Steine sind prägend für viele Waldböden Baden-Württembergs. Dabei gelten Steine überwiegend als Hindernis für die Durchwurzelung, als "Verdünnung" der Nährelemente und Wasserspeicherkapazität oder allgemein als Ausdruck unwirtlicher Bodenverhältnisse. Wie sieht es jedoch mit den Nährstoffpotenzialen aus, die in den Steinen stecken, oder mit dem Einfluss auf den Bodenwasserhaushalt? Diesen Fragen geht die Abteilung Boden und Umwelt der FVA im Rahmen der bundesweiten Bodenzustandserhebung im Wald und durch spezielle physikalische Untersuchungen nach.

Abb. 1: Beispiele steinreicher Waldböden in Baden-Württemberg (Fotos: Hermann Buberl)

Steine auf der Speisekarte

Prof. Ernst E. Hildebrand formulierte es so: "In der Not frisst der Wald Steine". Die Anlehnung an das Sprichwort über die diabolische Geschmacksaversion gegenüber den untergebenen Fliegen, deren Proteingehalt in Notzeiten doch zu schätzen gelernt wird, trifft für die aktuelle Lage der Waldböden zu, deren Feinerde durch eine tiefgreifende Versauerung einen Großteil ihrer Speicherfunktion für Pflanzennährstoffe verloren hat. Diese Analogie ist nicht so zu verstehen, dass wüchsige Wälder sich auch problemlos aus reinen Gesteinsböden ohne Feinerdeanteile ernähren können. Reine Gesteinsböden findet man in den Grenzbereichen der natürlichen Vegetation, auf Schutthalden, im Hochgebirge oder an extremen Steillagen. Baden-Württembergs Wälder jedoch wachsen überwiegend auf Mischungen aus Feinboden (Sand, Schluff, Ton), organischer Substanz und Steinen in variabelster Zusammenstellung.

Die "Fliegen" sind daher nicht als ausschließlicher Menübestandteil anzusehen, vielmehr stehen Steine als weit verbreiteter Bestandteil auf der Speisekarte der Wälder, wenn die „Schlemmermahlzeit“ aus den Feinbodenanteilen knapp wird. Auch ist deren Abgrenzung ab einer Partikelgröße von 2 mm als Grenze zwischen fruchtbarem Feinboden und „Ballaststoff“ Stein mehr oder weniger willkürlich. Der Feinboden ist durch jahrhundertelange physikalische und chemische Verwitterung erst aus den Steinen entstanden. Dieser Prozess dauert heute noch an und wird als die "nachschaffende Kraft" des Bodens gesehen.

Sind Steine nahrhaft für Wälder?

Die wichtigste Aussage des Vergleichs mit den Fliegen liegt darin, dass Steine eine wichtige Funktion für die Nährstoffversorgung von Wäldern einnehmen können. Diese Hypothese war Grundlage für die Untersuchung der Nährstoffbelegung der Gesteinsfraktionen der Böden, die im Rahmen der zweiten bundesweiten Bodenzustandserhebung, kurz BZE2, durchgeführt wurde. Dabei wurden die Steine von Standorten untersucht, deren Austauscherbelegung nicht mehr zu 100 % aus basisch wirkenden Kationen (Calcium, Kalium, Magnesium und Natrium) besteht, sondern die aufgrund natürlicher und anthropogen induzierter Versauerung auch durch die sauer, teils toxisch wirkenden Kationen Aluminium, Eisen und Mangan beeinflusst ist. Den Anteil der basischen Kationen an der gesamten Kationenbelegung nennt man Basensättigung. Sie ist ein wichtiger Kennwert für die Bewertung der Bodenfruchtbarkeit. Insgesamt wurden diese Nährstoffwerte nicht nur für den Feinboden und die Humusauflagen, sondern auch für die Steine an 150 Standorten und somit an der Hälfte aller 304 untersuchten BZE2-Standorte in Baden-Württemberg bestimmt.

Einblicke in die Vorratskammer Waldboden

Das wichtigste Ergebnis dieser Untersuchungen (Hartmann & Wilpert 2013) ist, dass zwischen den Nährstoffgehalten des Feinbodens und jenen der Steinfraktion ein sehr enger Zusammenhang besteht. Die Grenze zwischen fein und grob, zwischen dem vermeintlichen Rehragout und der Fliege, ist fließend. Es zeichnet sich ein Gradient ab, der einerseits die Prozesse der Verwitterung und Nährstoffnachlieferung, aber auch der Versauerung und der Anreicherung von Al, Fe und Mn nachzeichnet. Dabei verfügen die Steine über einen ähnlichen, aber leicht höheren Gehalt an basischen Kationen. Aus den Steinen werden diese freigesetzt.

Die Steine sind somit als Quelle basischer Kationen identifiziert. Dem entgegen läuft die Versauerung, die im Feinboden stärker ausgeprägt ist als in der Gesteinsfraktion. Zu betonen gilt es hierbei, dass schwach versauerte Feinböden auch im Gesteinsanteil geringe Versauerungsintensitäten aufweisen. Bei stark versauerten und nährstoffverarmten Standorten hingegen ist auch der Anteil basischer Kationen in den Steinen deutlich reduziert. Es wird jedoch eine "eiserne Reserve" an basischen Kationen in den Steinen nicht unterschritten. Eine etwa 5 bis 10 % höhere Basensättigung weisen auch die basenärmsten Böden auf.

Zutatenliste: Wie viel "Stein" ist im Menü?

Da nun die Nährstoffpotenziale der Steine aufgedeckt sind, gilt es die tatsächliche mengenmäßige Relevanz zu verdeutlichen. Die Anteile an den Nährstoffvorräten ergeben sich aus der Menge an Steinen im Wurzelraum und deren Eigenschaften (Konzentrationen der Nährstoffe). Dabei bestätigt sich zum Teil die anfangs zitierte Aussage Hildebrands. Tatsächlich sind die stark versauerten Standorte des Odenwalds, des Schwarzwalds und Oberschwabens diejenigen, die unter heutigen Umweltbedingungen (Bodenversauerung) essentiell auf die Nachlieferung aus den Steinen angewiesen sind (Abb. 3). Auch unter Berücksichtigung der Nährstoffanteile aus den Steinen lassen sich diese Standorte jedoch nicht relevant höher einstufen. Arme Standorte bleiben auch mit hohen Steingehalten nährstoffarm. Aufgrund der exponentiell größeren Oberfläche des Feinbodens im Vergleich zu den Steinen bleibt der Feinboden im Hinblick auf die austauschbaren Nährstoffanteile das bodenprägende Merkmal. Die Steine sind als graduell untergeordnete, jedoch langfristige und an Ungunst-Standorten auch relevante Quelle von Nährstoffen nicht zu unterschätzen. Sie sind sozusagen ein Nährstoffreservoir für Notzeiten.

Etwas zu trinken? Steine sind auch Wasserspeicher

Abb. 4: Auf Porosität hin untersuchte Gesteinssorten.

Es bleibt zu klären, ob diese Nährstoffe in den Steinen am Prozess der Nährstoffaufnahme durch Pflanzen teilnehmen können. Die Nährstoffe werden mit dem Bodenwasser im Boden mobilisiert und entweder von den Pflanzen aufgenommen oder mit dem Sickerwasser ausgetragen. Diese Prozesse laufen in den Zwischenräumen zwischen den Bodenpartikeln ab, den sogenannten Bodenporen. Sind in diesem Zusammenhang die Steine reines Hindernis im Wasserfluss oder besitzen Steine auch eine innere Porosität? Dieser Frage ging Judith Willibald in ihrer Bachelorarbeit (Willibald & Hartmann 2013) nach.

Dabei untersuchte sie verschiedene Gesteinssorten (Abb. 4):

  • Granite und Sandsteine aus dem Schwarzwald;
  • Sandsteine und Massenkalke aus dem Hainich, einem muschelkalkgeprägten Buchengebiet in Thüringen;
  • sowie unterschiedlichste Gesteinsarten aus dem südwestdeutschen Alpenvorland.

Die Untersuchung erfolgte über unterschiedliche Verfahren, bei denen die Steine zunächst mit Wasser vollständig aufgesättigt und dann sukzessive mittels Unter- und Überdruckverfahren entwässert wurden. Dies simuliert die Austrocknung durch pflanzliche Verdunstung und Evaporation im Boden. Dabei sind folgende Bereiche für die Bewertung relevant: zum einen der Anteil an groben Poren, die für die Luftversorgung zuständig sind. Das sind Poren mit Durchmessern von über 50 mm, die nach einem Regenereignis nach zwei Tagen wieder entwässert sind. Die Menge der nächst kleineren Poren (kleiner 50 mm Durchmesser) definiert die Wasserspeicherkapazität eines Bodens, die jedoch nur oberhalb einer Größe von über 0,2 mm als pflanzenverfügbar gilt (=nutzbare Wasserspeicherkapazität nWSK).

Die Untersuchungen bestätigten, was bereits der optische Eindruck vermuten lässt: Sandsteine haben Hohlräume, die auch pflanzenrelevant Wasser speichern können. Auch Paragneise vermögen Wasser aufzunehmen und zu speichern, wenngleich weniger als Sandsteine. Deutlich geringere Mengen an Poren weisen Massenkalke auf (Abb. 5).

Wie bei den Nährstoffen, gilt es auch bei Steinen den Einfluss auf den Wasserhaushalt des Gesamtbodens abzuschätzen. Es liegt auf der Hand, dass dieser mit der prozentualen Menge an Steinen zunimmt. Für einen mittelsteinigen Standort auf Paragneis sind das bei 1 m Wurzelraum zwischen 10 Liter pro m² (bei 20 % Skelett und 5 % nWSK = 5 l/dm) und bei stark steinigen Standorten z. B. auf Buntsandstein bis zu 120 Liter pro m² (z. B. bei 60 % Skelett und 20 % nWSK = 20 l/dm), die in den Steinen gespeichert werden können. Vor allem bei Böden, die ohnehin eine relativ geringe nWSK aufweisen, kann der Beitrag, den das Bodenskelett zur Wasserversorgung leistet, von Bedeutung für den Waldboden als Pflanzenstandort sein.

Zusammenfassung

Steine sind aktiver Bestandteil des Bodens. Sie sind im stetig ablaufenden Verwitterungsprozess als langfristige Quelle basischer Kationen anzusehen. Auch der Prozess der Versauerung ist in den Steinen erkennbar, wenn auch leicht schwächer als im Feinboden. Dabei weisen die am stärksten versauerten Böden im Steinanteil einen leicht erhöhten Rest an basischen Kationen auf. Damit diese Nährstoffe für die Pflanzen verfügbar sind, müssen diese mit dem Bodenwasser zu den Wurzeln transportiert werden. Dieses Bodenwasser fließt in den Bodenporen. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass auch Steine relevante Mengen an Poren besitzen (Sandstein > Paragneis > Massenkalke) und somit Wasser in pflanzenverfügbarer Form speichern und transportieren können.

Literatur

  • Hartmann, P. & Wilpert, K. v. (2013): Nährstoffversorgung an BZE2-Standorten in Baden-Württemberg: Welche Anteile liefern Humusauflage, Feinboden und Skelett? Freiburger Forstliche Forschung 96: Ausgleichs- und Reaktorfunktionen von Waldböden im Wasserkreislauf. Gemeinsames Kolloquium des AK "Waldböden" der DBG und der Sektion "Wald & Wasser" im DVFFA und des vTI Eberswalde in Freiburg am 20.-21.06.2012, 167-178.
  • Willibald, J. & Hartmann, P. (2013): Bodenphysikalische Eigenschaften des Bodenskeletts und Einfluss auf den Wasserhaushalt von Waldböden. Freiburger Forstliche Forschung 96: Ausgleichs- und Reaktorfunktionen von Waldböden im Wasserkreislauf. Gemeinsames Kolloquium des AK "Waldböden" der DBG und der Sektion "Wald & Wasser" im DVFFA und des vTI Eberswalde in Freiburg am 20.-21.06.2012, 73-84.