am Aussehen und Zustand der Bäume feststellen.
Wir zeigen Ihnen, wie Sie selbst beurteilen können, ob ein Baum gesund ist oder ob er bereits geschädigt wurde. Sie sehen Zusammenhänge zwischen dem Leben der Menschen und den Reaktionen der Bäume und auf welche Weise diese Zusammenhänge erforscht werden können.
"Echte Laborpraxis" im Umweltraum
Bei der weiteren Umsetzung des Projektes ist folgendes geplant: An Messstationen, die unter der Anleitung der LWF eingebaut werden und auch auf den Waldklimastationen zu finden sind, arbeiten die Teilnehmer selbständig wissenschaftlich. Sie gewinnen von Bäumen Nadel- oder Laubproben für chemische Kurztests oder analysieren im Umweltraum des Bildungszentrums Lösungen von Saugkerzen bzw. Humus-Lysimetern. Sie können z. B. auf einem Parcours bei der Kronenansprache (nach einer fachlichen Einweisung und unterstützt durch geeignetes Bildmaterial) den Nadel- oder Blattverlust und damit den Gesundheitszustand der Bäume einschätzen. Die Daten werden dann mit Ergebnissen aus bestehenden Waldklimastationen verglichen. Mit Hilfe von Jahrringmessungen an Baumscheiben und dem Abgleich mit Wetterdaten (Jahrringchronologie) lassen sich Witterungsereignisse und ihre Einflüsse auf den Einzelbaum bzw. den Gesundheitszustand des Waldes rekonstruieren.
In weiterführenden Gesprächen wird veranschaulicht, wie Klima, Wald und Boden anthropogen beeinflusst werden (Verbrennung und Stickstoff- bzw. Kohlendioxid-Problematik), woher verschiedene Luftschadstoffe stammen und welche Quellen relevante Schadstoffe in großem Umfang emittieren. Der inhaltliche Bogen kann praktisch zum Konsumverhalten der Teilnehmer gespannt werden: zu CO2-Rucksäcken von Äpfeln aus Chile, zur Abbauproblematik von Aluminium etc.
Der Kreis schließt sich mit der Frage, wie Veränderungen des Waldes wiederum den Menschen beeinflussen. Aspekte der Schutzwürdigkeit und Nutzfähigkeit spielen dabei eine große Rolle. Der Ansatz, dass die Teilnehmer selbständig Zusammenhänge erarbeiten, soll sich in der Erweiterung der persönlichen Handlungskompetenz niederschlagen.
Für die ersten Veranstaltungen war festzustellen, dass sich zunächst fachlich "vorbelastete" Gruppen für dieses Bildungsangebot interessierten, z. B. Berufsschüler aus den Bereichen Garten- und Landschaftsbau, Landwirtschaft oder die Umweltabteilung eines Landratsamtes. Bemerkenswert sind die Eindrücke der Teilnehmer, wie die Resultate aus Interviews mit Berufsschülern zeigen (siehe Kasten Zitate).
Zitate von Berufsschülern
"Man passt jetzt besser auf die Bäume und die Natur auf, weil man weiß, was sie selber wert sind und was man braucht fürs Leben, als Produzent von Sauerstoff und so..."
"Man geht nicht mehr so achtlos mit der Natur um, weil man sie mit einem anderen Auge sieht."
"Wenn ich jetzt einen Baum anschaue und weiß, dass er nicht in Ordnung ist, dann ist das auch meine Lebensgrundlage..."
Die Leiter der Gastgruppen berichten übrigens, dass weit nach diesem Öko-Tag die fachlichen Zusammenhänge bei den Teilnehmern noch präsent sind. Dies bestätigt uns in unserer pädagogischen Arbeit.
Das Zentrum für Familie, Umwelt und Kultur beim Kloster Roggenburg und das Walderlebniszentrum Roggenburg bedanken sich bei der LWF für die hervorragende und angenehme Zusammenarbeit und freuen sich bereits darauf, in den nächsten Jahren auch komplexere Forschungsmethoden pädagogisch umzusetzen. Außerdem hoffen wir, die Ergebnisse des Projektes anderen Einrichtungen zur Umsetzung weitergeben zu können.
Dipl.-Geogr. Silke Hackenberg war Referentin für Umweltbildung im Zentrum für Familie, Umwelt und Kultur beim Kloster Roggenburg e.V.;