Als "Holländer" wurde eine stattliche Tanne oder Fichte bezeichnet, die wegen ihrer außerordentlichen Dimension – bis zu 30 m lang und am dünneren Ende immer noch 40 cm dick – als Exportgut über Neckar, Main, Mosel und Rhein in die Niederlande ging. Das aufstrebende Holland war mit seiner Schiffs- und Städtebaukunst und seinen weltweiten Handelsverbindungen im 17. und 18. Jahrhundert die größte Produktionsregion Europas und übte einen ungeheuerlichen, heute kaum vorstellbaren Rohstoffsog aus.
Vom 17. bis ins 19. Jahrhundert war der Begriff "Holländerholz" ein fester Bestandteil der Forstsprache in Deutschland (Abb. 1). Gemeint war damit Holz, das in den Export über den Rhein in die Niederlande ging. Holland und England brauchten damals immens große Holzmengen zum Ausbau ihrer Handels- und Kriegsflotten, aber auch für Wasser- und Städtebau. Der Bedarf wurde unter anderem aus der Schweiz, dem Schwarzwald und auf bayerischer Seite aus fränkischen Mittelgebirgen, aus dem Einzugsgebiet des Mains und seiner Nebenflüsse gedeckt: allen voran dem Frankenwald, dem Bamberger Hauptsmoorwald und dem Spessart (s. Kasten unten).
Holland – Europas Wirtschaftsmotor
Holland ist ein Land fast ohne Wälder und ohne eigene Rohstoffe. Es hat auch keine Reliefenergie und kann damit die Wasserkraft mit klassischen Mühlen nicht nutzen. Kein Wald, keine Rohstoffe, keine Wasserkraft: Damit fehlen drei wichtige Voraussetzungen, die im Mittelalter für wirtschaftlichen Aufschwung unerlässlich waren, wie zum Beispiel in der Oberpfalz, wo Holz, Bodenschätze und Wasserkraft die Region wirtschaftlich erblühen ließen.
Allerdings ist die Verkehrslage Hollands am Meer und am Rhein sehr günstig. Mit dem zunehmenden Schiffsverkehr ab dem 16. Jahrhundert wurden zum einen die Märkte weltweit erschlossen und über den Rhein war der wichtige Rohstoff- und Absatzmarkt Mitteleuropa gut zu erreichen. Da an der Küste zuverlässige Winde wehen, konnte die fehlende Wasserkraft mit der in Holland fortentwickelten Technologie der Windmühlen kompensiert werden.
Rohstoffe rein, Wertgüter raus
Seit dem Mittelalter importierte Holland aus England in großem Stil Wolle und webte sie in den Städten auf mechanisierten Webstühlen zu Stoffen, die in ganz Europa abgesetzt wurden. Allmählich entwickelte sich Holland im 16. und 17. Jahrhundert zur wichtigsten Produktionslandschaft und stieg zum bedeutendsten Handelszentrum Europas auf.
Die Boomregion am Niederrhein handelte mit Wein aus dem Mittelmeerraum, mit Fellen aus Russland und Holz aus Skandinavien und dem Baltikum. Weil viel Geld im Umlauf war, blühte auch die Kunst in dieser reichsten Region Europas. Das zeigen die produktiven und großen Malerwerkstätten von Rembrandt und Rubens.
Als wegen des Falls von Konstantinopel (1453) und den ständigen Auseinandersetzungen mit den Osmanen keine Waren mehr über die Seidenstraße in den Westen kamen, verloren die italienischen Stadtstaaten ihr Handelsmonopol mit asiatischen Waren, die sie bis dahin aus der Levante importiert hatten. Erst als die Portugiesen Afrika umschifft und den Weg nach Indien (Vasco da Gama, 1498) gefunden und die Spanier (Christoph Kolumbus, 1492) Amerika entdeckt hatten, war für Europa ein weltweites Rohstofflager und ein ebenso großer Absatzmarkt erschlossen. Die Seehandelswege werden im 16. Jahrhundert daher immer bedeutender. Die Staaten am Rande Europas mit direktem Zugang zum Atlantik haben jetzt einen Vorteil. Sie gründen Handelsgesellschaften für den Ostindienhandel. Die Niederländische Ostindien-Kompanie – gegründet 1602 – hat Niederlassungen auf allen Kontinenten und handelt mit Waren und Rohstoffen aus aller Welt: Neu-Amsterdam (heute: New York), Surinam, Java, Südafrika.
Schiffsbau und Hafenbau
Um 1660 hat Europa rund 20.000 Handelsschiffe, 16.000 davon besitzen allein die Niederländer! Sie bauen für sich, aber auch der Export ins aufstrebende England boomt (Abb. 2). Für ein Segelschiff werden etwa 4.000 150-jährige Eichen verbaut. Für ein Kriegsschiff mit 100 Kanonen werden 5.000 Eichen benötigt. Noch im Jahr 1800 werden 5.000 Spessarteichen als Auflast auf einem Frankenwaldfloß nach Holland transportiert und für den Bau eines englischen Kriegsschiffes verwendet.
Aber nicht nur für den Schiffsbau und für Werftanlagen werden große Mengen Holz gebraucht. Auch im Wasserbau, in Häfen und an den Kanälen werden Rammpfähle benötigt. Für die Fundamente von Gebäuden auf morastigem Untergrund werden ebenfalls Pfähle eingesetzt, die mindestens 11 m lang sein müssen. Ganze Stadtteile von Amsterdam und anderen niederländischen Städten sind auf vielen Millionen herbeigeflößten Holzpfählen errichtet. Und auch in den Hausbau, in die Feuerung und in die unterschiedlichen Gewerbe fließt viel Holz. Für die Windmühlen mit ihren bis zu 9 m langen Flügeln werden lange Balken benötigt. Kiefern aus dem Hauptsmoorwald sind astarm, verziehen sich kaum und sind als Flügel für holländische Windmühlen besonders gut geeignet.
Windmühlen
In Holland fehlt es an Gefälle, deshalb können keine Wassermühlen mit Teichen zur Energiespeicherung angelegt werden. Aber es herrschen stetige Winde. Über die Spanier, die die Niederlande geerbt hatten und die maurische Technologie der Windmühlen kannten, kam vermutlich die Grundtechnologie nach Holland (Abb. 3). Statt Gefälle ist Wind im Überfluss da, die erste Windmühle "Molendinum venti" wird gebaut.
Weil die Bevölkerung wächst, wird Land gebraucht, das aber nur durch Entwässerung gewonnen werden kann. Dazu sind Pumpen notwendig. Die Energie kommt von den Windmühlen, die Pumpen antreiben und das Land hinter den Deichen trocken legen und trocken halten. Ab 1600 etwa werden Windmühlen auch zum Sägen von Schiffsholz verwendet. Deshalb können die Holländer Schiffe in vier Monaten bauen, während die Engländer dazu ein Jahr brauchen. Die Folge ist, dass in Holland zuhauf Aufträge für Schiffsbau für Drittländer eintreffen. Auch der russische Zar Peter der Große machte sich ein Bild vom High-Tech-Standort Holland. Albert Lortzing hat das in der Oper "Zar und Zimmermann" verewigt.
Abb. 3: Windmühlen waren in Holland der Energielieferant Nr. 1 und auch dafür verantwortlich, dass man deutlich schneller ein Schiff bauen konnte als anderswo. Aber Holz war auch Baumaterial für Windmühlen. Besonders begehrt waren Kiefernstämme aus dem Bamberger Hauptsmoorwald für die langen Flügel der Windmühlen (Foto: PantherMedia / swisshippo (YAYMicro)).
Organisation des Einkaufs
Holland war also völlig auf den Rohstoff Holz angewiesen. Denn in dem rohstoffarmen Land war der Handel allein Quelle und Motor der Wirtschaft. Dazu aber mussten Schiffe gebaut werden, um die Handelsniederlassungen weltweit erreichen zu können. Die Handelsflotte und die Zahl der begleitenden Kriegsschiffe nahmen ständig zu. Neue Schiffe, aber auch Reparaturen, verschlangen große Mengen Holz. Wald gab und gibt es kaum in Holland. Aber in den abgelegenen Mittelgebirgen Deutschlands gab es noch Holz im Überfluss. Über den Rhein war Holland mit ihnen verbunden. Also wurde aus allen Ecken des Wassereinzugsgebiets des Rheins Holz in die Niederlande geflößt. Besonders viele Flöße kamen aus dem Schwarzwald (über Murg, Enns und Neckar), dem Frankenwald (über Rodach und Main) und aus den Schweizer Bergen (über Aare und Rhein).
Als das Wasser noch (Holz)Balken hatte
Der Wassertransport war bis zur Erfindung der Eisenbahn im 19. Jahrhundert die einzige technische Möglichkeit, sperriges Holz über große Entfernungen zu transportieren. Aber auch im Ostseeraum kauften die Holländer viel Holz und importierten es mit Schiffen. So wurden zum Beispiel aus Ostpreußen seit dem 16. Jahrhundert Eichen und Holzhalbwaren (Bretter, Balken) nach Holland verschifft. Noch heute spielt der baltische Raum für die Holzversorgung Großbritanniens und der Niederlande eine wichtige Rolle.
Auf dem Floß viel los
Holland war also "der Absatzmarkt" für Holz in Europa. Im Frankenwald wurden Nebenflüsse begradigt, um sie für Langholz flößbar zu machen. Holzhandels-Gesellschaften, wie die Murgschifferschaft, die Pforzheimer Flößerzunft oder die Calwer Holzhandelskompagnie im Schwarzwald wurden begründet. Agenten organisierten die Ware. Man sprach von Holländerholz. Der Holländerholzhandel war überregional organisiert. Mehrfach wurden Flöße auf dem Weg in die Niederlande neu gebunden (Abb. 4). Im Rhein erreichten die Nadelholzflöße über 200 m, auf ihnen wurden Bretter, Pfähle, Balken und andere Güter transportiert. Auch für den Personentransport wurden sie genutzt, oft errichtete man auf ihnen grobe Hütten (Abbildungen 5 und 6).
Albrecht Dürer reiste 1520 auf einem Floß von Bamberg aus auf Main und Rhein in die Niederlande und berichtete von zahlreichen Zollstellen. Bemerkt sei auch noch, dass im 16. und 17. Jahrhundert ein von Nürnberg aus europaweit organisierter Eibenholzhandel die Flöße zum Ferntransport nutzte. Eibenholz wurde für Bögen und Armbrüste verwendet und war damit sensibles Rüstungsgut, das in den Alpen geschlagen wurde und über den Rhein auf Flößen nach Holland und von dort mit dem Schiff nach England ging.
Eiche krumm – besonders geschätzt
Auf den Flößen, die wertvolle Transportfläche boten, wurde oft fast so viel Eichenholz als Auflast transportiert wie Fichten- und Tannenholz als Unterlage trugen. Mit zunehmender Nachfrage aus Holland wurde die Sortierung verfeinert und nach einheitlichen Regeln durchgeführt.
Anders als die für Holland bestimmten Tannen und Fichten, die in Schlägen großflächig geerntet wurden, wurden die Eichen einzeln ausgesucht und vermarktet. Länge und Zopfstärke von "Holländereichen" war genau definiert: sie sollten 10–13 m lang sein und einen Mittendurchmesser von 70–110 cm aufweisen. Eiche war als Schiffbauholz besonders hoch begehrt und ging als Auflast auf den Flößen mit. Das war der Grund, warum Eiche und Ahorn seit dem Dreißigjährigen Krieg im Schwarzwald sehr abgenommen haben. Die Holzhändler achteten auf bestimmte Eichenqualitäten und suchten in den Eichenkronen besondere Formen (Spezialsortimente). Dabei ging es ihnen, anders als heute, nicht um möglichst lange und gerade Schäfte, es waren auch Zwiesel, Astanläufe und Steiläste gesucht, die für bestimmte Teile der Schiffe verwendet wurden, die möglichst aus einem Stück sein sollten. Der riesige Außenhandel mit Eiche trat aber auch in Konkurrenz mit inländischer Eichennutzung (Bauholz, Fassholz, Eckerich etc.).
Letztlich geht auch die Heilbronner Sortierung des Stammholzes darauf zurück, bei der – ebenso wie beim Holländerholz – nach Mindestlänge und Mindestzopf sortiert wird. Sie war in Bayern bis zum Ende des 20. Jahrhunderts in Gebrauch.
Für Fürst und Volk
Im 18. und frühen 19. Jahrhundert kauften gut ein halbes Dutzend Firmen Eichenholz für den Handel mit Holland im Spessart ein. Der Export brachte viele Gulden in die Kassen der damaligen fürstlichen Waldbesitzer im Spessart. Aber der Handel kam auch Holzhauern und Fuhrleuten in den bitterarmen Spessartsiedlungen zugute. Im Revier Krausenbach im Kgl. Bayerischen Forstamt Bischbrunn ist für 1830/31 vermerkt, dass in der Waldabteilung Waldameisensohl zahlreiche Holländerstämme geschlagen und vor Ort bearbeitet wurden, so dass der ganze Waldboden mit vielen "Spänen" der bearbeiteten Eichen bedeckt war. Diese Späne mussten für 7 Gulden und 24 Kreuzer herausgeschafft werden, weil sie schädlich für die jungen Buchen und Eichen waren
Zusammenfassung
Vom 16. bis ins 19. Jahrhundert gingen zahlreiche Flöße – auch aus Franken oder dem Schwarzwald – nach Holland. Dort wurde viel Holz für Hafenanlagen verbraucht und es entstand eine riesige Handelsflotte, die Märkte weltweit ansteuerte. Weil die Niederlande keine eigenen Wälder hatten, war der Handel mit starken Nadelholzstämmen, aber auch mit Eichen und Spezialsortimenten, Grundlage ihres wirtschaftlichen Erfolges.