Am 22. November um 7:00 Uhr treffen sich der Sozialarbeiter Manfred Ohrfandl vom BFW und seine dreiköpfige Arbeitsgruppe vom Projekt "Soziale Waldarbeit" und ich, Irene Gianordoli, in Wien, um gemeinsam nach Weitra im nördlichen Waldviertel zu fahren. Dort erledigen sie für die Forstverwaltung Fürstenberg Wald- und Forstarbeiten. Es ist der erste Tag des nun schon vierten Lockdowns. Auf den Straßen ist davon jedoch wenig zu merken.
Die Wiener Arbeitsgruppe setzt sich aus Personen zusammen, die einen erschwerten Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Durch das Projekt Soziale Waldarbeit haben jene eine Beschäftigung und fixe Anstellung beim Kooperationspartner Stützpunkt GmbH bekommen. Wald- und Forstarbeiten steht nun am Tagesprogramm. Eine faire Entlohnung ebenso.
Fichte sticht, Tanne nicht
Nach zwei Stunden Anreise trifft sich das Team beim Parkplatz Nebelstein mit einem pensionierten Förster und Jäger, der über den Kooperationspartner Stützpunkt GmbH im Projekt mitarbeitet und mit seiner Erfahrung einen wertvollen Beitrag leistet. „Am Nebelstein gibt's immer Nebel!“, so der Pensionist – treffender könnte die Wetterlage vor Ort nicht beschrieben werden. Schon bei der Ankunft nieselt es – ob es nun Schnee oder Regen ist, ist man sich nicht einig. Jedenfalls hat Michael, einer aus der Arbeitsgruppe, schon am Vorabend im linken Fuß gespürt, dass das Wetter umschlägt.
Kurze Zeit später trifft auch der Förster und Gebietsbetreuer des Forstgutes Fürstenberg ein. Gemeinsam fahren alle zur nahegelegenen etwa drei Hektar großen Waldfläche mit jungen Tannen. Diese sollen heute mit einem weißen Pflanzenschutzmittel angestrichen werden, damit die Tannen in den Wintermonaten nicht vom Wild verbissen werden. Dieser Verbissschutz wirkt gegen das Wild sowohl optisch durch die Farbe als auch mechanisch durch die körnige Konsistenz und durch den Geschmack. Angestrichen wird nicht die gesamte Jungtanne, sondern nur der Terminaltrieb, also der Haupttrieb. Das Team vermischt gleich zu Beginn das Mittel mit Wasser und verteilt es in große Kübel.
Der Förster veranschaulicht die Tätigkeit an einer Tanne, steckt das zu bearbeitende Waldstück ab und kehrt anschließend zurück ins warme Forstbüro. Mit einem eigenen Kübel und Pinsel ausgestattet macht sich jeder aus dem Team an die Arbeit und trägt die weiße Farbe Pinselstrich für Pinselstrich auf die Jungtannen auf. Der Unterschied zwischen Fichte und Tanne bereitet manchen anfangs noch kleine Schwierigkeiten – gegenseitig unterstützt man sich und erklärt die Unterschiede zwischen den Baumarten auch gern ein zweites Mal. Das Wort Miteinander wird im Team großgeschrieben. Am Ende der Arbeitseinheit und nach unzähligen bestrichenen Tannen (und so mancher anfänglich bestrichen jungen Fichte) können alle die Baumarten fast wie im Schlaf unterscheiden.
Klirrend kalt
Schon kurz nach Arbeitsbeginn setzt ein leichter Schneefall ein. Also doch kein Regen, sondern Schnee. Der linke Fuß von Michael hatte Recht. Zwischen den unzähligen Schneeflocken und kleinen Tannen kommt man auch mit aktuellem Lockdown und geschlossenen Weihnachtsmärkten in weihnachtliche Stimmung. Das Team zeigt trotz klirrender Waldviertler Kälte, Schneefall und sumpfigem Untergrund Durchhaltevermögen. Doch als gegen Mittag der Schneefall stärker wird und die Bedingungen am Nachmittag noch rauer vorhergesagt werden, wird die Arbeit abgebrochen und die Rückreise nach Wien angetreten.
Die Farbe soll Tannen vor Verbiss schützen. Diese wichtigen Tätigkeiten erfordern viel Arbeitskraft. Foto: BFW / Irene Gianordoli
Flexible Zeiteinteilung
In den vergangenen Tagen sind sie bereits für die Forstverwaltung Fürstenberg die Grenzen einiger Waldstücke abgegangen, wobei die Grenzsteine gereinigt, mit neuer Farbe markiert und wenn nötig auch Markierungspfosten erneuert wurden. Mittels eines vom Förster zur Verfügung gestellten Planes orientierten sie sich im Wald und arbeiteten so Grenzstein für Grenzstein ab.
Das Gelände um Weitra ist für das Team recht anspruchsvoll, da es stellenweise steil, und in der aktuellen Jahreszeit feucht und rutschig ist. Dabei konnten sie sich selbst testen und lernen, wie man sich im Wald auf verschiedenem Untergrund am besten bewegt. Das Team arbeitet sehr flexibel, denn sie können sich die Arbeit vor Ort je nach zeitlichen Ressourcen und persönlichen Fähigkeiten selbst einteilen.
Im Projekt "Soziale Waldarbeit" bekommen arbeitsmarktferne Menschen eine sinnstiftende Arbeit in der Natur und Waldbesitzer*innen erhalten qualitative Unterstützung bei ihren Wald- und Forstarbeiten. Foto: BFW / Irene Gianordoli
Win-Win-Situation
Die Arbeitswoche in Weitra ist aktuell ein Pilotversuch im Projekt Soziale Waldarbeit. Das Team hat von der Forstverwaltung Fürstenberg einen Auftrag für eine Woche bekommen. Das Ziel des Projektes ist es einerseits bestehende Aufträge weiter auszubauen, um eine dauerhafte Beschäftigung zu erreichen, andererseits durch zusätzliche Kooperationen aus dem Sozial-, Umwelt- und Arbeitsbereich weitere Aufträge zu lukrieren.
Eine letzte Stufe im Projekt sieht vor, die Dienstleistungen auch österreichweit anzubieten. Hierfür sollen regionale Arbeitsgruppen entstehen, die die jeweilige Region mit Arbeiten versorgen. Eine Win-Win-Situation ergibt sich durch das Projekt. Arbeitsmarktferne Menschen bekommen eine sinnstiftende Arbeit in der Natur und Waldbesitzer*innen erhalten qualitative Unterstützung bei ihren Wald- und Forstarbeiten. Die Vision des Projektes Soziale Waldarbeit, das mit Unterstützung von Bund, Ländern und Europäischer Union finanziert wird, ist, langzeitarbeitslose Personen in die Wald- und Forstarbeit zu integrieren.
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