An Wälder werden vielfache forstliche und gesellschaftliche Ansprüche gestellt, so z.B. eine in Masse und Qualität nachhaltige Holzproduktion, sie sollen als naturnaher Lebensraum für Pflanzen und Tiere zur Verfügung stehen und darüber hinaus werden sie als wertvoller Erholungsraum, insbesondere in dicht besiedelten Ballungsräumen genutzt.
Neben diesen direkt mit dem oberirdischen Erscheinungsbild des Waldes verknüpften Funktionen werden von Wäldern eine Anzahl von Leistungen erwartet, die direkt durch den Boden vermittelt werden. Exemplarisch seien hier genannt die Filterung und Speicherung von eingetragenen Schadstoffen, die Pufferung von Säuren, eine in Qualität und Quantität gleichbleibend hohe Grund- und Trinkwasserspende bis hin zur Funktion von Wäldern und Waldböden als besonders effektive Kohlenstoffspeicher, die der Atmosphäre durch Speicherung von Kohlenstoff CO2 entziehen.
Sowohl die Existenz des Waldes als Lebens- und Erholungsraum, die Holzproduktion als auch die nicht an die Holzproduktion gebundenen Waldfunktionen sind direkt oder indirekt von den besonderen Eigenschaften der Waldböden abhängig. Waldböden sind eine selbstregulierend gleichbleibende Ernährungsgrundlage für Wälder und Waldvegetation in Bezug auf Nährelement- und Wasserversorgung. Aufgrund der langfristig gleichbleibenden Vegetationsdecke unterliegen die physikalischen und chemischen Rahmenbedingungen für Waldböden und deren Entwicklung geringen Schwankungen.
Damit können sich im Boden langfristig stabile Organismenpopulationen aufbauen – Waldböden sind deshalb i.d.R. belebter als Böden in der freien Landschaft. Sie sind makroskopisch in Humusauflage und verschiedene, gut unterscheidbare Mineralbodenhorizonte strukturiert und weisen mikroskopisch ein stark differenziertes, hoch kontinuierliches Porensystem auf. Struktur und Belebtheit sind die wesentlichen Grundlagen des Filter- und Speichervermögens von Waldböden für Kohlenstoff, Stickstoff und Schadstoffe. Durch die Lage der Bodenzone zwischen Atmosphäre und Litho-/Hydrosphäre sind sie das „Reaktionsgefäß“, durch das Stofftransporte zwischen diesen Ökosphären stattfinden und in dem Stofftransformationen (z.B. Säurepufferung) möglich sind.
Hierarchität und Stabilität von Waldökosystemen
Die Kompartimente von Waldökosystemen unterliegen einer hierarchischen Ordnung von mikroskopischen, zellulären Strukturen bis hin zur Gesamtheit von Waldökosystemen, die i.d.R. Landschaftsmaßstab einnehmen.
Für die drei am häufigsten in der Ökosystemforschung realisierten Betrachtungsebenen ist der Zusammenhang zwischen auf das Ökosystem oder dessen Ausschnitte einwirkenden Störpulsen und den entsprechenden Systemreaktionen in Abb. 1 dargestellt. (zur Erläuterung der Zusammenhänge, sowie zur vertieften Darstellung s. Originaldokument als PDF im Anhang).
Gefährdung der Bodenfunktionen – Schlussfolgerungen für die Praxis
Abb. 2: Absenkung des pH-Wertes in Oberböden auf Buntsandstein zwischen 1927 und 1992 (rechts) und die schematische Darstellung der Auswirkung dieser chronischen "Systemerosion" auf die Sensitivität von Ökosystemen und Subsystemen gegenüber Störimpulsen (links).
Aktuell sind die nachhaltige Standortsqualität, Filter- und Pufferfunktionen von Böden sowie deren Eignung als Lebensraum artenreicher Bodenorganismen – Populationen durch Bodenversauerung, die hauptsächlich durch Säure- und Stickstoffeinträge aus der Luft angetrieben wird, akut gefährdet.
Auf silikatischen und tief entkalkten Böden im Bereich von Schwarzwald und Odenwald hat die Säurestärke im Oberboden um 1,5-2 pH-Stufen zwischen Mitte der 20er und Anfang der 90er Jahre zugenommen. In Abb. 2 ist diese Entwicklung am Beispiel der pH – Veränderung in Oberböden auf Bunsandsteinstandorten gezeigt. Durch diese anthropogen verursachte Bodenversauerung werden Intensität und Relation pedogenetischer und bodenökologischer Leitprozesse teilweise schwellenartig verschoben. Durch die enge Prozesskoppelung zwischen bodenchemischen, bodenphysikalischen und bodenbiologischen Eigenschaften von Böden bewirkt eine solch drastische Verschlechterung des bodenchemischen Milieus in für die natürliche Bodenentwicklung extrem kurzer Zeit als integrale Beeinträchtigung von Filter- und Puffereigenschaften sowie der Lebensraumfunktion von Böden. In Rückblende zu unserem physikalischen Gedankenmodell (Abb. 1) ist dieser Aspekt in Abb. 2 (links) schematisiert. Auf der Ebene des repräsentativen Bodenvolumens (RBV) besteht ähnliche Unsicherheit in der Prognose von System - Entwicklungen wie im ungestörten Zustand. Auf der mesoskaligen Ebene des Pedons wird durch diese "Erosion wesentlicher Systemeigenschaften" (z.B. Aufbrauchen von Puffersubstanzen und deren Wegfuhr mit dem Bodenwasser in Form von Neutralsalzen) eine ähnliche Sensitivität wie auf der Mikroebene verursacht.
Im Analogbeispiel ist dies durch die "Perforation" des Pendels symbolisiert. Dadurch wird die Masse des Pendels reduziert, bis sie sich im Extremfall proportional zur äußeren Oberfläche verhält. Letzteres würde gleichbedeutend mit dem vollständigen Verlust der systemaren Regeleigenschaften sein. Das Pendel wird nach der Krafteinwirkung ähnlich chaotisch und nicht prognostizierbar ausschlagen wie auf der Ebene des RBV. Auf Ökosystemebene gilt das Gleiche. Ein Verlust von Regeleigenschaften auf Ökosystemebene würde sich in der Realität z.B. darin äußern, dass der Systemoutput (z.B. Menge und chemische Zusammensetzung des Gebietsabflusses) nicht mehr gedämpft und gleichmäßig ist, sondern in Abhängigkeit von der Variabilität des Inputs (z.B. des Niederschlags) schwankt. Das bedeutet, das System puffert nicht mehr.
Wenn in Waldböden der Optimalbereich des pH-Wertes z.B. durch Säureeinträge in Richtung Bodenversauerung eindeutig verlassen wird, werden die dargestellten Bodenfunktionen drastisch eingeschränkt oder in den betroffenen Bodenpartien vollständig zerstört. Letztendlich bleibt ein Restboden übrig, der im wesentlichen nur noch ein mechanisches Stützkorsett z.B. für Pflanzenwurzeln darstellt und seine Filtereigenschaften und Pufferkapazitäten sowie die Eigenschaft als Lebensraum weitgehend eingebüßt hat.
In der Verantwortung für ca. 1/3 der Landesfläche muss die Forstverwaltung mit allen Mitteln steuernd eingreifen um essentielle Waldbodenfunktionen zu sichern, bis die politische Umsetzung von Luftreinhaltemaßnahmen Säure- und Stickstoffeinträge auf ein ökosystemverträgliches Maß reduziert haben wird. Bodenschutzkalkungen sind eine effektive, biologisch, chemisch und physikalisch wirksame Stabilisierungsmaßnahme. Deren langfristige Wirkung muss durch eine waldbauliche Umorientierung in Richtung verstärkten Laubholzanbaus stabilisiert werden. Es ist klar, dass mit diesen forstbetrieblichen Maßnahmen nur Zeit gewonnen werden kann, bis eine auf langfristigen Boden- und Ökosystemschutz ausgerichtete Umweltpolitik greifen wird.